Die letzten Jahre in der Behandlung der arteriellen Hypertonie waren durch die Erscheinung neuer europäischer (2018) und die vor knapp 3 Monaten erschienenen österreichischen Richtlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie geprägt.1 Nach der Markteinführung von Aliskiren 2007 erreichte keine neue Wirksubstanz zur medikamentösen Therapie der arteriellen Hypertonie Marktreife. Der Einsatz invasiver Maßnahmen (renale Denervation/Barorezeptorstimulation) kommt weiterhin nur für ein selektiertes Patientengut in Frage. Aus diesen Gründen kam es in den letzten Jahren zur Fokussierung und Optimierung der Diagnostik, Erstellung einheitlicher Richtlinien und Zielwerte (Tab.) sowie zur Etablierung praktikabler Therapieschemata (Abb.) bei zunehmend verbesserter Evidenzlage.
Nach der Veröffentlichung der SPRINT-Studie 2015 wurden die Richtlinien sowohl in den amerikanischen als auch in europäischen Gesellschaften neu diskutiert.
Ein Hauptunterschied zwischen den Gesellschaften besteht in der Definition einer arteriellen Hypertonie, welche in den amerikanischen Richtlinien bereits ab 130/80 mmHg diagnostiziert wird. Hingegen wird in Europa eine arterielle Hypertonie erst mit 140/90 mmHg als solche bezeichnet und als behandlungswürdig angesehen. Als Therapieziel wird von amerikanischer Seite für alle Kollektive ein Wert unter 130/80 mmHg vorgegeben, in Europa wird die Therapietoleranz des Patienten einkalkuliert, und damit werden zum Teil höhere Werte akzeptiert.
In der SPRINT-MIND-Studie zeigte sich bei 670 Patienten (Durchschnittsalter 67 Jahre), welche mit zerebraler Magnetresonanztomografie evaluiert wurden, dass eine intensive Behandlung der arteriellen Hypertonie (Zielwert: 120 vs. 140 mmHg systolisch) das Auftreten von „white matter lesions“ minimierte und es zu einer geringeren Reduktion der Hirnmasse kam. Eine signifikante Risikoreduktion einer Demenzentwicklung konnte jedoch in einer ebenfalls aus dem SPRINT-Kollektiv stammenden Population im Behandlungszeitraum von knapp über 3 Jahren nicht nachgewiesen werden.2, 3
Demgegenüber zeigte sich bei Patienten mit Hypertonie im mittleren Lebensalter (45–65 Jahre) verglichen mit normotonen Patienten ein um 49 % höheres Risiko, Demenz zu entwickeln. Im höheren Alter verstärkte eine Hypotonie dann dieses Risiko zusätzlich.4
Arterielle Hypertonie wurde bereits früher als Risikofaktor für bestimmte Karzinomentitäten (Nieren-, kolorektale und Mammakarzinome) beschrieben. In letzter Zeit wurden zusätzlich zwei Antihypertensiva-Klassen mit Tumoren in Zusammenhang gebracht.
Hydrochlorothiazid war in zwei retrospektiven Studien aus Dänemark mit einem erhöhten Risiko für Hauttumoren bei Dosisakkumulation über mehrere Jahre assoziiert. Es zeigte sich eine signifikante Erhöhung von Basalzellkarzinomen bei Patienten unter einer Langzeit-Hydrochlorothiazid-Therapie. Plattenepithelkarzinome zeigten sich erst bei höheren Dosen signifikant gehäuft in dieser Patientengruppe. Als mögliche Ursache wurde eine Fotosensibilisierung durch Thiazide vermutet, welche auch für andere Diuretikaklassen gelten würde. Da Sonnenexposition nicht bestimmt wurde, könnte auch hier ein direkter Zusammenhang mit arterieller Hypertonie (hypertone Patienten setzen sich häufiger ungeschützt einer Sonnenstrahlung aus) vermutet werden.
Aufgrund dieser Befunde sollte bei Behandlung von Hypertonie-Patienten auch die dermatologische Betreuung miteinbezogen werden, um bei einer Häufung der beiden beschrieben Hautzelltumoren eine medikamentöse Umstellung anzustreben.5
Eine Studie zur Häufung von Lungentumoren bei langfristiger Einnahme eines ACE-Hemmers zeigt deutliche Schwächen im Studiendesign und sollte deshalb eine Therapiewahl aktuell nicht beeinflussen.6
Die Bestimmung des zirkadianen Blutdruckverlaufs mit einer ambulant automatischen Langzeitblutdruckmessung ist hinsichtlich der Abschätzung eines kardiovaskulären Risikos deutlich besser geeignet als die Ordinationsmessung.7
Insbesondere der fehlende Abfall des Blutdrucks über Nacht (Non-Dipper) ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko vergesellschaftet.
