Der kardialen Bildgebung wurde am Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) 2018 in München eine eigene „Late-breaking Science“-Session gewidmet. Darin wurden hauptsächlich Studien zur stabilen koronaren Herzerkrankung (KHK) präsentiert. Die Computertomografie beweist im Vergleich zur Stress-Bildgebung immer mehr ihre Gleichwertigkeit.
In den ESC-Guidelines 2014 zur Abklärung der stabilen KHK wird der Stress-Bildgebung mit einer IA-Indikation bei Patienten mit mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit vor der rein anatomischen Darstellung mittels kardialer Computertomografie (IIa-A-Empfehlung) formal noch der Vorzug gegeben.1 Auch in den aktuell vorgestellten 2018er Guidelines zum Thema koronare Revaskularisierung wird der Ischämienachweis gegenüber der rein anatomischen Darstellung bevorzugt.2
Die Ergebnisse der bereits bekannten Studien PROMISE3 und SCOT-HEART4 lassen jedoch immer mehr eine prognostische Gleichwertigkeit beider Verfahren erwarten. In der PROMISE-Studie konnte bei 10.003 Patienten mit mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit über 2 Jahre eine prognostische Gleichwertigkeit des Managements mittels Stress-Bildgebung versus CT-Angiografie nachgewiesen werden. Allerdings ist anzumerken, dass in der CT-Gruppe doppelt so viele Koronarangiografien (12,2 % vs. 8,1 %) und auch doppelt so viele Koronarinterventionen (6,2 % vs. 3,2 %) durchgeführt wurden.3
In der SCOT-HEART-Studie wurden Patienten in einen Standardarm oder in einen Arm mit zusätzlicher CT (Kalziumscore plus CT-Angiografie) randomisiert. In der initialen Analyse wurde nur die Sicherheit der Diagnose „KHK als Ursache von Angina“ nach 6 Wochen als primärer Endpunkt analysiert. Es konnte in einer prognostischen Auswertung nach 1,7 Jahren zwar eine 32-prozentige relative Reduktion an kardiovaskulären Todesfällen und Herzinfarkten festgestellt werden, die Ergebnisse waren jedoch statistisch gerade nicht signifikant (p = 0,053).4
David Newby stellte in der „Late-breaking Science“-Session am ESC nun die präspezifizierte 5-Jahres-Analyse der SCOT-HEART-Studie vor. Zeitgleich wurden die Daten im New England Journal of Medicine veröffentlicht.5 4.146 im Verhältnis 1 : 1 randomisierte Patienten wurden über einen Median von 4,8 Jahren nachbeobachtet. 59 % der Patienten wiesen typische oder atypische Angina Pectoris auf. Patienten über 75 Jahre wurden nicht eingeschlossen. In beiden Armen erhielten etwa 85 % der Patienten initial eine Ergometrie. Wie auch in der Originalstudie wurden Patienten im CT-Arm häufiger auf präventive (19,4 % vs. 14,7 %) und antianginöse Therapien (13,2 % vs. 10,7 %) eingestellt. Bei beiden Gruppen wurde gleich oft eine invasive Abklärung und Revaskularisierung angeschlossen (23,6 % vs. 24,2 % und 13,5 % vs. 12,9 %). Der primäre klinische Endpunkt (kardiovaskulärer Tod und Herzinfarkt) trat im CT-Arm jedoch signifikant seltener auf (2,3 % vs. 3,9 %; HR: 0,59; p = 0,004). Die Autoren erklären diese 41-prozentige relative Risikoreduktion durch einen schnelleren und effektiveren Beginn einer optimalen medikamentösen Therapie (OMT).
Damit widerspricht diese Studie den Ergebnissen der PROMISE-Studie. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass im SCOT-HEART-Trial im Standardarm der Großteil der funktionellen Abklärung über die Ergometrie gelaufen ist (85 %). Nur 9 % der Patienten erhielten eine Stress-Bildgebung. Damit weist die Studie, meiner Einschätzung nach, zwar auf die bessere diagnostische Genauigkeit der CT-Angiografie gegenüber der Ergometrie hin und unterstreicht die Wichtigkeit der OMT; die Schlussfolgerung, dass die CT-Angiografie gegenüber einem zeitgemäßen Einsatz der funktionellen Bildgebung überlegen ist, lässt sich daraus nicht ableiten.
