Rotaviren sind neben E. coli die häufigste Ursache von Darminfektionen bei Kindern. Es wird geschätzt, dass in Afrika, Asien und Lateinamerika jährlich über 100 Millionen Kleinkinder erkranken und etwa 350.000 bis 600.000 durch Rotavirus-Infektionen sterben. Die Durchfälle sind die häufigste Ursache für Mangelernährung.
In Europa und in den USA erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Das basiert auf einer besonders hohen Empfänglichkeit auf – grund noch unreifer Immunität. Im Laufe der ersten Lebensjahre wird dann durch wieder –
holte Rotavirus-Infektionen meistens eine spezifische Immunität aufgebaut. In den letzten
Jahren hat man in Österreich begonnen, das Problem dieser Reoviridae zumindest für
Säuglinge und Kleinkinder zu lösen.
Rotaviren werden fäkal-oral besonders durch Schmierinfektion, aber auch durch kontaminiertes Wasser und Lebensmittel übertragen. Das Virus ist sehr leicht übertragbar; bereits 10 Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 109 bis 1011 Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Subklinisch Erkrankte (vor allem Neugeborene und Erwachsene) sind als Überträger des Virus wichtig.
Nach dem Erstkontakt mit dem Virus beträgt die Inkubationszeit 1 bis 3 Tage, bis klinische Symptome zu sehen sind. Folglich infizieren sich die Enterozyten und können ihre Funktion nicht mehr ausüben. Die mikroskopisch kleinen Nekrosen und die Abstoßung der oberen Zellschicht behindern dabei die Wasserresorption und die Aufnahme von Nährstoffen und Elektrolyten. Die anschließende reaktive Hyperplasie wird von einer verstärkten Sekretion begleitet. Sie bewirkt sehr starke wässrige Durchfälle. Ohne Therapie erleiden die kleinen Patienten einen so starken Flüssigkeitsverlust, dass dieser oft lebensbedrohlich wird. Die gastrointestinalen Symptome bestehen in derRegel 2 bis 6 Tage. 4 bis 8 Wochen nach dem Erkrankungsbeginn zeigen Biopsien wieder eine histologisch normale Schleimhaut. In mehr als der Hälfte der Fälle sind auch unspezifische respiratorische Symptome zu beobachten. Das deutsche Robert-Koch-Institut berichtet, dass 49 % der infizierten Kinder einen Krankenhausaufenthalt brauchen.
Endoskopisch sieht man auf der Mukosa des Jejunums und des Duodenums fleckförmige Veränderungen, mit Verkürzung der Villi und einer vermehrten Infiltration mit mononukleären Zellen. Elektronenmikroskopisch lassen sich in den epithelialen Zellen zahlreiche Rotaviruspartikel nachweisen. Mit Hilfe der Immunfluoreszenz kann das Antigen der Rotaviren im Zytoplasma der Epithelzellen der terminalen Villi von Duodenum und Jejunum nachgewiesen werden, während Magen und Dickdarm davon ausgespart werden. Die orale Rehydratation führt überhaupt nur deshalb zu einem Therapieerfolg, weil nicht alle Dünndarmabschnitte angegriffen sind.
Bei älteren Kindern oder Erwachsenen ist die Lebensgefahr nicht so ausgeprägt, vor allem weil sie leichter selbst Flüssigkeit zu sich nehmen können. Im höheren Alter über 60 Jahre nimmt aber die Zahl der symptomatischen Erkrankungen wieder deutlich zu.
Österreich war das erste EU-Land mit einer offiziellen Empfehlung für die Impfung. Die Vakzine sind in den allgemeinen Impfempfehlungen aufgenommen und werden seit Sommer 2007 von der Krankenkasse refundiert – die Impfung wird sehr gut angenommen. Die Durchimpfungsrate reicht in Österreich an die 90 % bei den Säuglingen und schützt vor den gefährlichsten Rotaviren zu 90 %, vor anderen Subtypen immerhin zu 70 %. Der Schutz hält ca. 2 Jahre. Dementsprechend sind die Hospitalisierungen wegen Rota virus-
Infektionen vom langjährigen Durchschnitt von 4.500 auf 1.700 Einweisungen nach Einführung der Impfung gesunken.
