Nach den nicht sehr ermutigenden Ergebnissen großer Endpunktstudien zu den CETP-Inhibitoren Torcetrapib (erhöhte Mortalität)1 und Dalcetrapib (keine Reduktion der Endpunkte)2 sowie zu retardierter Nikotinsäure (keine Reduktion der kardiovaskulären Endpunkte in der AIM-HIGH-Studie)3 folgten im Dezember letzten Jahres weitere ernüchternde Nachrichten: Die Daten aus 4 Jahren Follow-up der Heart Protection Study 2 (HPS2-THRIVE), bei welcher die Kombination von retardierter Nikotinsäure mit dem Mastzelldegranulationshemmer Laropiprant bei über 25.000 Personen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko und schon optimierter Statintherapie gegen Placebo verglichen wurde, wurden ausgewertet. Laut Angaben der Herstellerfirma (Merck/MSD) und der European Medicines Agency (EMA) konnte das primäre Ziel der Studie, nämlich die Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte, nicht erreicht werden.4, 5 Die Anzahl der nichttödlichen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen war in der Verumgruppe erhöht. Unter diesen Nebenwirkungen waren Blutungen, Myopathien, Infektionen und neu diagnostizierter Diabetes. Als Konsequenz wurde die Zulassung von Niacin/Laropiprant (Tredaptive®) in der Europäischen Union ruhend gestellt; das Medikament ist seit 23. Jänner 2013 nicht mehr im Handel.
Macht es nun überhaupt noch Sinn, über eine medikamentöse Hebung des HDL-Cholesterins nachzudenken? Wenn es nach Ken Frazier, dem CEO des Tredaptive®-Herstellers Merck, geht, dann ja. Im Jänner 2013 verkündete er am World Economic Forum in Davos, dass an der Entwicklung eines weiteren Medikaments zur HDL-Steigerung, dem CETP-Inhibitor Anacetrapib (derzeit in einer Phase-III-Studie), festgehalten wird.
Epidemiologische Untersuchungen bringen schon seit Langem Argumente für ein hohes HDL-Cholesterin. So war in einer Metaanalyse von prospektiven Studien (insgesamt wurden 15.252 Individuen untersucht) ein Anstieg von 1 mg/dl HDL-Cholesterin mit einem um 2 bis 3 % reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert.6 Auch In-vitro- und kleinere In-vivo-Studien geben Hinweise auf atheroprotektive Effekte von HDL.
Möglicherweise ist auch die Messung der HDL-Konzentration alleine nicht ausreichend, um die kardiovaskuläre Protektion oder den Effekt einer Therapie zu beurteilen. Khera AV et al. konnten zeigen, dass der durch Apolipoprotein-B-depletiertes Serum erzeugte Efflux von Cholesterin aus Makrophagen (ein Maß für die HDL-Funktion) ein besserer Prädiktor für die Intima-Media-Dicke der Karotiden und für Koronaratherosklerose ist als die HDL-Konzentration.7 Somit ist die individuell variierende Funktion des HDL-Cholesterins möglicherweise besser zur Beurteilung einer Therapie geeignet als die Konzentration. Allerdings ist die HDL-Funktion derzeit im klinischen Alltag nicht messbar. Die HDL-Konzentrationen im Serum korrelieren zwar mit der Effluxkapazität, erklären aber nur 40 % ihrer Variation und sind somit ein ungenauer Maßstab für die HDL-Funktion.
Es stellt sich also die Frage, ob der HDL-Anstieg in den bisherigen Interventionsstudien zu gering war, um einen sichtbaren Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse zu bewirken. Studien in diesem Bereich bewegen sich insofern auf hohem Niveau, als neue Substanzen bei schon idealer LDL-Reduktion durch Statine einen kardiovaskulär protektiven Effekt zeigen müssen. Es bleibt abzuwarten, was die Ergebnisse weiterer Untersuchungen zur HDL-Erhöhung bringen. Die noch in klinischer Entwicklung befindlichen CETP-Inhibitoren Anacetrapib (MSD) und Evacetrapib (Eli Lilly) führen zu einem viel deutlicheren HDL-Anstieg, als dies bisher getestete Substanzen bewirkten. Allerdings führen sie auch zu einer LDL-Reduktion, was die alleinige Beurteilung eines HDL-steigernden Effektes erschwert.
Direkte Aufschlüsse über den Effekt einer HDL-Steigerung werden erst Ergebnisse von klinischen Studien zu einer neuen Substanz (RVX-208) bringen, welche zu einer verstärkten ApoA-I-Synthese und deshalb „nur“ zur HDL-Steigerung führt.8
Die HDL-Therapie ist nicht „out“, wobei allerdings die derzeit verfügbaren Medikamente (in Europa sind das derzeit nur mehr die Fibrate) in dieser Indikation nicht einzusetzen sind. Erst wenn auch die in Entwicklung befindlichen Substanzen keinen kardiovaskulär protektiven Effekt zusätzlich zu jenem von Statinen zeigen, wird das Interesse an der HDL-Therapie möglicherweise abflauen.