Die Rolle des erhöhten Cholesterins in der Pathogenese der Atherosklerose wurde in epidemiologischen Studien wie Framingham Study, der MRFIT Study und auch der Lipid Research Clinic Prevalence Study eindeutig dokumentiert. Man war deswegen bereits in den 1970er-Jahren bemüht, medikamentös den Cholesterinspiegel zu senken und damit eine Beeinflussung der kardiovaskulären Ereignisse zu erzielen.
Eine der ersten Studien war das Coronary Drug Project, welches bei Männern nach Herzinfarkt unterschiedliche Östrogendosen, Clofibrat, Thyroxin oder Nikotinsäure (3 g/ Tag) verabreichte. Die Östrogengruppe musste wegen Übersterblichkeit, insbesondere durch erhöhte Krebsraten und thromboembolischen Ereignisse, gestoppt werden; in einer 15-jährigen Follow-up-Analyse zeigte sich nur bei der Nikotinsäure eine signifikante Besserung gegenüber dem Placebo (11 % Senkung der Mortalität).
Mit einem anderen Zugang, nämlich dem partialen ilealen Bypass, konnte in der POSCH-Studie eine Senkung des Gesamt- Cholesterins (–24 %), des LDL-Cholesterins (–36 %) und ein Anstieg des HDL-Cholesterins (+8,5 %) erreicht werden, was nach 5 Jahren in einer Senkung der Gesamtmortalität und kardiovaskulären Mortalität resultierte.
Weitere Studien mit Gallensäure-bindenden Medikamenten (Colestibol/Cholestyramin) konnten nachweisen, dass durch die Senkung des Cholesterinspiegels die Progression der koronaren Herzkrankheit (KHK) verlangsamt werden konnte (Cholesterol Lowering Atherosclerosis- Study – CLAS, bzw. Familial Atherosclerosis Treatment Study – FATS ).
Anfang der 1990-er Jahre konnte in einem kleinen elektiven hochmotivierten Patientenkollektiv (Lifestyle Heart Trial ) aufgezeigt werden, dass eine vegetarische Diät (Choles – teringehalt reduziert auf 5 mg/Tag) in Verbindung mit körperlicher Bewegung und Relaxationsübungen die koronarangiographische Progression der KHK eingebremst werden konnte. Allerdings sind im klinischen Alltag derartig aggressive Maßnahmen nicht realistisch.
Eine weitere klassische Studie – die Lyon Diet Heart Study – prüfte den Effekt einer mediterranen Diät bei über 600 Patienten nach einem Herzinfarkt. Die mediterrane Diät führte zu einer geringeren Rate an Myokardinfarkten und kardiovaskulären Todesfällen wie auch an instabiler Angina pectoris, Herzinfarkt und Schlaganfall.
Seither ist die mediterrane Diät Grundstein der Empfehlungen für Allgemeinmaßnahmen in der Vorbeugung der koronaren Herzerkrankung.
Die Erfolgsstory und der Siegeszug der Statine beginnt mit der Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S) im Jahr 1994. Damals wurden 4.444 Patienten nach Myokardinfarkt oder mit einer KHK und einem Gesamtcholesterin von 261 mg/dl (LDL-Cholesterin 198) zu Simvastatin bzw. Placebo randomisiert, und es zeigte sich binnen 5 Jahren eine 30%ige Senkung der Gesamtmortalität und 25%ige Senkung des Insults.
Bis zum Erscheinen der 4S wurden bei Patienten Cholesterinwerte bis 250 mg/dl noch toleriert! Weitere Studien, wie die CAREund die LIPID-Studie unterstrichen, dass die Lipidsenkung in einer klinische relevanten Senkung der kardiovaskulären Ereignisse resultierte.
Die West of Scotland Coronary Prevention (WOSCOP) Study (1995) untersuchte Männer mit erhöhtem Cholesterinspiegel in einer Primärpräventionsstudie und zeigte ebenfalls eine 30%ige Senkung des nicht-tödlichen Herzinfarktes und der kardiovaskulären Mortalität.
Die Heart Protection Study (HPS) verglich bei über 20.000 PatientInnen Simvastatin 40 mg gegenüber Placebo und zeigte erstmalig, dass es unabhängig vom Ausgangswert (33 % der Patienten hatten einen Ausgangswert des LDL-Cholesterins von unter 116 mg/dl) bei diesen High-Risk-Personen in jedem Cholesterinbereich zu einer Senkung der kardiovaskulären Ereignisse kam. Es erhob sich daher die Frage, ob es einen unteren Grenzwert des LDL-Cholesterins gibt, ab welchem eine Senkung keinen Effekt mehr bringt.
Daraus resultierten Studien, die eine intensive gegenüber einer konventionellen Lipidsenkung verglichen. Die PROVE-IT Study verglich Pravastatin 40 mg/Tag und eine intensive Senkung mit Atorvastatin 80 mg/Tag bei über 4.000 PatientInnen mit akutem Koronarsyndrom. Der erreichte LDL-Cholesterinwert betrug 62 gegenüber 96 mg/dl und resultierte in einer Senkung der kardiovaskulären Ereignisse um 22,4 % gegenüber 26,3 % nach 2 Jahren, so dass die Studie auch vorzeitig abgebrochen wurde.
Im REVERSAL-Trial wurde mit intravaskulärem Ultraschall das Plaquevolumen unter einer intensiven lipidsenkenden Therapie mit 80 mg Atorvastatin täglich (LDL-Cholesterin: 79 mg/dl) vs. 40 mg Pravastatin (LDLCholesterin: 110 mg/dl) verglichen. In der Atorvastatin-Gruppe kam es zu keiner Zunahme des Plaquevolumens, während dieses in der Pravastatin-Gruppe zunahm.
