Schauplatz Straßburg: Im Oktober stimmte das EU-Parlament für ein Verbot von Trinkhalmen, Einweggeschirr, Wattestäbchen und anderen Wegwerfprodukten aus Plastik. Die Neuregelung sieht vor, eine Reihe von Einwegprodukten, für die bereits Alternativen existieren, ab 2021 ganz aus der EU zu verbannen. Wie das Verbot aber letzten Endes aussieht, hängt jetzt von den Verhandlungen ab.
Schauplatz Wien: Just im selben Monat präsentierte Dr. Philipp Schwabl, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, MUW, im Rahmen der UEG Week in Wien die Ergebnisse einer prospektiven Pilotstudie, die er gemeinsam mit Dr. Bettina Liebmann, Expertin für die Analytik von Mikroplastik im Umweltbundesamt, durchgeführt hat: Im menschlichen Stuhl ist Mikroplastik nachweisbar.
In der Wissenschaft ist man bereits davon ausgegangen, dass Mikroplastik, wie es zum Teil in Meerestieren oder auch in PET-Flaschen vorhanden ist, den Weg in den menschlichen Körper findet. „Da bislang die dahin gehende Evidenz fehlte, haben wir diese prospektive Pilotstudie initiiert“, erklärt Dr. Schwabl den Studienhintergrund.
Die Stichprobenentnahme erfolgte weltweit bei 8 Personen (3 männlich, 5 weiblich) im Alter zwischen 33 und 65 Jahren aus Japan, Russland, den Niederlanden, Großbritannien, Italien, Polen, Finnland und Österreich. Zu den Ausschlusskriterien zählten: medizinische Diäten, Diarrhö/Obstipation, Antibiotika innerhalb der letzten 2 Wochen, Medikamente, welche die Stuhlfrequenz und -Konsistenz beeinflussen oder die sich auf die Resorption auswirken, Diagnose einer gastrointestinalen Erkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa und eine Zahnbehandlung innerhalb der letzten 2 Wochen.
Die Studienteilnehmer mussten 6 bis 7 Tage vor der Stuhlprobenentnahme ein Ernährungsprotokoll führen, die Produktnamen von Zahnpasta und Kosmetika berichten und Informationen über Kaugummi- und Alkoholkonsum angeben. Die Stuhlprobe wurde dann nach Wien transportiert und am Umweltbundesamt analysiert. „Stuhl ist eine schwierige Matrix, enthält viele Fette und Ballaststoffe. Unter dem Mikroskop würde man viel zu viele Fehlsignale erhalten, die Probe musste daher zeitaufwändig adäquat aufbereitet werden, ohne dass potenzielle Plastikpartikel verloren gehen. Die weitere Herausforderung: Keine Phase der Untersuchung durfte Plastikbestandteile beinhalten, das heißt kein Plastikbehälter für den Stuhl, keine Plastikpipette, kein Plastikschlauch usw. Vom Sampling vor Ort mit den von uns vorbereiteten Utensilien bis hin zu sämtlichen Analyseschritten arbeiteten wir plastikfrei.“ Die Experten am Umweltbundesamt, unter der Leitung von Dr. Bettina Liebmann, analysierten im Labor den Stuhl der Probanden hinsichtlich 10 der weltweit meistverbreiteten Kunststoffe. Das Umweltbundesamt ist Vorreiter in der Analyse von Mikroplastik in Europa und betreibt seit 2007 ein akkreditiertes Labor für Human-Biomonitoring.
Das Ergebnis: Bei allen acht Personen wurde Mikroplastik im Stuhl gefunden, im Mittel 20 Mikroplastikteilchen pro 10 g Stuhl. Dr. Schwabl: „Aufgrund der geringen Probandenanzahl lassen sich keine statistisch verlässlichen Aussagen über geografische Zusammenhänge oder Ernährungsgewohnheiten treffen.“ Der Nachweis von Mikroplastikpartikeln im Umweltbundesamt erfolgte mittels moderner bildgebender Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie. „In unserem Labor konnten wir neun verschiedene Kunststoffarten in der Größe zwischen 50 und 500 µm nachweisen. Bei allen 8 Probanden fanden sich Polypropylen und PET“, erklärt Dr. Liebmann. Dr. Schwabl zur medizinischen Forschungsfrage: „Uns interessiert, ob diese Ergebnisse in einer größeren Studie bestätigt werden können, damit würde sich die Statistik erhärten. Aufgrund der geringen Probandenzahl können wir derzeit noch keinen sicheren Zusammenhang zwischen Ernährungsverhalten und einer Belastung mit Mikroplastik herstellen. Während des Beobachtungszeitraums konsumierten alle Probanden Meeresfische/Meeresfrüchte, hatten Kontakt mit plastikverpacktem Essen und tranken im Durchschnitt 750 ml/Tag aus PET-Flaschen.“
In Tierstudien konnten die höchsten Mikroplastikkonzentrationen im Gastrointestinaltrakt nachgewiesen werden, jedoch waren kleinste Partikel auch im Blut, in der Lymphe und sogar in der Leber nachweisbar – was dafür spricht, dass ein geringer Teil aufgenommen wird. „Ob es auch beim Menschen eine gastrointestinale Mikroplastikaufnahme gibt, und welche Auswirkungen das haben wird, kann aktuell noch nicht gesagt werden. Bei einem Patienten mit geschädigter Darmbarriere könnte die Aufnahme im Gegensatz zu Personen mit einer intakten Darmschleimhaut begünstigt sein. Derzeit liegen die Auswirkungen im Bereich der Spekulation“, betont Dr. Schwabl.
Grundsätzlich bieten sich als Quellen für die Mikroplastik-Aufnahme zwei Möglichkeiten an: Das Mikroplastik kann von Nahrungsmitteln selbst stammen, wie von Fischen, Meeresfrüchten, Muscheln, Shrimps, die Plastikpartikel im Meer aufgenommen haben. Darüber hinaus kann die Aufnahme durch Lebensmittel erfolgen, die während der Verarbeitung oder durch die Kunststoffverpackung – und damit potenziell auch mit Mikroplastik – in Kontakt kamen. Die Ergebnisse stellen die Grundlage für weitere Untersuchungen in größerem Umfang dar.