Entgegen – teils bis heute bestehenden – fälschlichen Annahmen handelt es sich beim Vorhofflimmern (VHF) um ein Erkrankungsbild mit potenziell malignem Verlauf. Dies basiert nebst einer um 1,5–3,5-fach erhöhten Mortalität unter anderem auf einer signifikanten Zunahme von Schlaganfällen (20–30 % aller ischämischen Schlaganfälle sind durch VHF bedingt) und Herzinsuffizienz (20–30 % aller VHF-Patienten entwickeln eine Herzschwäche) sowie einer Abnahme der Lebensqualität (> 60 % aller VHF-Patienten). Dem nicht genug werden 10–40 % aller VHF-Patienten aufgrund ihrer Erkrankung zumindest 1-mal pro Jahr hospitalisiert, sodass unter Berücksichtigung der bereits gegenwärtig hohen, künftig prognostiziert noch signifikant steigenden VHF-Prävalenz und den daraus resultierenden individuellen, gesundheitsgesellschaftlichen, aber auch gesundheitsökonomischen Konsequenzen einer optimalen Therapiestrategie eine eminente Bedeutung zukommt.1
Diesbezüglich empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in ihren aktuellen Guidelines einen integrativen Therapieansatz anhand des neu eingeführten ABC-Pfades (Abb. 1). Darin wurden die aus der Vergangenheit bereits bestens etablierten Grundpfeiler der oralen Antikoagulation (A – Anticoagulation/Avoid Stroke) mit dem Ziel der Verhinderung von kardioembolischen Ereignissen sowie der Frequenz- und Rhythmuskontrolle (B – Better Symptom Control) um den nicht minder relevanten Aspekt der Kontrolle und der Einstellung aller kardiovaskulären Risikofaktoren und Begleiterkrankungen (C – Cardiovascular Risk Factors and concomitant Diseases: Detection and Management) ergänzt.2
Während Nutzen und Risiken der oralen Antikoagulation durch mannigfaltige Studienergebnisse bestens belegt sind, konnte selbige Bedeutung für den Bereich der Lifestyle-Modifikation (moderate körperliche Aktivität über 30 Minuten 3–4-mal pro Woche empfohlen, Alkoholkonsum und Rauchen vermeiden, im Falle von Übergewicht Körpergewichtsreduktion um > 5–10 % anstreben, Verzicht auf Energydrinks) erst in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen werden.3 Punkt B (Better Symptom Control) konnte bisher aufgrund fehlender harter Studien-Outcome-Daten für die Rhythmuskontrolle vereinfacht ausgedrückt wie folgt abgehandelt werden: Die Entscheidung zwischen einer Frequenz- und einer Rhythmuskontrolle hängt primär vom Vorhandensein VHF-bedingter Symptome ab, sodass die Rhythmuskontrolle beim asymptomatischen VHF-Patienten lediglich im Falle des ausbleibenden Therapieerfolges einer Frequenzkontrolle zum Tragen kommt. Spezifische VHF-Patientensubgruppen (Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer systolischer Funktion [HFrEF] sowie Patienten mit VHF-bedingter Tachykardiomyopathie) sind von dieser Regelung ausgeschlossen, da neben den in diesem Zusammenhang meistzitierten Studien CASTLE-AF und CABANA diverse weitere Forschungsergebnisse einen eindeutigen Benefit der rhythmuskontrollierenden Therapie durch die Katheterablation belegen konnten. Dies schlug sich folglich auch in den jüngsten Guidelines der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie nieder.2, 4–6 Rezente Studiendaten lassen die Diskussion hinsichtlich des Stellenwertes einer Rhythmuskontrolle beim asymptomatischen VHF-Patienten und deren optimalen Zeitpunkt wieder aufkeimen. So konnte im EAST Trial eine signifikante Abnahme (HR 0,79) des kombinierten primären Studienendpunktes aus Schlaganfall, kardiovaskulärem Tod und Hospitalisationen für eine frühzeitige Rhythmuskontrolle gegenüber der Standardbehandlung gezeigt werden (Abb. 2).7 Unterstützt werden diese Beobachtungen durch weitere kürzlich publizierte Studienergebnisse (Cryo-FIRST, STOP AF und EARLY AF), welche allesamt ebenfalls einen Vorteil einer Erstlinientherapie der Katheterablation bei Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern gegenüber einem medikamentösen antiarrhythmischen Approach nachweisen konnten, sowie Hinweise, dass das Schlaganfallrisiko im Anschluss an eine erfolgreiche Katheterablation abnimmt.8–10
Dem zuvor Genannten zum Trotz werden VHF-Patienten weiterhin häufig erst in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium beim VHF-Spezialisten vorstellig. Dabei ist es eminent, VHF als eine sich progressiv entwickelnde Erkrankung zu verstehen. So ist die zentrale Bedeutung der Lungenvenen im frühen VHF-Erkrankungsstadium seit der Erstbeschreibung durch Haïssaguerre et al. vor über 20 Jahren bekannt und deren zirkumferentielle Isolation bis heute das Ablationsverfahren der Wahl.11 Mit Fortdauer der Erkrankung nimmt die Wahrscheinlichkeit einer andauernd erfolgreichen Katheterablation drastisch ab, wohingegen, wie durch Kuck et al. unlängst in der ATTEST-Studie bemerkenswert veranschaulicht, eine frühzeitige Katheterablation einen relevanten Beitrag zur Reduktion der VHF-Progression (HR 0,114) liefert.12 Diese Erkenntnis wird möglicherweise einen Paradigmenwechsel in den künftigen VHF-Guidelines nach sich ziehen.
Zusammenfassend möchten wir festhalten, dass wir einen holistischen VHF-Therapieansatz nach Vorgabe des ABC-Pfades der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfehlen. In diesem Rahmen halten wir die Konsultation eines VHF-Spezialisten in einem frühen Erkrankungsstadium für äußerst bedeutsam, um gezielt nach Indikationen einer invasiven rhythmuskontrollierenden Therapie zu suchen und im Falle deren Vorliegens, jene ehestmöglich, im Sinne einer „Hit hard and early“-Strategie, durchzuführen.