Koronar-CT in der präinvasiven KHK-Diagnostik

Meilenstein-Studien

Die Evidenz der Koronar-CT-Angiografie wurde in den vergangenen Jahren von zwei großen randomisierten Studien geprägt: PROMISE und SCOT-HEART.
PROMISE randomisierte 10.003 Patienten mit niedrig intermediärem Risiko einer koronaren Herzerkrankung (KHK) in anatomische oder funktionelle Bildgebung und ergab eine diagnostische Ebenbürtigkeit beider Abklärungsansätze. Es wurden zwar im Koronar-CT-Arm häufiger invasive Koronarangiografien durchgeführt (12,2 % vs. 8,1 %), diese zeigten jedoch auch häufiger signifikante Stenosen als bei vorheriger funktioneller Testung.1
Die 2018 im Rahmen des ESC vorgestellte SCOT-HEART-Studie umfasste 4.146 Patienten, die entweder zu einer (funktionell basierten) „Standard-of-Care“-Abklärung oder zu „Standard of Care“ plus Koronar-CT randomisiert wurden. Bereits nach initialer Abklärung wurde im CT-Arm die Primärprävention signifikant häufiger umgestellt (23 % vs. 5 %, p < 0,001) und invasive Koronarangiografien abgesetzt (–15 % vs. –1 %, p < 0,001). Nach 5 Jahren zeigte sich eine signifikant geringere adverse kardiale Event-Rate (MACE, 2,3 % vs. 3,9 %, p = 0,004) und Herzinfarktrate (2,1 % vs. 3,5 %, p = 0,007) in der CT-Gruppe.2 Die initial höhere Rate an therapeutischen Angiografien äquilibrierte sich nach einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren.
Eine Subanalyse der kardialen Ereignisse belegte in beiden Studien, dass die schuldige Läsion in der Mehrzahl von einer nichtobstruktiven Stenose ausging. Die Rate an Herzinfarkten oder koronarem Herztod war 3-mal so hoch bei Patienten mit adversen Plaques (definiert als positives Remodelling oder hoher Lipidanteil). Hochgradige Stenosen (> 70 %) erhöhten das Risiko lediglich um das 2-Fache. Dies unterstreicht, dass der Trend zur Plaque-Analyse und Identifizierung von vulnerablen Plaques einen noch höheren Stellenwert einnehmen wird.1, 2
Neben der Identifikation vulnerabler Läsionen spielen die nichtobstruktiven Plaques eine große Rolle in der Prävention. Während eine funktionelle Testung lediglich zwischen Arealen mit (reversibler) Ischämie oder ohne Ischämie unterscheiden kann, sind Plaques nur im CT sichtbar.

Ersetzt CTFFR die diagnostische Koronarangiografie?

Nach den Validierungsstudien zur CT-basierten Messung der fraktionierten Flussreserve (CTFFR) belegte die im letzten Jahr veröffentlichte PACIFIC-Studie erneut die diagnostische Genauigkeit (AUC: 0,94) in Bezug auf den invasiven FFR-Goldstandard. Alle Patienten wurden mittels PET, SPECT, CTA und CTFFR untersucht und direkt verglichen. Die Überlegenheit gegenüber ischämienachweisenden Methoden (SPECT, PET) und Erweiterung der CT um die funktionelle Wirksamkeit einzelner oder serieller Stenosen, bringt den „One-Stop-Shop“ einen Schritt näher (Abb.).3

 

 

Einer der bedeutendsten interventionellen Kardiologen legte einen weiteren Grundbaustein zur Etablierung der CTFFR als primäre Abklärung in der SYNTAX-III-Studie. Patrick W. Serruys randomisierte nicht Patienten, sondern Heart-Teams (bestehend aus einem Kardiologen, einem Herzchirurgen und einem Radiologen). Die Therapieentscheidung zwischen einer interventionellen oder operativen Bypass-Therapie von 223 Patienten mit komplexen Mehrgefäß- oder Hauptstamm-Stenosen wurde entweder anhand der diagnostischen Koronarangiografie oder Koronar-CT + CTFFR getroffen. Mit einer ausgezeichneten Übereinstimmung (Cohens Kappa: 0,83) erreichten das CT-Team dieselbe Strategie ohne invasive Abklärung.4

Tirol im Vergleich

Diese randomisierten, leitlinienprägenden Studien werden meist unter optimalen Bedingungen und mit selektionierten Patienten durchgeführt. Ob diese auch im Alltag umsetzbar sind, zeigen Routine-Erhebungen.
Eine Auswertung von 1.500 Koronar-CTs in Innsbruck deckte sich mit den rezenten Ergebnissen der Plaque-Analyse: Vulnerable Plaques sind mit einem bis zu 4-fach erhöhten Herzinfarktrisiko assoziiert, während hochgradige Stenosen das Risiko verdoppeln.5 Im Geschlechtervergleich könnten vulnerable Plaques bei Frauen sogar noch entscheidender sein. Tiroler Männer haben ein höheres Herzinfarktrisiko, jedoch sind Frauen mit vulnerablen Plaques deutlich gefährdeter.6
Im Gegensatz dazu ist ein KHK-Ausschluss im Koronar-CT mit einer hervorragenden Prognose vereinbar. In unserer Erhebung blieb das Infarktrisiko nach bis zu 8 Jahren bei 0 %, gegenüber 2,8–5,3 % (im Durchschnitt) in der übrigen Bevölkerung mit jeglichen koronaren Veränderungen.

Zusammenfassung

Das vergangene Jahr brachte mit den Langzeit-Daten von SCOT-HEART in Erweiterung zu den Ergebnissen von PROMISE die randomisierte Evidenz einer gleichwertigen bis überlegenen Diagnostik mittels Koronar-CT, verglichen mit funktionellen Alternativen. Auch eine Meta-Analyse über alle bisher vergleichenden Studien bestätigte eine Reduktion der Herzinfarkte und höhere Rate an primärpräventiven Maßnahmen.7
Ziel der präinvasiven KHK-Diagnostik sollte somit sein, einen Patienten nicht mit einer Indikation zum Herzkatheter zuzuweisen, sondern mit einer Diagnose. Eine Identifizierung wirksamer Stenosen und ein frühzeitiger Beginn von Präventivmaßnahmen bei (vulnerablen) Plaques ist Ziel einer Primärabklärung.
In Großbritannien wurde das Koronar-CT als Erstlinienuntersuchung bei Patienten mit stabilen Brutschmerzen und niedrig intermediärem Risiko bereits 2016 in den NICE-Empfehlungen integriert. Mit den rezent veröffentlichten Studienergebnissen wird sich dies auch in den europäischen und amerikanischen Leitlinien in einer Aufwertung der Indikation auswirken.

 

 

1 Lu MT et al., JACC Cardiovasc Imaging 2017; 10:1350–8
2 Newby DE et al., N Engl J Med 2018; 379:924–33
3 Driessen RS et al., J Am Coll Cardiol 2019; 73:161–73
4 Modolo R et al., Ann Cardiothorac Surg 2018; 7:470–82
5 Feuchtner G et al., Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2017; 18:772–9
6 Plank F et al., Neth Heart J 2019; DOI: 10.1007/s12471-019-1234-5 [Epub ahead of print]
7 Foy AJ et al., JAMA Intern Med 2017; 177:1623–31