Der Rheuma-Orthopäde ist auf Basis seiner Ausbildung mit Kenntnis der pathognomonischen Veränderungen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen und zu erwartender biomechanischer Folgen von Entzündungsschüben in der Lage, einerseits präventiv konservative Maßnahmen zu empfehlen, die eine Progredienz oder das Auftreten von Fehlstellungen verhindern sollen, andererseits chirurgisches Eingreifen anzubieten, das Fehlstellung, Fehlentwicklung und Destruktion sanieren kann.
Dieser rheuma-orthopädische Zugang soll nicht als Konkurrenz zur intern-rheumatologischen medikamentösen Behandlung gesehen werden, sondern stellt vielmehr eine Komplettierung bzw. einen Bestandteil der ganzheitlichen Behandlung des Rheumapatienten dar.
Prinzipiell sind es zwei Gruppen von Patienten, die einer operativen Behandlung bedürfen: erstens Patienten mit offensichtlicher und therapieresistenter Schwellung, Schmerz und zunehmender Bewegungseinschränkung und/oder Fehlstellung verursacht durch Synovitis, Bursitis, Gelenkergüsse und radiologischer Progression von Knorpelverlust und Usurierung und zweitens eine Gruppe von gut auf ihre Medikation ansprechenden Patienten, die schmerzfrei sind.
Die erste Gruppe rekrutiert sich aus Patienten mit fehlendem Therapieansprechen, Therapieabbrechern und auch nur oligoartikulären Residuen trotz guten medikamentösen Ansprechens; in diesen Fällen ist die Entscheidung zu einem operativen Vorgehen entsprechend der Destruktionsgrade leicht indizierbar. Die Wahl der Eingriffe richtet sich nach der Gelenksituation und berücksichtigt Gelenkstellung, Knorpelzustand und Bandverhältnisse. Entsprechend den radiologischen Scores (Larsen- Dale-Eyk) kann man zwischen gelenkerhaltenden und rekonstruktiven Eingriffen wählen. Die Situation des Patienten führt in der Regel zu einer orthopädischen Beratung, die – eine gute medikamentöse Einstellung vorausgesetzt – die Operation ermöglicht.
Schwieriger erscheint dies bei der Gruppe der „Responder“. Die hohe Effizienz der medikamentösen Behandlung der rheumatoiden Arthritis durch Verwendung einer balancierten Basistherapie unter Ergänzung von Biologika ermöglicht den Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Morbus Bechterew in der Regel eine hohe Lebensqualität. In dieser Gruppe der Responder-Patienten muss trotz ausgezeichneter Laborparameter und subjektiver Schmerzfreiheit der Patienten allerdings auf das Bestehen biomechanisch relevanter Veränderungen im Sinne eines Folgeschadens nach Auftreten von Synovitiden, Gelenkergüssen oder Bursitiden, noch vor Erkennung der Erkrankung oder vor Eintreten des Therapieeffekts, hingewiesen werden. Dies betrifft in der Regel Veränderungen im Bereich der Hand, hier vor allem des Handgelenks und des Vorfußes.
Diese werden präventive Eingriffe genannt, da das Gelenk dabei als solches in seiner anatomisch-funktionellen Gesamtheit erhalten bleibt – dies erklärt auch, warum diese Eingriffe möglichst früh durchgeführt werden sollten. Der klassische präventive Eingriff ist die Synovektomie, wobei gerade diese unter dem Einfluss der stark die Synovitis reduzierenden Biologika deutlich seltener geworden ist. Trotzdem bleibt die Wertigkeit vor allem an der nicht belasteten oberen Extremität erhalten, wo an Schulter-, Ellenbogen-, Handund Fingergelenken auch in relativ späten Röntgenstadien noch gute Erfolge mit einer Synovektomie erzielt werden können.
Die chemische Synoviorthese oder Radiosynoviorthese hat nach wie vor ihren Stellenwert bei persistierender Schwellung eines Gelenks ohne Begleitdeformation und wird routinemäßig als Ergänzung nach arthroskopischer Synovektomie 4–6 Wochen postoperativ eingesetzt, um eine möglichst 100 %ige Synovitis-Resektion bzw. -Reduktion zu erzielen.
Synovektomie: Bei der Synovektomie wird das Stratum synoviale (Gelenkinnenhaut) möglichst radikal entfernt, wodurch die entzündlich veränderte Gewebsschicht, die das Zielorgan der Entzündung ist, adressiert wird. In der Folge kann dies dazu beitragen, dass der Medikamentenbedarf reduziert werden kann. Die Synovektomie kann Gelenke und Sehnen und deren Gleithüllen betreffen und auch dazu verwendet werden, Muskeldysbalancen, wie Knopfloch- oder Schwanenhalsdeformitäten gleichzeitig durch Sehnentransfers zu beeinflussen.
