Bluthochdruck ist ein bekannter Risikofaktor für kardiovaskuläre (CV) Erkrankungen, wobei ein nächtlich erhöhter Blutdruck ein besonders hohes Risiko birgt.
Das spanische Hygia-Projekt1 untersuchte den potenziellen Einfluss der Blutdrucksenkung tagsüber (in der Praxis oder zuhause) oder nachts auf die Reduktion des CV Risikos.
Im Rahmen der prospektiven multizentrischen Studie wurden über 18.000 normo- und hypertensive Erwachsene in 40 Zentren evaluiert. Mehr als 15.600 Teilnehmer wiesen zu Beginn der Studie eine Hypertonie auf (definiert als ein Blutdruck von ≥ 135/85 mmHg tagsüber, ≥ 120/70 mmHg nachts oder Einnahmen von blutdrucksenkenden Medikamenten). Von den Hypertonikern waren knapp 10.000 zuvor nicht behandelt worden. Diese wurden nach einer Basisuntersuchung auf Antihypertensiva eingestellt, wobei ein Teil der Hypertoniker zumindest einen der verordneten Blutdrucksenker abends vor dem Schlafengehen einnehmen sollte, die übrigen nahmen die verordneten Medikamente nur tagsüber ein.
Die Studienteilnehmer waren im Mittel 59 Jahre alt, 43 % waren adipös, 21 % Diabetiker, und 9 % hatten bereits ein CV Ereignis hinter sich.
Zu Beginn der Studie sowie bei den mindestens einmal jährlich stattfindenden Nachuntersuchungen wurde der Blutdruck zunächst dreimal in der Praxis gemessen, anschließend folgte eine ambulante Blutdruckmessung über 48 Stunden – während dieser Zeit wurden alle 20–30 Minuten die Blutdruckwerte erhoben. So konnten Veränderungen im Tages- und Nachtdruck über mehrere Jahre hinweg beobachtet werden.
Im medianen Nachbeobachtungszeitraum von 5,1 Jahren kam es bei 2.311 Studienteilnehmern zu einem CV Ereignis, 1.209 Teilnehmer erlitten ein schweres Ereignis (= kombinierter primärer Endpunkt: kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, koronare Revaskularisierung). Darunter waren besonders ältere und multimorbide Patienten.
Es zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen den anfangs in der Praxis gemessenen Blutdruckwerten und den Ereignisraten: So war der systolische Blutdruck (SBD) bei Patienten mit späterem Event zu Beginn der Studie um 7 mmHg höher, der diastolische (DBD) dagegen um 4 mmHg niedriger als bei eventfreien Patienten. Am deutlichsten waren die Unterschiede beim SBD im Schlaf: Patienten ohne Ereignis wiesen einen um 9 mmHg geringeren Wert auf als jene mit einem späteren Ereignis. Patienten, die ein CV Ereignis erlitten, zeigten zudem einen geringeren relativen nächtlichen SBD-Abfall sowie eine höhere Prävalenz von Non-Dipping (= kein nennenswerter nächtlicher Blutdruckabfall).
Nachtdruck – prognostisch besonders wertvoll: Die Rate für schwere CV Ereignisse war bei Patienten, die während der ersten Praxismessung eine systolische Hypertonie (SBD > 135 mmHg) aufwiesen, um 34 % erhöht. Eine systolische Hypertonie während der ersten Nachtmessung (SBD > 120 mmHg) war dagegen mit einer Erhöhung der Eventrate um 62 % assoziiert. Der prognostische Wert der Nachtmessung war also deutlich höher.
Die abendliche Einnahme der blutdrucksenkenden Medikamente ging, im Vergleich zur Einnahme tagsüber, mit einer um 53 % geringeren CV Eventrate einher.
Nachtdruck – unabhängiger Risikofaktor: Der SBD im Schlaf erwies sich als signifikantester Risikofaktor für das primäre Outcome (HR 1,29 [95%-KI 1,22–1,35] pro SD-Erhöhung; p < 0,001), unabhängig vom in der Praxis gemessenen Blutdruck (HR 1,03 [0,97–1,09]; p = 0,32) und vom ambulant gemessenen Tagesdruck (HR 1,02 [0,94–1,10]; p = 0,68). Interessanter noch: Die schrittweise Verminderung des nächtlichen SBD war der bedeutendste Faktor für eventfreies Überleben (HR 0,75 [95%-KI 0,69–0,82]) pro SD-Abnahme; p < 0,001], unabhängig von Veränderungen im tagsüber (in der Praxis oder ambulant) gemessenen Blutdruck. Entscheidend für das CV Risiko scheint also in erster Linie der nächtliche Blutdruck zu sein.
Das Hygia-Projekt identifizierte den SBD im Schlaf, unter sämtlichen untersuchten Blutdruckparametern, als wichtigsten CV Risikofaktor. Die behandlungsinduzierte Senkung des Nachtdruckes, aber nicht des Tagdruckes, ging mit einem signifikant niedrigeren Risiko für CV Morbidität und -Mortalität einher. Um das wahre Ausmaß der Hypertonie bzw. des CV Risikos zu erfassen, empfehlen die Studienautoren, bei Hypertonikern zumindest einmal eine ambulante Blutdruckmessung über 24 oder – besser noch – 48 Stunden durchzuführen. Weiters schlagen sie vor, dass die verordneten Antihypertensiva vor dem Schlafengehen eingenommen werden sollten, um den erhöhten Nachtdruck – als neues therapeutisches Target – gezielt zu senken.