Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) ist ihrem Motto „Lernen – Forschen – Behandeln“ auch beim diesjährigen Jahreskongress treu geblieben. Klinische Falldiskussionen, interaktive Workshops, Hot-Topic-Sitzungen, Symposien und Hands-on-Kurse gaben die Möglichkeit, die neuesten Forschungsergebnisse in die tägliche Praxis, im wahrsten Sinne des Wortes, mitzunehmen. Mit dem neuen Self-Assessment-Folder hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, ihr Wissen zu den einzelnen Vorträgen gleich selbst zu überprüfen. Im aktiven interdisziplinären Austausch mit KollegInnen der Radiologie, Pädiatrie, HNO, Chirurgie, Kardiologie, inneren Medizin, Rheumatologie, Infektiologie, Palliativmedizin und Arbeitsmedizin wurden pneumologische Fragestellungen, rezente Therapien und diagnostische Optionen diskutiert. Auch heuer waren die Themen so vielfältig, dass eine detaillierte Zusammenfassung hier den Rahmen sprengen würde!
„COPD uncovered“: Ein besonderer Höhepunkt war das Symposium „COPD uncovered“ mit dem Bericht einer Patientin über ihren persönlichen Krankheitsverlauf. Nationale und internationale Experten diskutierten den Verlauf der COPD vom Beginn der Symptome bis hin zur Diagnostik und möglichen Therapieoptionen – erstmalig gemeinsam mit teilnehmenden PatientInnen.
Neue Erkenntnisse zum individuellen COPD-Verlauf: „Der Krankheitsverlauf der COPD verläuft oftmals unterschiedlich. Nicht alle Betroffenen sind gleich“, sagt Prof. Dr. K. Rabe, Präsident der European Respiratory Society (ERS): „COPD-Patienten sind keine einheitliche Gruppe von Erkrankten. Wir sprechen hier zunehmend von verschiedenen ‚Phänotypen‘“. Exazerbationen führen zu einem schweren Krankheitsverlauf, häufigen Hospitalisierungen und gehen mit einer höheren Mortalität einher. Daher ist es wichtig, diese Patienten in der Praxis zu identifizieren. Rabe: „Es gibt Patienten, die häufig solche Exazerbationen haben, andere wiederum kaum.“ Dies ist auch nicht zwangsläufig mit dem erreichten Schweregrad der Erkrankung, gemessen am FEV1, verbunden, betont der COPD-Experte: „Es gibt Patienten, die in einem noch recht frühen Stadium und bei noch relativ geringer Einschränkung der Lungenfunktion Exazerbationen haben. Andererseits gibt es Patienten mit deutlich eingeschränkter Lungenfunktion, die in dieser Beziehung „unauffällig“ sind und kaum Exazerbationen aufweisen. Rabe: „Auslösende Faktoren für Exazerbationen können virale oder bakterielle Infektionen, Stress und Komorbiditäten sein.“ Fakt ist: optimal therapierte COPD-Patienten haben eine deutlich reduzierte Hospitalisierungsrate und damit verbunden, ein besseres Gesamtoutcome.
Die neue Risikoklassifizierung der COPD nach GOLD 2011: Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde die Stadieneinteilung der COPD nach den neuen GOLD-Richtlinien um das individuelle Exazerbationsrisiko und die individuellen Symptome rezent erweitert (Risikoklassifizierung A, B, C, D). Diese wurde von Prof. Dr. C. Vogelmeier, Deutschland, im Rahmen eines Expertenpanels präsentiert und diskutiert.
Wichtig ist, die medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie orientiert sich an dieser neuen Einteilung. Neben einer optimalen medikamentösen Therapie und körperlicher Aktivität kann, bei gewissen Phänotypen, der Einsatz von neuen antiinflammatorischen Wirkstoffen wie zum Beispiel Roflumilast als Add-on zur Standardtherapie (inhalatives Kortikosteroid und lang wirksamer Bronchodilatator) eine Verbesserung der Lungenfunktion sowie eine Reduktion der Exazerbationshäufigkeit erzielen. Um diese neue COPD-Stadieneinteilung und Therapie behandelnden ÄrztInnen effizient und einfach zu vermitteln, produzierte die ÖGP Pocket-Cards (Tab.). Ziel ist es, die bekannten COPD-Stadien (GOLD I–IV) sowie die neue Risikoklassifizierung (A, B, C, D) bei jedem COPD-Patienten zu erheben, um so den Patienten individuell und optimal zu therapieren. Die österreichischen Therapiestandards in der Behandlung der COPD orientieren sich an den internationalen GOLD-Richtlinien, daher ist es wichtig, diese in Österreich in die tägliche Praxis zu implementieren. „Als wissenschaftliche Gesellschaft ist es uns besonders wichtig, die neuesten Standards in der Pneumologie allen behandelnden ÄrztInnen zur Verfügung zu stellen“, so Dr. S. Hartl, Präsidentin der ÖGP.
