Die COVID-19-Pandemie, ausgelöst durch SARS-CoV-2, hat die Versorgung von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen – zumindest vorübergehend – drastisch verändert. „Wir müssen die Versorgung unserer Patienten – mit und ohne COVID-19 – sowie die Kommunikation mit ihnen komplett neu denken“, stellte Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Redlich, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie (ÖGR), bereits Ende März fest. Die persönliche Betreuung in rheumatologischen Spezialambulanzen wurde weitgehend durch Konsultationen und Gespräche per Skype oder Telefon ersetzt. Das ist für kurze Zeit auch möglich, ersetzt aber keineswegs das persönliche Gespräch mit den Rheumatologinnen und Rheumatologen. Besonders in schwierigen Zeiten wie diesen müsse der Kontakt mit den Patienten aber aufrechterhalten werden, so Redlich. Denn viele Patienten sind verunsichert und stellen sich die Frage, ob sie durch ihre rheumatologische Erkrankung oder Therapie speziell gefährdet sind. Die ÖGR unterstreicht, dass die von den Behörden allgemein empfohlenen Maßnahmen für Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen sinnvoll und ausreichend sind. Nicht angezeigt ist das prophylaktische Absetzen einer laufenden Therapie mit konventionellen oder biologischen DMARDs, nur bei Anzeichen einer Infektion sollte die immunmodulatorische Therapie pausiert werden.
Wie gut sind rheumatologische Patienten in der Corona-Krise versorgt? Was muss getan werden, um die bestmögliche Versorgung – heute und in Zukunft – zu sichern? Mehr dazu im folgenden Interview:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Redlich: Durch die getroffenen Maßnahmen konnte die befürchtete Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden. Wir haben uns alle – sowohl im Krankenhaus wie auch im niedergelassenen Sektor – massiv auf die Betreuung von COVID-19-Patienten vorbereitet und haben alles getan, um die notwenigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Nun sind wir in der angenehmen Lage, dass diese Ressourcen nicht voll ausgenutzt werden mussten und dass die Zahl der Infektionen kontinuierlich abnimmt.
Jetzt stehen wir am Beginn der Phase 2. Nachdem wir wissen, dass COVID-19 unser Gesundheitssystem nicht überwältigt und dass uns diese Erkrankung noch länger – Monate, vielleicht Jahre – begleiten wird, müssen wir die Versorgung rheumatologischer Patienten wieder in den Fokus rücken, z. B. indem wir die Rheuma-Ambulanzen schrittweise wieder öffnen. Wir müssen Wege finden, mit unseren Patienten in persönlichen Kontakt zu treten, denn à la longue können wir es nicht vertreten, Patienten mit chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen nur via Skype, E-Mail oder Telefon zu betreuen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung als Abteilungsleiter einer großen rheumatologischen Abteilung in einem öffentlichen Spital sowie aus vielen Gesprächen mit Kollegen weiß ich, dass die Zahl der regelmäßig ambulant betreuten Patienten – und teilweise auch die Zahl der Aufnahmen – dramatisch zurückgegangen ist. Damit sollte verhindert werden, dass besonders gefährdete Patienten, wie z. B. alte oder immunsupprimierte Patienten, im Krankenhaus in Kontakt mit SARS-CoV-2 kommen. Die Spitalsambulanzen hielten elektronisch oder telefonisch, und nur vereinzelt, persönlich Kontakt mit den Patienten. Diese Situation ist weder für medizinisches Personal noch für Patienten einfach. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an die Kollegen im niedergelassenen Bereich, die großartige Arbeit geleistet haben, damit die Kontinuität in der Patientenbetreuung bestmöglich gewahrt werden konnte! Jetzt müssen wir aber wieder gemeinsam darüber nachdenken, wie wir unsere RheumapatientInnen und viele andere mit chronischen Erkrankungen – auch und gerade in den dafür spezialisierten Spitalseinrichtungen – wieder ambulant und stationär behandeln können. Zahlreiche, manchmal schon verzweifelte Anrufe dokumentieren einen starken „Nachholbedarf“ in der Betreuung.
Es gibt Probleme mit der Verfügbarkeit von Ebetrexat, das bei rheumatoider Arthritis und Psoriasisarthritis als Basistherapeutikum eingesetzt wird. Hier konnte durch Intervention der ÖGR erreicht werden, dass zumindest ein anderes Methotrexatpräparat erhältlich ist.
Zu massiven Engpässen kam es bei Hydroxychloroquin, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Grund dafür war die Idee, dass Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin bei COVID-19-Patienten unter Umständen eine positive Wirkung haben könnte. Die European League Against Rheumatism (EULAR) stellte umgehend klar: Auch wenn Hydroxychloroquin bei schwerwiegenden Verläufen von COVID-19 zum Einsatz kommen könnte, darf die Versorgung anderer Patienten, die bereits von diesem Medikament profitieren, nicht vernachlässigt werden. Dazu zählen z. B. Patientinnen mit Lupus, speziell in der Schwangerschaft. In Österreich hat sich die ÖGR beim Hauptverband für eine gute Lösung – in Kooperation mit Apotheken und Herstellern – stark gemacht. Diese sieht ein Kontingent speziell für Rheuma-Patienten vor, wodurch die Versorgung für die kommenden Monate gewährleistet sein sollte.
Was die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin bei COVID-19 betrifft, scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen. So zeigte eine Anfang April im New England Journal of Medicine veröffentlichte Arbeit keine Verbesserung, sondern eher sogar eine Verschlechterung durch Hydroxychloroquin, mehr Patienten mussten intubiert werden. Hier laufen schon Studien, um mehr Klarheit zu bekommen.
Bei allen anderen Rheuma-Medikamenten, inkl. Biologika, gibt es aktuell keine Lieferengpässe. Solche seien derzeit nicht zu befürchten, wie die Hersteller gegenüber der ÖGR betonen.