Wenn auch die meisten Säuglinge geschützt sind, so verbleiben zahlreiche Rotavirus-induzierte Durchfälle (mit geringerem Risiko) in den anderen Altersgruppen. Die Infektionen sind in der Regel selbstlimitierend, der Keim wird ausgeschwemmt und vom menschlichen Immunsystem eliminiert. Das vordringliche Problem sind vor allem die Flüssigkeitsdefizite. Normalerweise ist eine orale Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ausreichend. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehand lung ergibt sich vor allem dann, wenn eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr erforderlich ist. Antibiotika und Mittel, die die Darmmotilität hemmen, sind nicht indiziert. Eine antivirale Therapie wurde bisher noch nicht angeboten, doch neue Studien zeigen überraschende Optionen.
Universitäten in Taipei untersuchen seit vielen Jahren die Wirkeffekte probiotischer Arzneimittel. Eine aktuelle Studie vergleicht 3 Patientengruppen: eine mit einer Minimaldosis Antibiophilus®, eine Versuchsgruppe mit erhöhter Dosis und eine Kontrollgruppe. Alle Patienten waren Kinder im Alter von 9 bis 72 Monaten mit akuter Gastroenteritis durch Rotaviren. 3 Tage nach der Gabe des Probiotikums wurde die Zahl der Rotaviren im Stuhl überprüft. Während in der Kontrollgruppe und in der Low-Dose-Gruppe kein signifikanter Unterschied sichtbar wurde, war die High- Dose-Gruppe erfolgreich. Antibiophilus® reduzierte die Virusausscheidung innerhalb von 3 Tagen um
86%. Die erfolgreiche Dosis entspricht 2 bis 3 Kapseln pro Tag.
Wie probiotische Arzneimittel wirken, ist weitgehend unbekannt. Pathogene Bakterien könnten von den voluminösen Laktobazillen räumlich an der Mukosa verdrängt werden. Die Milchsäurebakterien könnten sich auch in der Nahrungskonkurrenz gegen Pathogene
durchsetzen und dadurch deren Vermehrung hemmen. Aber auch Bakteriozine scheinen
das Überleben konkurrierender Bakterien zu begrenzen. Diese Hypothesen machen verständlich, dass der Lactobacillus casei rhamnosus (LCR 35) die Vermehrung zahlreicher Pathogene hemmt, wie Forestier et al. in vitro zeigen konnten.
Die gute Wirkung gegen Rotaviren dürfte andere Ursachen haben. Die finnische Forschergruppe um Isolauri konnte auch bei einem dem LCR 35 eng verwandten Keim, dem Lacto bacillus rhamnosus GG, zeigen, dass die probiotische Therapie die Wirkung eines (älteren) Impfstoffes gegen Rotaviren steigert. Dabei wurde postuliert, dass die probiotischen Bakterien durch die Adhärenz an der Mukosa eine Immunstimulation bewirken. Die Laktobazillen wirken wie ein Adjuvans: wenn ein weiteres Antigen dazu kommt – und die Immunzellen schon aktiviert worden sind –, sind sie bereit, auf das Antigen zu reagieren. Noch gibt es keine Studie, die diese finnischchinesische
Hypothese weiter untermauert. Allerdings fördern die klinischen Daten zu Antibiophilus® den Optimismus. Denn dieser Mechanismus müsste nicht nur auf Rotaviren zutreffen, sondern eigentlich auf alle Keime, die durch eine Immunreaktion eliminiert werden können, wie z. B. Enteroviren oder Noroviren – bekanntlich die häufigste Ursache der Brechdurchfälle. In Österreich haben wir fast 1.000 laborbestätigte Norovirus-Infektionen!