(M)ein Leben mit PAH: „Ich bin immer noch ich!“

Die PAH ist eine tödliche Erkrankung. Wie gehen Betroffene mit der Diagnose PAH um?

Eva Otter: Ich erhielt die Diagnose PAH im Jahr 2003 im Alter von 43 Jahren. Ich war damals medizinisch-technische Assistentin in einem nuklearmedizinischen Labor. Der Diagnose war eine Zeit der zunehmenden Erschöpfung vorausgegangen – die Einkaufstüten wurden immer schwerer, der Nachhauseweg immer beschwerlicher, das Stufensteigen immer anstrengender. Ich dachte damals, dass diese Bürden altersbedingt sind, und habe mich mit den körperlichen Einschränkungen arrangiert. Irgendwann kam der Moment – ich hatte bereits gut 10 Kilogramm an Körpergewicht verloren –, an dem ich neben der anhaltenden Erschöpfung auch unter ständiger Übelkeit und Atemnot litt und ich nicht mehr fähig war, mich zu konzentrieren. Der daraufhin aufgesuchte Kardiologe überwies mich zur weiteren Abklärung ans AKH Wien, wo ich 3 Monate später schließlich die Diagnose PAH erhielt. Wieder zu Hause und auf sich allein gestellt, ist man mit Gedanken wie „Was habe ich da für eine Krankheit, was ist das?“ konfrontiert. Man fällt anfangs wortwörtlich in ein tiefes Loch, es zieht einen regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Es ist essenziell, nach der Diagnose aufgefangen zu werden, einen Ansprechpartner zu haben, dem man vertraut. Das kann zum einen eine enge Bezugsperson aus dem Bekannten-, Freundes- oder Familienkreis sein, zum anderen aber auch ein Außenstehender. Bei Letzterem setzt die gemeinnützige Institution PH Austria – Initiative Lungenhochdruck an, deren Ziel die Gleichberechtigung aller Betroffenen in ganz Österreich ist, damit alle Patienten die bestmögliche Behandlung und psychosoziale Unterstützung erhalten. Dort hat man immer ein offenes Ohr, kein Problem ist zu klein. Ich selbst habe bei und durch PH Austria gelernt, dass es in meinem Leben auch noch etwas anderes als die Krankheit gibt. Mittlerweile bin ich langjähriges aktives Mitglied und organisiere Patiententreffen, helfe Betroffenen in sozialen Belangen und gestalte das Magazin „Atemberaubend“.

 

Wie fühlt sich die Krankheit für den Patienten an? Welche Auswirkungen hat die Erkrankung auf das alltägliche Leben?

Gleich vorweg: Ich bin agil – ich gehöre nicht zu jenen, die ihren Lebensmut verlieren und sich selbst bedauern. Mit der richtigen Medikation und dem Bewusstsein, dass es Hilfe gibt, habe ich meine Lebensqualität zurückerlangt – ich fühle mich heute sogar fitter als vor 18 Jahren, als ich die Diagnose gestellt bekommen habe. Ich bin der Meinung: Je aufgeklärter ein Patient über seine Erkrankung und auch die potenziellen Therapiemöglichkeiten ist, desto schneller agiert er in die richtige Richtung und desto größer ist das Selbstvertrauen. Ich hatte oft das Gefühl, mein Körper sei mir fremd, ich konnte damit nicht umgehen. Ich hatte Erschöpfungszustände, war ständig müde und konnte mich nicht gut konzentrieren. Nach der Diagnose geht es darum, die richtige Therapie zu finden. Bei mir hat es zwei Jahre gedauert, bis die Therapie für mich passend war. Nachts benutze ich mittlerweile Sauerstoff. Anfangs lebte ich normal weiter, nahm meine Tabletten und ging meiner Arbeit im Labor nach. Letzteres war nach fünf Jahren aufgrund des Erschöpfungszustandes nicht mehr möglich, und ich habe meinen Beruf aufgegeben und mich verstärkt auf meine Tätigkeit bei PH Austria konzentriert. Ich verschwende keinen Gedanken daran, warum es gerade mich getroffen hat – ich lebe mit meiner Erkrankung. Egal ob krank oder nicht, ich bin immer noch ich, ich bin durch meine Erkrankung nicht weniger wert. Ich habe das große Glück, dass meine Familie mich versteht und hinter mir steht. Mein 15-jähriger Enkelsohn weiß, dass er mit seiner Oma spielen, lernen, spazieren gehen und Spaß habe kann, dass zum Austoben jedoch andere da sind.