Der sauerstoffpflichtige und rauchende COPD-Patient: Im Rahmen des diesjährigen Kongress wurden ebenso die neuen österreichischen Richtlinien zur Langzeitsauerstofftherapie präsentiert. Dr. S. Anders, Wien: „Ziele der Long Term Oxygen Therapy (LTOT) sind eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität sowie Reduktion der Morbidität und Mortalität.“ In diesem Sinne wurde gemeinsam mit Kostenträgern aus ganz Österreich die verschiedenen Indikationen von Flüssigsauerstoff und Konzentratoren diskutiert. „Bei der richtigen Auswahl des Sauerstoffsystems ist die Korrektur der Hypoxämie entscheidend“, so Anders. Diese Therapie ist ebenso entscheidend in der Pneumologie wie die Behandlung der in Österreich hoch prävalenten Nikotinkrankheit.
Der sauerstoffpflichtige und rauchende COPD-Patient ist schwer tabakabhängig und bedarf einer professionellen Unterstützung, sagt Prim. Dr. A. Lichtenschopf, Weyer, welcher mit KollegInnen die neuen Richtlinien der Tabakentwöhnung publiziert hat. „Die Behandlung der Tabakabhängigkeit ist klinisch wirksam und in hohem Ausmaß kosteneffizient. Daher sollte sichergestellt werden, dass diese Behandlung auch angeboten wird“, so der Experte.
Tabakmissbrauch in der Schwangerschaft und die Folgen: Bereits beim Ungeborenen entstehen deutlich erkennbare Folgen durch Tabakmissbrauch. Vor allem im ersten Trimenon führt regelmäßiger Tabakkonsum werdender Mütter zu einem um rund 30 % höheren Risiko für Missbildungen wie zum Beispiel der Kiefer-Gaumen-Spalte, präsentierte Priv.-Doz. Dr. A. Zacharasiewicz: „Vorzeitige Ablösung der Plazenta ist bei rauchenden Schwangeren bis zu 3-mal, Frühgeburten bis zu einem Viertel häufiger im Vergleich zu nichtrauchenden Schwangeren.“ Oft unterschätzt werden die Folgen im Erwachsenenalter. Ein nachgewiesenes erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Adipositas sowie Diabetes mellitus Typ 2 dürften auf die Rauchexposition des Fötus im Mutterleib zurückzuführen sein, so die Expertin. Babys kommen gehäuft mit einer reduzierten Lungenfunktion auf die Welt, dies hat lebenslang Folgen. „Das Risiko für Asthma bronchiale und andere Lungenerkrankungen ist deutlich erhöht.
Asthmaprävention durch subkutane Immuntherapie: Die Prävalenz von Asthma und Allergien nimmt weltweit zu. Bereits 7 % aller Kinder in Österreich leiden an Asthma, berichtete Priv.-Doz. Dr. F. Horak, Wien. Er präsentierte die neueste Therapien, aber auch die mögliche Asthmaprävention mittels subkutaner Immuntherapie (SCIT). Eine longitudinale Studie bei Kindern mit allergischer Rhinokonjunktivitis konnte zeigen, dass die Immuntherapie zur Besserung der Symptome, aber auch zu einer erniedrigten Asthma-Prävalenz führte, dieser Effekt hielt über 7 Jahre nach der Beendigung der Therapie an. Die positive Wirkung von SCIT auf ein bereits bestehendes Asthma ist evident, der Stellenwert des möglichen präventiven Effekts wird durch diese Daten unterstützt. Es wäre wichtig, dass diese Erkenntnisse in die neuen Leitlinien einfließen, so der Experte, damit „die SCIT als neuer wichtiger Pfeiler der Asthmatherapie positioniert wird“.
RESÜMEE: Dies und viele andere Erkenntnisse in der Pneumologie – von der Epidemiologie und Antibiotikaresistenz bei der Pneumonie, dem richtigen Einsatz inhalativer Antibiotika, über die neuen Richtlinien in der Diagnostik der idiopathischen Lungenfibrose, bis hin zur palliativen Behandlung und Therapieoptionen von pneumologischen Patienten – wurden im Rahmen des diesjährigen Kongresses präsentiert und diskutiert. Zum wiederholten Mal konnte die Pneumologie zeigen, dass durch nationale und internationale Forschung viele neue Erkenntnisse zur Optimierung in der Diagnostik und Therapie pneumologischer PatientInnen gewonnen werden konnten. In diesem Sinne: Lernen, Forschen, Behandeln!