Laut einer aktuellen Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung und der Diakonie sind rund 27.000 Personen in Österreich nicht krankenversichert.1 Dazu zählen Menschen, die in Österreich noch nie krankenversichert waren, v. a. aber auch Menschen, die temporäre Versicherungslücken aufweisen. Da ist z. B. Frau K. in prekärer Beschäftigung, da ist Herr G. in einer schweren psychischen Krise, da sind Hilfesuchende wie Frau L., die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen, da ist Herr B., der hier unangemeldet am Bau arbeitet, da ist Frau M., die nach längerem Auslandsaufenthalt zurückkehrt.
Speziell für soziale Randgruppen, wie Menschen in Armut und Wohnungslosigkeit, ist ein Arztbesuch mit vielen Hürden verbunden. Wohin können sich diese Menschen wenden, wenn sie krank sind? Im Notfall natürlich an Rettung und Krankenhaus, wo jeder versorgt wird, unabhängig davon, ob er eine Krankenversicherung hat oder nicht. Allerdings wird nichtversicherten Patienten die Behandlung im Nachhinein in Rechnung gestellt, was für viele dieser Menschen große Probleme mit sich bringt.
Abseits von medizinischen Notfällen bieten in Wien drei Organisationen niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung: AmberMed, neunerhaus und Louisebus. Die drei Einrichtungen haben unterschiedliche Versorgungsschwerpunkte und Strukturen.
AmberMed, ein Kooperationsprojekt der Diakonie und des Österreichischen Roten Kreuzes, konzentriert sich auf die Versorgung unversicherter Patienten. Die medizinischen Leistungen werden fast ausschließlich von ehrenamtlich tätigen Ärzten durchgeführt – 2019 engagierten sich 54 Ärzte ehrenamtlich bei AmberMed. Unterstützt werden diese von ebenfalls ehrenamtlich tätigen Dolmetschern und medizinischen Assistenten. 2019 wurden an 226 Ordinationstagen 3.312 unversicherte Patienten medizinisch versorgt, 1.749 dieser Patienten kamen erstmals zu AmberMed. 485 Patienten waren unter 18, fast 200 unter 6 Jahre alt.2 Eine maßgebliche Ressource für unversicherte Menschen, die meist in prekären Verhältnissen leben und über geringe finanzielle Mittel verfügen, ist die Medikamentenhilfe des Österreichischen Roten Kreuzes. Zudem unterstützen 80 Kooperationspartner die Arbeit von AmberMed, indem sie Diagnostik, Laboruntersuchungen und fachärztliche Expertise bzw. medizinische Sachleistungen kostenfrei bereitstellen. Neben medizinischer Leistung erhalten die Patienten auch Unterstützung dabei, eine (Wieder-)Versicherung zu erwirken.
neunerhaus wird vom Fonds Soziales Wien gefördert und kümmert sich speziell um obdachlose und wohnungslose Menschen. Obwohl diese Menschen teilweise versichert sind, fällt es ihnen aufgrund ihrer Lebenssituation schwer, in eine normale Ordination zu gehen, oftmals aus Schamgefühl. Im neunerhaus Gesundheitszentrum erhalten diese Menschen – unabhängig vom Versicherungsstatus – kostenlose medizinische Hilfe (Allgemeinmedizin, Wundversorgung, Zahnarztpraxis) und niederschwellige sozialarbeiterische Beratung, dank Videodolmetsch in vielen Sprachen. Für die weitere Versorgung nichtversicherter Patienten kann neunerhaus zudem auf ein ehrenamtliches Fachärzte-Netzwerk zurückgreifen. Zusätzlich sind die neunerhaus Mobilen ÄrztInnen in ganz Wien im Einsatz. Sie kümmern sich um Menschen in 27 Wohnhäusern und Tageszentren. Für das Jahr 2019, in dem neunerhaus sein 20-jähriges Bestehen feierte, wurden folgende Zahlen veröffentlicht: 5.298 Patienten wurden im neunerhaus Gesundheitszentrum behandelt bei insgesamt 34.896 Arztbesuchen. Davon wurden mehr als 2.000 Behandlungen durch Videodolmetsch unterstützt. In der neunerhaus Zahnarztpraxis wurden im letzten Jahr 1.875 Patienten versorgt. Die neunerhaus Niederschwellige Sozialarbeit hatte 5.633 Gesprächstermine mit Patienten.3 Die medizinische Versorgung bei neunerhaus wird vor allem von hauptamtlichen Ärzten und Krankenpflegern sowie ehrenamtlichen Zahnärzten übernommen.
Der Louisebus der Caritas, ein zu einer Miniambulanz umgebauter Kleinbus, bietet unkomplizierte und kostenlose Hilfe bei gesundheitlichen Problemen – Zielgruppe sind in erster Linie obdachlose Menschen. An fünf Tagen in der Woche hält der Medizinbus an unterschiedlichen fixen Plätzen in Wien. Ärzte und freiwillige Mitarbeiter betreuen dort vor Ort jene Menschen, die den Weg in eine Ordination oder Ambulanz aus unterschiedlichen Gründen nicht schaffen, auch ohne Krankenschein. 2019 wurden knapp 7.500 Behandlungen im Louisebus durchgeführt. Über 2.200 Menschen wurden betreut – die meisten von ihnen waren obdachlos und ohne e-card.