Eine höhere Patientencompliance ist auch durch die regionsdeckende Anwendung der Arthroskopie mit der „Schlüsselloch“-Synovektomie zu verzeichnen, da eine höhere Bereitschaft zur Arthroskopie als zur offenen Synovektomie zu finden ist. Dies erstreckt sich auch auf das Kniegelenk, das so als einziges Gelenk der unteren Extremität bei Schmerz und Ergüssen meist rechtzeitig einer Synovitisreduktion zugeführt wird. Anders verhält es sich im Bereich des Hüftgelenks, wo die Ergebnisse der Synovektomie (sowohl offen als auch arthroskopisch) nicht mit den Ergebnissen der Endoprothese mithalten können. Beim Sprunggelenk wiederum handelt es sich selten um isolierte Synovitis im Gelenk, vielmehr ist die Peroneal- und Tibialis-posterior-/ Flexor-hallucis-Loge betroffen, so dass meist eine offene Synovektomie dieser Bereiche kombiniert werden muss.
Umstellungsosteotomie: Dabei werden Achsabweichungen durch Keilentnahme oder sich öffnende Osteotomien vorgenommen, die zu einer Normalisierung der Gelenkdruckverhältnisse beitragen. Vorrangig findet dies beim Genu valgum oder varum statt. Banddestruktionen mit sekundärer Fehlstellung sind dadurch allerdings überfordert.
Diese rekonstruieren die Funktion eines Gelenks in der Regel durch Ersatz, Arthrodese oder Arthroplastik. Dabei wird ohne Rücksicht auf die Anatomie des Gelenks bei schwer zerstörten oder deformierten Gelenken die Resektion des Gelenks durchgeführt und funktionelle Gelenkverhältnisse durch Ersatz mit einem Kunstgelenk durchgeführt. Dies vor allem an Hüft-, Knie-, Schulter- und Fingergelenken.
Arthroplastik: Einige Regionen sind jedoch durch einfache Resektion von Gelenkanteilen dauerhaft behandelbar, wobei zwar die anatomische Situation aufgegeben wird, andererseits aber eine Restfunktion erhalten bleibt. Klassische Vertreter dieser Arthroplastik sind die Ulna- und Radiusköpfchenresektion ebenso wie die Metatarsalköpfchenresektion schwer zerstörter bzw. luxierter Metatarsalköpfchen.
Arthrodese: Andere Gelenkregionen wiederum sind durch Stabilisierung ohne wesentlichen Funktionsverlust gut behandelbar. Dies wird durch Arthrodese erzielt und betrifft vor allem distale Interphalangealgelenke, das Daumengrund- und IP-Gelenk, das Sprung- und das Handgelenk. Wobei für letzteres auch eine Kunstgelenkversorgung ebenso wie für das obere Sprunggelenk möglich ist, die allerdings noch nicht die Standzeiten einer Knie- oder Hüftendoprothese aufweisen und somit nur bei gezielter Indikation und ausreichender Patientencompliance angewendet werden sollten.
Im Fall der rekonstruktiven Operationen nimmt die funktionelle Operation mit Teilverlusten der Gelenkfunktionen eine besondere Stellung ein, da sie teilweise auch präventiven Charakter aufweist. Die Teilversteifung oder Teilresektion im Sinne einer Arthroplastik kann hier die Progredienz einer biomechanisch relevanten Veränderung stoppen, gleichzeitig Stabilität vermitteln und trotzdem noch eine Restfunktion des Gelenks ermöglichen. Die Art und Weise der möglichen Eingriffe ist natürlich gelenkspezifisch, die regionalen Operationsmöglichkeiten sind in der > Tab. dargestellt.
Diese Gruppe von Eingriffen ist vor allem für Patienten mit gutem Therapieansprechen wesentlich, da ein schmerzarmer Patienten kaum zu einer Handgelenk-Arthrodese überredet werden kann, aber bei entsprechender Aufklärung einer Teilarthrodese radiolunär zustimmen würde, die ihm Restmobilität im Flexions-/Extensionssinne ermöglicht und eine weitere Progredienz der palmaren Handgelenkinstabilität verhindert und somit auch präventiv wirksam wäre.
Ähnliches gilt auch für den Vorfuß, wo eine Metatarsalumstellungsosteotomie und frühe Arthrodese des Großzehengrundgelenks die Metatarsalköpfchenresektion verhindern kann. Auch eine beim Screening entdeckte C1/2-Instabilität ohne Symptomatik sollte im Sinne einer einsegmentalen Fusion frühzeitig operiert werden – dies mit dem Ziel, mehrsegmentale Folgeinstabilitäten zu vermeiden.
Ergänzend muss angemerkt werden, dass bei Patienten mit Morbus Bechterew neben der Gelenkbeteiligung natürlich hauptsächlich die Situation der Wirbelsäule zu berücksichtigen ist. Hier ist in der Regel die Blickdistanz des Patienten therapierelevant, die nach eingehender Beratung durch Osteotomie der Wirbelsäule verändert werden kann.