All diese Ergebnisse resultierten in der Empfehlung, bei Patienten mit KHK und KHKÄquivalenten (Diabetes mellitus, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Insult, Nephropathie) den LDL-Cholesterinspiegel möglichst niedrig zu halten („The lower, the better“). Insbesondere bei Hochrisikopatienten (nach akutem Koronarsyndrom, KHK und Diabetes mellitus) sollten LDL-Cholesterinwerte von unter 70 mg/dl angestrebt werden.
In der JUPITER-Studie zeigte sich bei gesunden Personen ohne Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin < 130 mg/dl), aber erhöhtem hs-CRP eine Senkung der kardiovaskulären Ereignisse, so dass der Einsatz von Statinen in der Primärprävention wieder angefacht wurde. Dabei wurden ohne Anstieg von Nebenwirkungen LDL-Cholesterinwerte von unter 50 mg/dl erreicht.
Bemerkenswert – auch gerade für den zögerlichen Einsatz der Hochdosis-Statine in Österreich – sind Daten, die darauf hinweisen, dass eine frühzeitige intensive Statintherapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (Atorvastatin 80 mg bzw. Rosuvastatin 40 mg) in einer signifikanten Senkung der kardiovaskulären Ereignisse resultiert. Ebenso zeigt eine jüngere Metaanalyse (Patti G. et al., Circulation 2011), dass der Einsatz eines Hochdosis-Statins bei der PCI der konventionellen Dosis eines Statins überlegen ist.
Die Frage, ob Statine auch einen günstigen Effekt auf das Auftreten von Vorhofflimmern haben, wurde in einer kürzlich erschienenen Metaanalyse (Rahimi K. et al., BMJ 2011) verneint.
Trotz der erwiesenen Effekte der Statine bei Patienten mit etablierter KHK zeigten zwei große randomisierte Studien (CORONA Trial, GISSI-HF Trial ) bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (ischämisch und nicht-ischämisch) und reduzierter Auswurfsfraktion (unter 33 %) keinen Effekt einer Statintherapie auf die Überlebensrate. Die Simvastatin and Ezetimibe in Aortic Stenosis (SEAS) Study untersuchte, ob die Kombination von Simvastatin und dem Cholesterin- Resorptionshemmer Ezetimib (bei einer Senkung des LDL-Cholesterins um 60 % auf im Mittel 53 mg/dl) einen Effekt auf die Aortenklappenstenose zeigte. In der relativ kurz angelegten Beobachtungszeit zeigte sich kein Effekt auf den Klappenersatz, es fanden sich jedoch in der Simvastatin/Ezetimib-Gruppe weniger ischämische Ereignisse, insbesondere bezogen auf aortokoronare Bypass- Operationen.
Im PROCAS-Trial (van der Linde D. et al., Am J Cardiol 2011) konnte Atorvastatin 10 mg die Progression der kongenitalen Aortenstenose ebenso nicht aufhalten.
FACT-BOX
Die Lipidtheorie zur Pathogenese und Progression der Atherosklerose ist etabliert. Bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko sowie in der Sekundärprävention führt die Lipidsenkung mit Statinen zu einer anerkannten Senkung der kardiovaskulären Ereignisse. Eine weitere Senkung des LDL-Cholesterin-Ziels auf unter 70 mg/dl bei Hochrisikopatienten ist ohne vermehrte Nebenwirkungen zielführend. Entgegen den Richtlinien werden im klinischen Alltag die Zielwerte nur in geringem Ausmaß erreicht.
Kommentar: Entstehung und Progression der Athero – sklerose, einer entzündlichen Infiltration der Arterienintima, sind stark und dosisabhängig mit den Blutlipiden assoziiert. Eine Erhöhung des LDL-Cholesterins und eine Erniedrigung des HDL-Cholesterins sind Vorläufer atherosklerotischer Erkrankungen, also prädiktiv für diese. Es ist daher naheliegend, durch Modifikationen im Lipidstoffwechsel die Atherosklerose-Entstehung und -Progression zu verhindern. Gesamtmedizinisch gesehen ist der Siegeszug der lipidsenkenden Therapie zur Prävention von Morbidität und Mortalität mit kaum einem anderen Therapieverfahren vergleichbar, am ehesten noch mit der Hypertonietherapie. Insbesondere die Einführung der Statine hat zu nennenswertem Nutzen geführt. Daher ist auch ihr Hauptziel – Low Density Lipoprotein, LDL – heute im Fokus der präventiven Anstrengungen.
Obwohl die HDL-Erniedrigung ebenfalls ein etabliertes Risikoszenario ist, sind therapeutische Anstrengungen hier wesentlich schwieriger, wohl aufgrund des komplexen Stoffwechselweges. Gesunder Lebensstil ist der Schlüssel dieser Anstrengungen, medikamentöse Erfolge sind bisher nicht mit denen der Statine vergleichbar. Im folgenden Artikel beschreibt Prim. Univ.- Prof. Dr. Maximilian Pichler in eindrucksvoller Weise den historischen Weg der Lipidtherapie zur Prävention von Herzerkrankungen und deren Progression. Wie kaum ein anderer kennt Prof. Pichler alle Etappen dieses Weges, und es ist ihm gelungen, einen äußerst spannenden Artikel zu verfassen. Geschätzte Leser, Sie werden mit diesem Artikel großes Vergnügen haben!