Federführend auf diesem Gebiet sind spanische Untersuchungen, welche die abendliche Gabe von blutdrucksenkenden Medikamenten auf die Blutdruckkontrolle und das kardiovaskuläre Outcome untersuchten. Mit dem Hinweis auf bessere Ergebnisse durch eine abendliche Einnahme der Blutdruckmedikation schaffte es rezent die HYGIA-Studie bis in viele Boulevardmedien. Die HYGIA-Studie erbrachte im Gegensatz zur bereits 2010 durchgeführten MAPEC-Studie weniger Anlass zur Diskussion über das Studiendesign. Obwohl beide Studien auf einem Open-Label-Design basieren, ist die HYGIA-Studie multizentrisch an 40 Primärversorgungszentrum zwischen 2008 und 2018 durchgeführt worden, wohingegen die MAPEC-Studie nur eine Single-Center-Studie darstellt.
In der HYGIA-Studie wurden Patienten mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren (Männer 55 %, Frauen 45 %; 24 % Patienten mit Diabetes, 30 % mit Nierenerkrankung) eingeschlossen. Zur Diagnose einer arteriellen Hypertonie wurde eine 48-Stunden-Blutdruckmessung, jedoch keine Ordinationsmessung herangezogen. Es zeigten sich neben einer besseren Blutdruckkontrolle weniger kardiovaskuläre Ereignisse in der Gruppe der Patienten mit abendlicher Einnahme ihrer Blutdruckmedikation, wobei als Ursache vor allem die bessere Blutdruckeinstellung in der Nacht gezeigt werden konnte. Kein Unterschied zeigte sich zwischen der Tag- und Nachteinnahme bei Angiotensinrezeptorblockern und ACE-Hemmern, jedoch ein signifikanter bei der Verabreichung von Betablockern und Diuretika zu unterschiedlichen Tageszeiten. Aufgrund dieser Ergebnisse kann eine nächtliche Einnahme bei geeigneten Patienten überlegt werden, bei Patienten mit Non-Dipper-Status wahrscheinlich auch empfohlen werden. Um die abendliche Einnahme der Blutdruckmedikation als Standardtageszeit festzulegen, fehlen jedoch noch randomisierte kontrollierte klinische Studien.8
Als Alternative zu einer medikamentösen Therapie konnten schwedische Forscher nach einer Analyse der Teilnehmer des berühmten Wasa-(Lang)laufs Registerdaten von über 200.000 Laufteilnehmern knapp 500.000 Nichtskilangläufern gegenüberstellen. Die Probanden waren im Durchschnitt knapp 39 Jahre alt und konnten hinsichtlich einer Hypertoniemanifestation mit einem schwedischen Patientenregister abgeglichen werden. Erstaunlicherweise zeigte sich bei dem Fünftel der Läufer mit den besten Zeiten beim Wasalauf im Vergleich zu Nichtläufern ein um 61 % reduziertes Bluthochdruckrisiko. Selbst das schwächste Fünftel der Läufer hatte ein um 25 % reduziertes Risiko gegenüber Nichtlangläufern. Als zusätzliche Erklärung sollte bedacht werden, dass ein insgesamt besserer Lebensstil von Langläufern gegenüber einer unsportlicheren Bevölkerungsgruppe nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.9
Auf dem Gebiet der renalen Denervation gibt es eine neue, kleine Studie bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern und arterieller Hypertonie. Es zeigte sich, dass neben der klassischen kardialen Katheterablation zusätzlich eine renale Denervation zu einem signifikant symptomfreieren Intervall bei den Patienten führte, welche ablatiert und zusätzlich renal denerviert wurden. Aufgrund der kleinen Zahl der behandelten Patienten sind hier größere Studien notwendig.10 Die Hypothese, dass vor allem Patienten mit isoliert systolischer Hypertonie von einer renalen Denervation profitieren könnten, wurde in der RADIOSOUND-HTN-Studie relativiert.11
Die HOPE-Studienserie beschäftigt sich mit Auswirkungen von therapeutischen Interventionen auf das kardiovaskuläre Risiko.
Die aktuell publizierte HOPE-4-Studie präsentiert den Einfluss einer intensivierten Betreuung von Hypertonikern durch Hausärzte, speziell geschultes Pflegepersonal und Anpassung an den lokalen Kontext auf eine optimierte Blutdruckeinstellung sowie das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko. Es zeigte sich hierbei nach 12 Monaten ein signifikant besseres Ergebnis in der Betreuungsgruppe mit einem Unterschied von über 11 mmHg sowie einer Reduktion des Framingham-Risikoscores für ein kardiovaskuläres 10-Jahres-Erkrankungsrisiko von 5 % verglichen mit der Kontrollgruppe.12
Da in den letzten Jahren auf dem Gebiet der arteriellen Hypertonie keine medikamentösen Therapien für Neuigkeiten gesorgt haben, wurde vermehrt auf eine evidenzbasierte Konsolidierung der Diagnostik, der Zielwerte und der Therapieschemata geachtet. Die Einnahme der antihypertensiven Medikation zur Nacht, regelmäßiger Ausdauersport und engmaschige professionelle medizinische Betreuung von Hypertoniepatienten zeigen signifikante Verbesserungen in der Blutdruckeinstellung.