Mitarbeit an neuen deutschen S3-Leitlinien
In Deutschland neigt sich die Erstellung einer evidenzbasierten Leitlinie zum Thema Antibiotic Stewardship im Krankenhaus dem Ende zu. Das unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie erarbeitete Dokument entstand in Mitarbeit von Experten der österreichischen ABSGROUP in Kooperation mit anderen Fachgesellschaften aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Es soll Mitte 2012 formal als S3-Leitlinie der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF Nr. 92 /01) erscheinen. Somit wird – erstmalig für den gesamten deutschsprachigen Raum – ein Konsensuspapier zum Thema „Hospital Antibiotic Stewardship“ vorliegen. Wenngleich die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften für Ärzte rechtlich nicht bindend sind, so besteht für derartige systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen großer Bedarf. Mit einer Novellierung des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) wurde nämlich 2011 Antibiotic Stewardship in Deutschland für Krankenhäuser zur gesetzlichen Verpflichtung. Die Leiter von Krankenhäusern haben dort nun sicherzustellen, dass „Daten zu Art und Umfang des Antibiotika-Verbrauchs fortlaufend in zusammengefasster Form aufgezeichnet, unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation bewertet und sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika gezogen werden und dass die erforderlichen Anpassungen des Antibiotikaeinsatzes dem Personal mitgeteilt und umgesetzt werden“. Es ist davon auszugehen, dass in den grenznahen Krankenanstalten Westösterreichs, wo bis zu 10 % der Patienten aus dem benachbarten Ausland kommen, Antibiotic Stewardship zunehmend zu einem Qualitätserfordernis im Wettbewerb um den Kunden Patient wird.
Seminar zur ABS in der Geriatrie
Hauptbetroffene vom Auftreten Antibiotikaresistenter Erreger sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, multimorbide alte Menschen. Eine reduzierte Immunantwort, Spitalsaufenthalte, Implantate und Eintrittspforten sowie wiederholte Antibiotikagaben sind klassische Risikofaktoren für die Selektion resis – tenter Erreger. Multiresistente Kokken, heute noch mehrheitlich Staphylokokken (Methicillin- resistenter S. aureus), aber zunehmend auch Enterokokken (Vancomycin-resistente E.) und die zurzeit zunehmend häufiger nachzuweisenden Cephalosporin- und Chinolon-resistenten Enterobakterien verkomplizieren den Einsatz von Antiinfektiva, erhöhen das Risiko sowohl von Therapieversagen als auch Substanztoxizität und verteuern die Behandlungskosten. Einhalten der Hygienemaßnahmen während der Spitalsaufenthalte, um den Erregertransfer zu verhindern, der Einsatz neuer molekulargenetischer Methoden, um die Anwesenheit resistenter Erreger rasch zu detektieren, und der kritische Umgang mit Antibiotika sind die wesentlichen Maßnahmen, um die Resistenzsituation in den Griff zu bekommen.
Aus diesen Überlegungen heraus hat die ABSGROUP im letzten Jahr erstmals auch ein Antibiotic-Stewardship-Seminar für Kollegen, die sich auf das Management geriatrischer Patienten spezialisiert haben, durchgeführt. Das ganztägige Seminar besteht aus zwei Teilen: im ersten werden Grundlagen der Infektionsdiagnostik beim alten Menschen abgehandelt, ein Überblick über die wichtigsten resistenten Erreger gegeben und auf Besonderheiten in der antiinfektiven Therapie eingegangen. Danach werden die einzelnen Infektionsgruppen, darunter Infektionen der Atemwege und des Harntrakts bis hin zu den Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen, die ja beim alten Menschen eine besondere Rolle spielen, besprochen. Geplant ist, dieses Seminar 2-mal jährlich anzubieten. Details findet man auf der Homepage der ABSGROUP (www.abs-group.at).
ABS-Verständnis der ABSGROUP
Definition: Antibiotic Stewardship
• ABS ist eine Qualitätsmanagement-Aufgabe.
• ABS beinhaltet jene Organisations-, Personalentwicklungs-, Controlling- und Marketing-Maßnahmen, die einen adäquaten Einsatz von Antiinfektiva (Antibiotika, Antimykotika, Virostatika, Antiprotozoika und Antihelminthika) sichern sollen.
• Durch ABS werden Beiträge zur Patientensicherheit, Kostenreduktion und zur Reduktion von Resistenzen geleistet.
• ABS basiert auf einem multidisziplinären Ansatz. Sowohl die Fachbereiche Infektiologie, Pharmazie, Mikrobiologie, Hygiene und Pflege als auch Organisation, Personal, IT, Marketing sowie Projekt- und Changemanagement tragen zu einer erfolgreichen ABS bei.
ABS in Krankenanstalten
• Kontinuierliche ABS-Maßnahmen einer Krankenanstalt sind z. B. die ABS-Fortbildung, die Organisation der patientenbezogenen Beratung von ÄrztInnen bezüglich des Antiinfektiva- Einsatzes, ABS-Erfahrungsaustausch und das Antiinfektiva- Verbrauchscontrolling.
• Periodische ABS-Maßnahmen im Krankenhaus sind die Definition von ABS-Zielen, die personelle Besetzung des ABS-Teams, Adaption von AB-Listen, von Therapieempfehlungen und von Informationsbroschüren für PatientInnen.
• Einmalige ABS-Maßnahmen sind die Implementierung bzw. die Optimierung der ABS-Strukturen in einer Krankenanstalt.
Implementierung bzw. Optimierung von ABSStrukturen in Krankenanstalten
• Etablierung eines ABS-Teams und von ABS-Kommunikationsstrukturen
• Erstellung von AB-Listen, von Therapieempfehlungen, von Organisa tionsanweisungen und von Checklisten zum AB-Einsatz
• Definition von ABS-Qualitätsindikatoren
• Entwicklung von Berichten zum Controlling des Antiinfektiva- Verbrauchs
• Optimierungen von ABS-Strukturen auf Grundlage von ABS-Audits
Etablierung eines ABS-Teams
• Erst durch die Institutionalisierung einer spezifischen Organisation werden Strukturen geschaffen, die den effizienten Antiinfektiva- Einsatz langfristig fördern.
• Das ABS-Team sollte folgende Rollen beinhalten: AB-Beauftragte/-r, AB-AnsprechpartnerInnen von ausgewählten Abteilungen (innere Medizin, Chirurgie etc.), MikrobiologIn, KH-ApothekerIn, MitarbeiterInnen der Pflege und des Qualitätsmanagements.