Im Folgenden werden modifizierbare Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse nach Nierentransplantation diskutiert.
Anämie
Aus großen rezenten epidemiologischen Querschnittstudien weiß man, dass fast jeder zweite Patient nach Nierentransplantation eine Anämie aufweist. In einer der größten dieser Studien, der TRESAM-Studie (Transplant European Survey on Anemia Management), lag bei ca. 40 % der insgesamt 4.263 untersuchen Patienten in mehr als 70 europäischen Zentren eine Anämie nach Transplantation in verschiedenen Schweregraden bei Frauen und Männern gleichermaßen vor.3 Studien von Molnas und Kollegen haben gezeigt, dass die Anämie nach Nierentransplantation eindeutig mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert ist. Insbesondere fanden diese Autoren in einer rezenten Studie, dass das Risiko, zu sterben, bei anämischen Patienten 1,7-mal höher ist als bei nicht-anämischen Patienten. Das Risiko für ein terminales Transplantatversagen war um das 2,5-fache ebenfalls signifikant erhöht.4
In Österreich ist die Situation nicht unähnlich, etwa 25 % aller Patienten haben im Laufe ihrer Transplantatfunktion eine ESA-Therapie erhalten.5 Epidemiologische Analysen (Cox- Modell mit restricted cubic splines) zeigen, dass jene Patienten, die ohne ESA-Therapie einen Hämoglobin-Wert über 12 g/dl erreichen, ein vermindertes Risiko zu sterben aufweisen. Hingegen weisen jene Patienten, deren Hämoglobin unter ESA-Therapie auf über 12,5 g/dl ansteigt, wieder ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Mortalität auf (> Abb. 1). Als weiterer Risikofaktor für Mortalität konnte kürzlich die Variabilität des Hämoglobins unter ESA-Therapie identifiziert werden.6
Hyperlipidämie
Obwohl es – abgesehen von der ALERT-Studie (Assessment of Lescol in Renal Transplantation) – keine randomisiert-kontrollierte Studie im Bereich der Nierentransplantation mit adä – quater Power gibt, werden etwa 50 % aller nierentransplantierten Patienten in Österreich mit einem Statin behandelt.7 Die Ergebnisse der ALERT-Studie sind aber ernüchternd. Erst in der ALERT-Extension-Studie zeigt sich, dass eine Behandlung mit 80 mg Fluvastatin über 7 Jahre wahrscheinlich das Risiko einer kardiovaskulären Todesursache reduziert (allerdings ist diese Annahme nicht adjustiert für multiples Testen).8
In Observationsstudien des Österreichischen Dialyse- und Transplantregisters konnten Wiesbauer et al. zeigen, dass eine Statintherapie mit signifikant erniedrigter kardiovaskulärer Mortalität assoziiert war, insbesondere wenn für confounding by indication adjustiert wurde.7
Hyperglykämie
Als weiterer modifizierbarer Risikofaktor für kardiovaskuläre Mortalität gilt die mangelnde Glukoseutilisation, insbesondere der manifeste Diabetes mellitus oder NODAT (New Onset Diabetes After Transplantation). Rezente Daten aus Österreich konnten zeigen, dass zumindest jene Patienten mit besonders hohen Blutzuckerwerten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen, auch nachdem für viele andere Risikofaktorenadjustiert wurde.9 In dieser Kohortenstudie mit 798 Nierentransplantatempfängern hatten diejenigen Patienten in der vierten Quartile des maximalen Nicht- Nüchternblutzuckers ein zweifach höheres Mortalitätsrisiko (> Abb. 2). Diese Assoziation ist allerdings nicht mehr so eindeutig für den Langzeitblutzuckerwert HbA1c, was nahelegt, dass die tägliche Blutzuckervariabilität offensichtlich der wesentlichere Risikofaktor ist.
Arterielle Hypertonie
Ein weiterer sehr bekannter und gut etablierter Risikofaktor für kardiovaskuläre Mortalität ist der arterielle Blutdruck. Heinze et al. konnten erstmals 2006 an den ÖDTR-Daten zeigen, dass eine deutliche Assoziation zwischen dem Schweregrad des arteriellen Bluthochdrucks und der kardiovaskulären Mortalität besteht.10 Bei Observationsstudien wird meistens die Anzahl der Blutdruckmedikamente als Maß für den Schweregrad der Bluthochdruckerkrankung gewertet, da anzunehmen ist, dass Ärzte die Patienten adäquat behandeln. Die Höhe des arteriellen Blutdrucks per se stellt kein gutes Maß für den Schweregrad der arteriellen Hypertonie dar. Insbesondere konnte durch Heinze et al. auch gezeigt werden, dass die antihypertensive Therapie mit ACEHemmern oder AT2-Blockern bei nierentransplantierten Patienten mit verbessertem Überleben und verbesserter Transplantatfunktion assoziiert ist.
