Nekrotisierende Sarkoidgranulomatose – Diagnostische Herausforderung granulomatöse Lungenerkrankungen

Vorgeschichte: Eine 28-jährige Patientin suchte wegen rezidivierender respiratorischer Infekte und trockenen Reizhustens im Jänner 2011 den Hausarzt auf. Im Thoraxröntgen zeigten sich beidseits kleinfleckige Verdichtungen. Unter dem Aspekt einer atypischen Pneumonie erfolgte eine Therapie mit Moxifloxacin. Bei fehlender Besserung ließ die daraufhin veranlasste Computertomografie des Thorax eine bihiläre Vermehrung des lymphatischen Gewebes sowie multiple kleine, maximal 1 cm haltende Rundherde und zum Teil kleine Konsolidierungsherde mit Betonung der Mittel- und Oberfelder erkennen. Die Patientin wurde nun wegen des Verdachtes auf Sarkoidose an unserer Abteilung zugewiesen.

Untersuchungsbefunde: Die körperliche Untersuchung war unauffällig, ebenso die Ruhe- und Belastungsblutgase sowie die Bodyplethysmografie inklusive CO-Diffusion. Laborchemisch waren sämtliche Routineparameter im Normbereich, ACE und sIL-2R nicht erhöht, der Quantiferon-TB-Gold-Test war negativ.
Die Bronchoskopie zeigte makroskopisch ein unauffälliges Bild, die mikrobiologischen Befunde, die ZN-Färbung und auch die PCR auf Mykobakterien erbrachten keinen pathologischen Befund, sodass vom klinischen und radiologischen Bild das Vorliegen einer Sarkoidose sehr wahrscheinlich war. Unerwarteterweise wurden in der Zytologie der BAL eine lymphozytär-makrophagozytäre Alveolitis sowie säurefeste Stäbchen nachgewiesen und vom Pathologen eindeutig als Tuberkulose interpretiert. Obwohl die gesamte Befundkonstellation nicht unbedingt für eine Tuberkulose sprach, entschloss man sich aufgrund des zytologischen Befundes, insbesondere da die Patientin Mutter zweier Kleinkinder war, zur Einleitung einer antituberkulösen 4-fach-Therapie.

Verlauf: Nach 3-monatiger Therapie bestand klinisch der trockene Husten weiter, die Infiltrate blieben unverändert. Zwischenzeitlich langte auch ein negativer Tuberkulose-Kultur-Befund ein. Die spezifische Therapie wurde abgesetzt. Wegen der weiterhin bestehenden Klinik wurde der Patientin zum Ausschluss einer atypischen Mykobakteriose eine neuerliche Bronchoskopie empfohlen. Sämtliche Befunde blieben unauffällig, auch konnten diesmal keine säurefesten Stäbchen nachgewiesen werden. Weiterführend kam die Patientin regelmäßig zu funktionellen und radiologischen Kontrollen.
Im Jänner 2012 erfolgte wegen radiologischer Progredienz eine videoassistierte Thorakoskopie mit Keilresektion und Pleurabiopsie. Histologisch kamen einzelne und zum Teil konfluierte Epitheloidzellgranulome, eine granulomatöse Vaskulitis und dadurch bedingte infarktartige Gefäßverschlüsse mit Nekrosen, sowohl im Lungenparenchym als auch in der Pleura visceralis, zur Darstellung, sodass histologisch die Diagnose der seltenen nekrotisierenden Sarkoidgranulomatose (NSG) mit pleuraler Beteiligung gestellt werden konnte.
Bei unserer Patientin wurde bisher keine Therapie eingleitet (siehe „Diskussion“ unten). Sie war respiratorisch nach ca. einem Jahr beschwerdefrei und nach über 18 Monaten zeigt sich nun auch eine radiologische Regredienz.

Diskussion

Die Diagnose einer nekrotisierende Sarkoidgranulomatose (NSG) kann nur histologisch gestellt werden. Sie ist definiert durch konfluierte noduläre Epitheoidzellgranulome mit granulomatöser Vaskulitis und infarktartigen Nekrosen, weshalb die Erkrankung vom Erstbeschreiber Liebow als Mischform zwischen Sarkoidose und Granulomatose mit Polyangiitis (GPA – vormals Wegener-Granulomatose) bezeichnet wurde. Bei der NSG handelt es sich jedoch nicht wie bei der GPA um eine echte nekrotisierende granulomatöse Vaskulitis, sondern die in der Gefäßwand lokalisierten Granulome bedingen schließlich eine Lumenobstruktion mit nachfolgender ischämischer Infarktnekrose. Vielmehr ähnelt das histologische Bild einer nodulären Sarkoidose (NS), auch die granulomatöse Vaskulitis findet man bei Sarkoidose, nicht aber die infarktartigen Nekrosen. Von manchen Autoren wird die NSG deshalb als Variante der Sarkoidose mit ausgeprägter granulomatöser Vaskulitis gesehen. Um die Diagnose stellen zu können, sind ausreichend große Gewebsstücke nötig. Bronchoskopisch gewonnene Biopsate sind hierfür in der Regel zu klein.