 

Hat die COVID-19-Pandemie die Lebenslage von Personen mit PAH beeinflusst, fühlen sich diese noch isolierter und allein? Was würde man sich wünschen?

Ich bin stolz, sagen zu können, dass PH Austria es geschafft hat, die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten und die Mitglieder gut informiert durch die Krisenzeit zu bringen. Jene, die gut vernetzt sind, können auf virtuellem Weg leicht erreicht werden. Schwierigkeiten gibt es hier bei älteren Patienten, die technisch nicht so versiert sind. Generell ist die ärztliche Betreuung in der COVID-19-Pandemie gegeben, wir Patienten sind gut versorgt. Telemedizin ist ein wichtiger Begleiter. Es gab jedoch auch Patienten, die – speziell im ersten Lockdown – ihre Kontrolltermine nicht wahrgenommen haben. Im ersten Lockdown gab es in Einzelfällen auch Schwierigkeiten in der medikamentösen Versorgung, sprich, es gab Zeiten, da waren die Medikamente knapp, und man erhielt statt der üblicherweise 3 ausgegebenen Packungen oftmals nur 2 Packungen. Rezepte mussten zum Teil früher eingeholt werden, um rechtzeitig seine Medikation beziehen zu können. Mittlerweile ist die Versorgung allerdings sichergestellt. Ein großes Thema war die Isolation – dadurch, dass persönliche Treffen, wie es auch unsere Infotage und Plaudermeetings sind, längere Zeit nicht mehr stattfinden konnten, haben sich viele Betroffene allein gefühlt, im Speziellen ältere Patienten, die nicht auf virtuelle Treffen und Social Media ausweichen konnten.

 

Wie gelingt es, Awareness für die pulmonale Hypertension zu schaffen, um den Bekanntheitsgrad der Erkrankung zu steigern?

Auch hier ist PH Austria nicht untätig. Wir veranstalten nicht nur Infotage und Plaudermeetings, sondern betreiben auch Awareness. So finden beispielsweise bereits seit 2012 der Wiener Zoolauf und seit 2015 der GhostRun (Wiener Kostümlauf zu Halloween) statt. Auch zum World PH Day (Welt-Lungenhochdruck-Tag) am 5. Mai findet immer ein Event statt. So gab es bereits ein Bubble-Soccer-Turnier und Vorlesungen mit einem Science Lunch an der Universität Graz, wodurch überwiegend Medizinstudenten auf diese Krankheit aufmerksam gemacht worden sind. Wir versenden auch 3–4-mal im Jahr einen Newsletter an alle Mitglieder, Förderer und Lungenhochdruckambulanzen in Österreich. Besonders wichtig in Bezug auf Awareness sind natürlich die sozialen Medien. Als wichtig erachte ich zudem, dass es Betroffene gibt, die sich trauen, in die Öffentlichkeit zu gehen und über ihre Erkrankung zu sprechen.

 

Was würde man sich von den Ärzten und der Industrie wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass nicht nur Betroffene an die Öffentlichkeit herantreten und über die Erkrankung sprechen, sondern dass auch Ärzte dies (z. B. in Form von Vorträgen) tun. Ist der Zugang zu Diagnostik, Therapie und Rehabilitation auf europäischer Ebene gegeben, dann wird es meiner Meinung nach auch mehr Interesse von Seiten der Ärzte für das Thema PAH geben. Die PAH gehört zu den sogenannten Orphan Diseases (seltene Erkrankungen) – ich würde mir daher wünschen, dass nie aufgehört wird, an der Erkrankung und auch an neuen Therapien zu forschen. Oftmals höre ich von Betroffenen, dass sie in eine Studie aufgenommen wurden und gerne Informationen hätten. Oftmals wissen wir jedoch nichts über besagte Studienprogramme, daher wäre meine Bitte an die Vertreter der Industrie, die Patientenvertretungen dahingehend zu informieren, in welche Richtung die Entwicklung geht (welche Therapeutika stehen aktuell in welcher Phase der Entwicklung, mit welchem Outcome ist zu rechnen usw.), denn auch Studienmedikamente können zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen – und darauf kommt es letztlich an.