Obesitas
Zuletzt ist noch ein interessantes Phänomen zu diskutieren: Dialysepatienten weisen ein so genanntes Risikofaktor-Paradoxon auf, was die Assoziation des BMI (Body Mass Index) mit kardiovaskulären Ereignissen betrifft. In der Normalbevölkerung steigt das Risiko des kardiovaskulären Todes mit steigendem BMI, dies ist nicht der Fall bei Dialysepatienten, die einen kontinuierlichen Abfall des Risikos mit höherem BMI aufweisen. Interessanterweise gibt es kaum Interventionsstudien, um zu zeigen, wie diese Patienten nach einer erfolgreichen Nierentransplantation ihr kardiovaskuläres Risiko ändern bzw. ob eine Gewichtsreduktion bei jenen Patienten an der Warteliste zu empfehlen oder sinnvoll ist. In einer Studie aus dem Jahr 2007 konnten Schold et al. zeigen, dass eine Änderung des BMI an der Dialyse und der absolute BMI nicht mit dem Transplantatüberleben assoziiert sind, sehr wohl aber mit dem Patientenüberleben nach Transplantation.11 Anhand dieser Daten erscheint es nicht gerechtfertigt, übergewichtige Patienten von einer Transplantation auf Grund des BMI auszuschließen. Unklar ist, ob eine Gewichtsreduktion nach Transplantation zu einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos führt.
Zusammenfassung
Das höchste kardiovaskuläre Risiko tragen terminal niereninsuffiziente Patienten an der chronischen Dialyse. Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko niereninsuffizienter Patienten bleibt zwar nach erfolgreicher Nierentransplantation verglichen zur Normalpopulation weiter bestehen, nimmt aber entscheidend ab verglichen mit Patienten an der Dialyse, so dass die Nierentransplantation per se zur Reduktion der kardiovaskulären Mortalität wesentlich beiträgt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es aus Interventionsstudien kaum eindeutig identifizierbare Variablen zur kardiovaskulären Risikoreduktion nach Nierentransplantation gibt. So gesehen müssen unsere Entscheidungen auf Observationsstudien beruhen, die alle intrinsischen Limitationen aufweisen. Die Integration der vorliegenden Daten legt folgende Punkte nahe: • Hämoglobin zwischen 10 und 12 g/dl unter ESA-Therapie bzw. spontan ohne ESA ohne spezifische Limits. • Lipidsenkende Therapie (Statine) wahrscheinlich bei jenen Patienten mit deut – lichem traditionellem arteriosklerotischen Risikoprofil. • Blutzuckerkontrolle bei jenen Patienten, die einen Nüchternblutzucker über 200 mg/dl aufweisen und eine hohe Variabilität der Blutzuckerwerte haben. • Konsequente Blutdruckeinstellung, die wahrscheinlich der beste Schutz für kardiovaskuläre Events nach Transplantation ist. Allerdings konnte bislang kein Zielblutdruck nach Nierentransplantation ein – deutig identifiziert werden. Unklar ist, ob eine Obesitas nach Transplantation mit einem kardiovaskulären Risiko einhergeht bzw. Gewichtsreduktion harte Endpunkte verhindert.
FACT-BOX
1 2011 Annual Data Report: Atlas of Chronic Kidney Disease and End-Stage Renal Disease in the United States.
2 Foley R.N. et al., Am J Kidney Dis 1998; 32:112-119
3 Vanrenterghem Y. et al., Am J Transplant 2003; 3:835-845
4 Molnar M.Z. et al., Am J Transplant 2007; 7:818-824
5 Heinze G., Oberbauer R. et al., BMJ 2009; 339: b4018
6 Kainz A., Oberbauer R., Hemoglobin variability after renal transplantation is associated with mortality. in press 2012
7 Wiesbauer F., Oberbauer R. et al., J Am Soc Nephrol 2008; 19:2211-2218
8 Holdaas H. et al., ALERT extension study, Am J Transplant 2005; 5:2929-2936 9 Wiesbauer F., Oberbauer R. et al., Transplantation 2010; 89:612-619
10 Heinze G., Oberbauer R., JAmSocNephrol 2006; 17:889-899
11 Schold J.D., Oberbauer R. et al., Am J Transplant 2007; 7:550-559