Um auch mittels CT-Angiografie einen Ischämienachweis erbringen zu können, wurde, analog zur invasiven Druckdrahtmessung, die FFR-CT („fractional flow reserve“, gemessen mittels CT-Angiografie) in der PLATFORM-Studie etabliert.6 In der am ESC präsentierten CREDENCE-Studie wurde die Auswirkung der Hinzunahme der FFR-CT zur Standard-CT-Angiografie auf die diagnostische Genauigkeit im direkten Vergleich zur Stress-Bildgebung untersucht. Dafür wurden 612 Patienten, die zu einer elektiven Koronarangiografie zugewiesen wurden, in die Studie inkludiert. Alle Patienten erhielten ein umfassendes CT- und Stress-Bildgebungsprotokoll. Das Interessante an dieser Studie ist, dass bei 307 Patienten in einer Etablierungskohorte die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen einer signifikanten KHK erarbeitet wurden. Anschließend wurden diese Kriterien bei 305 Patienten der Validierungskohorte überprüft. In der Validierungskohorte ergab sich eine höhere diagnostische Genauigkeit der CT gegenüber der Stress-Bildgebung (AUC: 0,83 vs. 0,68). Ob sich diese Beobachtungen auch in einen prognostischen Vorteil übersetzen lassen, wird in Zukunft zu klären sein.
Prognostische Daten aus einem dänischen Register stellte Prof. Norgaard in derselben Sitzung vor. Von 3.674 CT-Angiografien wiesen 677 eine visuelle Stenose > 30 % auf. Bei 267 dieser Patienten (39 %) war die FFR-CT positiv (< 0,80). Patienten mit einer FFR-CT > 0,80 hatten über einen Zeitraum von 24 Monaten eine ähnlich gute Prognose wie Patienten ohne visuelle Stenose. Die schlechteste Prognose hatten Patienten, die mit einer FFR-CT < 0,80 rein medikamentös geführt und nicht einer Revaskularisation zugeführt wurden.
In den anschließenden Diskussionen wurde darauf hingewiesen, dass die FFR-CT-Messungen derzeit noch zentral über einen externen Anbieter ausgewertet werden müssen und dass die Bearbeitungszeit über 24 Stunden betrage. Generell halten die am ESC präsentierten Revaskularisationsguidelines fest, dass es für eine Routineempfehlung zur Messung der FFR-CT noch einer stabileren Datenlage bedarf.2
Ebenfalls prognostische Daten stellte Prof. Raymond Kwong aus dem SPINS-Register aus den USA vor. Bei 2.371 Patienten wurde eine Stress-Magnetresonanztomografie in 13 erfahrenen Zentren durchgeführt. Untersucht wurden das Vorliegen eines adenosininduzierten Perfusionsdefizites im Sinne einer belastungsabhängigen Koronarinsuffizienz sowie das Vorliegen eines pathologischen „Late-Enhancement“ als Ausdruck einer postischämischen Narbe. Das Follow-up betrug im Median 5,3 Jahre. 68 % der Patienten hatten einen Normalbefund und wiesen im Verlauf eine sehr gute Prognose auf. Die jährliche Eventrate für kardialen Tod, Myokardinfarkt und kardiale Hospitalisierung betrug 0,6 % und definiert damit eine Niedrigrisikopopulation. Patienten mit zwei pathologischen Befunden hatten ein Risiko von 3,5 % pro Jahr (p < 0,0001).
Die SCOT-HEART-Studie weist auf einen prognostischen Vorteil der frühen Detektion einer KHK mittels einer Routine-CT hin. Der oft geringe positiv-prädiktive Wert der CT für eine hämodynamisch wirksame Stenosierung könnte mittels FFR-CT in Zukunft deutlich angehoben werden. Die Stress-Bildgebung beweist weiterhin ihre sehr gute prognostische Performance, und Patienten mit einem negativen Stress-MRT können beruhigt vorerst konservativ geführt werden.