Die Ätiologie und Pathogenese sind unbekannt. Frauen sind deutlich öfter betroffen als Männer, der Altersgipfel liegt in der 4. und 5. Dekade. Eine extrapulmonale Beteiligung kommt vor, am häufigsten in Form einer pleuralen NSG, außerdem okuläre und neurologische Manifestationen, des Weiteren sind Arthralgien, Hautläsionen sowie kardiale und hepatische Mitbeteiligungen beschrieben.

Diagnostik: Die klinische Symptomatik ist unspezifisch in Form von Belastungsdyspnoe, pleuritischen Schmerzen und Husten, außerdem allgemeine Symptome wie Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Ein Teil der Patienten ist asymptomatisch.
Die Lungenfunktion ist zumeist unauffällig, selten zeigt sich eine Restriktion, gelegentlich eine verminderte CO-Diffusion.
Diffuse, flaue Infiltrate, bilaterale kleinnoduläre Veränderungen sowie solitäre Knoten sind die häufigsten radiologischen Erscheinungsbilder. Hiläre und mediastinale Lymphadenopathien sind nicht so häufig zu finden wie bei der Sarkoidose.
Ebenso gibt es keine typischen laborchemischen Veränderungen. Wohl ist die BSG zumeist erhöht, eine CRP-Erhöhung ist nicht obligatorisch, ACE ist normal, ANCA sind immer negativ.
Typische zelluläre Befunde in der BAL gibt es nicht.

Differenzialdiagnostisch kommen die meisten granulomatösen Lungenerkrankungen in Frage. In erster Linie muss eine Tuberkulose oder sonstige mykobakterielle Erkrankung ausgeschlossen werden. Sarkoidose, die morphologisch idente Berylliose sowie granulomatöse Vaskulitiden müssen ebenso in die dia­gnostischen Überlegungen eingeschlossen werden wie eine Hypersensitivitätspneumonitis. Andere seltene Pathologien wie lymphomatoide und bronchozentrische Granulomatose können ebenso wie seltene Infektionen (Nokardiose, Aktinomykose) und Mikrometastasen ein ähnliches Bild zeigen.

Die Prognose ist zumeist günstig. In vielen Fällen ist die Krankheit auch ohne Behandlung selbstlimitierend. Analog zur Sarkoidose kann es zu Rezidiven kommen.
Die Indikation zur Therapie in Form einer systemischen Glukokortikoidgabe ist bei schweren, progredienten Fällen mit funktionellen Einschränkungen gegeben, insbesondere aber bei Formen mit Augen- und/oder ZNS-Beteiligung. Deshalb sind konsequente regelmäßige Verlaufskontrollen unumgänglich.

ZUSAMMENFASSUNG: Die nekrotisierende Sarkoidgranulomatose ist eine seltene Erkrankung, bei der auf dem Boden einer epitheloidzelligen, granulomatösen, nicht nekrotisierenden Vaskulitis infarktartige Nekrosen die histopathologische Unterscheidung zur nodulären Sarkoidose darstellen. Ob die Krankheit somit eine eigene Entität darstellt, ist noch Gegenstand der Diskussion. Spezielle serologische Marker sind bisher nicht bekannt, andere Ursachen für granulomatöse Lungenerkrankungen, insbesondere TBC und nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen (NTM), müssen ausgeschlossen werden. Extrapulmonale Formen kommen vor, die Indikation zur immunsuppressiven Therapie ergibt sich aus lungenfunktionellen Befunden und systemischen Manifestationen. Spontanremissionen sind ebenso wie Rezidive möglich.

 

Literatur:
– Churg A.: Pulmonary angiitis and granulomatosis revisited. Hum Pathol 1983; 14:868-883
– Popper H.H., Klemen H., Colby T.V., Churg A.: Necrotizing sarcoid granulomatosis – is it different from nodular sarcoidosis? Pneumologie 2003; 57 (5):268-71
– Quaden C.: Necrotising sarcoid granulomatosis: clinical, functional, endoscopical and radiographical evaluations. ERJ 2005; 26 (5):778-785