Die Weltgesundheitsorganisation hat die Adipositas bereits in den 1980er-Jahren als Erkrankung anerkannt. Zeitgleich sind international Fachgesellschaften entstanden, die sich der Thematik gewidmet haben. Unser geliebtes Heimatland tickte da anders: Adipositas wurde maximal (wenn überhaupt) als „kosmetisches Problem“ verstanden und das Gesundheitssystem – welche Ignoranz! – hat die Thematik in den Bereich der „Eigenverantwortung“ von Menschen abgeschoben. Damals wie heute ist dieses wichtige Gesundheitsproblem daher ein Stiefkind unseres Gesundheitssystems.
Die Österreichische Adipositas Gesellschaft feiert heuer ihren 15. Geburtstag: Im Februar 1997 haben sich einige „unverbesserliche“ Professoren (Geyer, Hoppichler, Lechleitner, Ludvik, Toplak, Wascher) gegen den Widerstand zahlreicher Experten daran gemacht, das Thema „Adipositas“ in Österreich auf eigene Beine und damit auf eine breitere Basis zu stellen – viele sahen das Thema, wenn überhaupt, als „kleinen Teilaspekt“ der Endokrinologie. Die Österreichische Adipositas Gesellschaft (ÖÄG) ist seitdem stetig angewachsen und hat nunmehr fast 200 Mitglieder aus vielen Fachrichtungen – von der Pädiatrie über die Innere Medizin bis zu Public Health – und natürlich den Disziplinen der Diätologie und der Ernährungswissenschaften.
So hat sich die Betrachtungsweise vom individuellen Problem auch auf die „Makroebenen“ der biopsychosozialen Dimension bis hin zum Stellenwert für das Gesundheitssystem und die Gesundheitspolitik erweitert. Die Gesellschaft ist sehr aktiv und versucht auf allen Ebenen, Aufklärung zu leisten. Seit einigen Jahren haben wir auch die sogenannte „Adipositasakademie“ begründet, die in 4 Modulen eine Übersicht über die wichtigsten Themen der Betreuung Adipöser gibt und somit zwar noch keine Ausbildung zum „Adipositasarzt“, aber zumindest eine solide Basisinformation vermittelt.
Die Gegenwart und die Zukunft: In den letzten Jahren hat sich die Sozialversicherung ausschließlich für die Finanzierung der Adipositaschirurgie (in der Regel ab einem BMI von 40 kg/m2, bei Diabetes manchmal schon ab 35 kg/m2) und – schon zögerlicher – der nachfolgend erforderlichen plastisch-chirurgischen Operationen entschlossen. Dabei wird aber übersehen, dass jeder Patient, der sich für so eine Operation entscheidet, lebenslang konservativ betreut werden muss, in der Regel internistisch und verhaltenstherapeutisch. Aber auch jeder andere Adipöse verdient eine adäquate Betreuung. Die zum Teil geübte Auslagerung der Betreuung einzelner Patienten in Reha-Zentren kann punktuell helfen bzw. ein Beginn sein, muss aber ebenso mit kontinuierlicher, regelmäßiger Betreuung bei entsprechenden Spezialisten assoziiert werden. Hier wäre ein Disease-Management-Programm (DMP) noch viel wichtiger als bei Diabetes mellitus.
Außer der Chirurgie und der Verhaltenstherapie wird auch die pharmakologische Therapie wieder eine Zukunft haben: Neben dem derzeit einzigen unterstützenden Medikament Orlistat (erhältlich als Xenical® 120 mg bzw. rezeptfrei als Alli® 60 mg) hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde mit Lorcaserin und einer Fixkombination von Topiramat und Phentermin zwei Produkte zugelassen, deren Zulassung auch in Europa bevorsteht. Ob das Antidiabetikum Liraglutid (Victoza®), das eine gute Studienlage auch bei Adipositas hat, in dieser Indikation erhältlich sein wird, ist aber ebenso noch offen wie das Problem der Finanzierung der medikamentösen Adipositastherapie durch die Sozialversicherung.
Auf zu neuen Ufern! Das Ziel der ÖAG wird es daher sein, sich proaktiv in diese medizinischen und gesellschaftlichen Fragen einzubringen. Wir tun dies aber nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in der Europäischen Adipositas Gesellschaft (EASO). Wir durften bereits 2001 den Europäischen Adipositaskongress (ECO) in Wien veranstalten, und viele Vorstandsmitglieder der ÖAG waren in den Gremien der EASO tätig. Als Honorierung dieser Bemühungen wurde der Autor dieser Zeilen im Mai zum „President-elect“ der EASO gewählt (2012–2015) und wird in den Jahren 2015–2018 die Ehre haben, die Gesellschaft zu führen.
Kontaktadresse
Österreichische Adipositas Gesellschaft
Geschäftsführerin: Simone Posch
Währinger Straße 76/13, 1090 Wien
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