Durch die Fähigkeit, starke emotionale Reaktionen hervorzurufen, war Musik schon früh mit Heilung und Wohlbefinden verbunden. In der klassischen Antike ging man davon aus, dass sich kranke Menschen in Unordnung befinden und durch die Hilfe der Musik die geistige und seelische innere Harmonie wiederhergestellt wird.
Auch im alten Testament gibt es Hinweise auf den Einsatz von Musik zur Heilung von Krankheiten. In der Renaissance gewann der Zusammenhang von Affekten, vor allem der Melancholie, und Musik an Interesse. Arabische Gelehrte schrieben über die Wirkung der Musik auf Menschen und die Möglichkeit der Heilung durch Musik. Am Hof der Kalifen wurden Schmerzen bei Kleinkindern, Schlafstörungen und Fieber mit Musik behandelt. In Kairo gab es um 1284 ein Krankenhaus, in dem Musiker angestellt waren, um die Kranken in den schlaflosen Nächten zu trösten. So zieht sich das Thema Musik und Gesundheit durch alle Epochen.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Wirkung von Musik auf das Gehirn ist in den letzten 20 Jahren zunehmend mehr in das Bewusstsein der Neurologen gerückt. Vor 1980 gab es so gut wie keine Publikationen zu diesem Thema. Dank neuer Techniken, die die Beobachtung des lebenden Gehirns ermöglichen, während Menschen Musik hören, musizieren und komponieren, wächst der Bestand an Arbeiten über neuronale Grundlagen der musikalischen Wahrnehmung.
Festgestellt wurde mit Hilfe von bildgebenden Verfahren, dass es im Gehirn kein spezielles Musikzentrum gibt, sondern dass teilweise auch weit entfernte Hirnareale angesprochen und stimuliert werden.
Amerikanische Forscher fanden heraus, dass Musik in den Regionen des Gehirns verarbeitet wird, die auch das Belohnungssystem steuern. Bei Menschen, die angenehme Musik hören, wurde eine erhöhte Ausschüttung von körpereigenen „Glücks-“ und „Gute-Laune-Hormonen“ festgestellt. Dopamin und Endorphine fließen reichlich. Das ist der Grund, warum Musik hören und Musizieren glücklich machen und fast in einen Rauschzustand versetzen können.
Wohlklingende Musik beruhigt das vegetative Nervensystem und vermehrt die Freisetzung der körpereigenen Opiate. Das steigert nicht nur die Stimmung, sondern setzt auch das Schmerzempfinden herab. Nach neuesten Erkenntnissen lindern Melodien nicht nur Angst, sondern auch Schmerzen und können nach einer Operation Medikamente ersetzen.
Zu diesem Ergebnis kamen Narkoseärzte des „Tufts New England Medical Center“ in Boston. Der Klang der Töne hilft, Stress abzubauen, depressive Stimmungen zu überwinden, Schmerzen zu blockieren und Heilungsprozesse zu unterstützen. Musizieren schult die Motorik und die Intelligenz und kann Spannungen lösen, wenn man richtig musiziert.
In jedem Lebensalter hat musikalische Betätigung einen positiven Einfluss: Musikerziehung kann die kindliche Entwicklung beschleunigen, sie führt zu einer kognitiven Steigerung der Leistungsfähigkeit.
Lebenslanges musikalisches Training im höheren Alter scheint Vorteile für mindestens zwei wichtige Eigenschaften zu haben: für das Gedächtnis und das Vermögen, Sprache bei Lärm zu hören. Das Musizieren und die damit verbundene Übung können demnach das altersbedingte Nachlassen bestimmter Fähigkeiten reduzieren, die mit dem Hören zusammenhängen. Sprache in lauter Umgebung nicht wahrzunehmen gehört zu den häufigsten Beschwerden älterer Menschen und ist daher oft Grund für soziale Isolation und Depressionen.
Musizieren und Musik hören haben auch einen sozialen Aspekt. Man trifft sich, musiziert gemeinsam in einer Gesangsgruppe, in einer Band, im Kirchenchor, macht Hausmusik oder man besucht ein Konzert – das hilft gegen soziale Einsamkeit.
Musiktherapie als Heilberuf: Auf Grund der oben erwähnten positiven Einflüsse auf den menschlichen Körper wird Musik daher auch in der heutigen Medizin als Therapie eingesetzt.
Seit 2008 ist der Beruf des Musiktherapeuten ein eigenständiger Heilberuf. In Österreich wurde als gesetzliche Grundlage für den Musiktherapeuten das Musiktherapiegesetz verabschiedet. Seit 2012 gibt es am Institut für Musik und Bewegungsfreiheit einen eigenen Lehrstuhl mit wissenschaftlichem Schwerpunkt und an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das Forschungsprogramm Musikmedizin. Auch an der Universität für Musik und darstellende Kunst wird bereits Musiktherapie angeboten.
Die Einsatzgebiete sind vielfältig: Musiktherapie findet sowohl bei Tinnitus, chronischen Schmerzen, Migräne, Tumorerkrankungen als auch bei Frühgeborenen und Kindern mit Entwicklungsstörungen Anwendung.
Auch bei Hirnschädigungen, etwa nach einem Schlaganfall, oder psychischen Erkrankungen wie Ängsten, Burn-out-Syndrom und Depressionen kann Musiktherapie gute Erfolge erzielen.
Hierbei kann sowohl die rezeptive als auch die aktive Form der Musiktherapie angewendet werden.
Fazit: Musik als Therapie in unser medizinisches Denken miteinzubeziehen – vor allem im Bereich der Vorsorgemedizin – kann eine preiswerte und nützliche Alternative zu herkömmlichen Therapieoptionen sein, die dem Patienten ein gutes Lebensgefühl vermittelt und den Krankenkassen eventuell eine Kostenreduktion ermöglicht. Geld, das uns im Übrigen auch erlauben würde, im Rahmen der Gesundenuntersuchungen individuelle Diagnostik für den Patienten zu betreiben und nicht nur ein zweiseitiges universelles Formblatt mit wenigen Parametern auszufüllen.