Adäquate pharmakologische und apparative Therapie, systematische Patientenschulung, intensivierte pflegerische Betreuung – Palliativtherapie bei Herzinsuffizienz

Mit zunehmendem Alter der westlichen Bevölkerung rücken palliative Ansätze – eigentlich eine onkologische Domäne – mehr und mehr in den Vordergrund anderer internistischer Disziplinen. Dies betrifft insbesondere die Herzinsuffizienz. Die Mortalität ist vergleichbar oder gar höher als bei den meisten onkologischen Erkrankungsbildern. Häufige Hospitalisationen sowie eine bis auf das Minimum reduzierte Leistungsfähigkeit drängen die hohe Sterblichkeit oft sogar in den Hintergrund. Im Unterschied zu den onkologischen

Erkrankungen verläuft die Herzinsuffizienz mit hohem Leidensdruck über einen längeren und individuell nicht absehbaren Zeitraum. Unterschiedlich zu den meisten onkologischen Erkrankungen ist weiters die hohe Prävalenz an Komorbiditäten, da aus der Herzinsuffizienz viele zusätzliche Erkrankungen, wie Niereninsuffizienz, Diabetes, COPD, Verdauungsstörungen etc. resultieren.
Durch die zusätzliche demografische Tatsache, dass die HI eine Erkrankung des höheren Alters darstellt, ist der behandelnde Arzt nur im Hintergrund mit dem Wunsch nach einer
Lebensverlängerung konfrontiert. Vorrangig geht es oft um eine Verbesserung der
Lebensqualität. Zu dieser Verbesserung gehört eine verbesserte Leistungsfähigkeit, um sich die Selbstständigkeit zu erhalten und eine erhöhte Mobilität, vor allem auch um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten. Nicht zu unterschätzen ist als dritte Komponente die Auseinadersetzung mit der Erkrankung als nicht temporäre fremde Erscheinung, sondern als permanenter Teil des restlichen Lebens. Das Kennenlernen der Erkrankung und die Auseinandersetzung mit dem Tod sind dabei wichtige Komponenten.

Frühzeitige Palliation: Aufgrund dieser Aspekte hat sich 2009 ein Team von Herzinsuffizienzspezialisten aus unterschiedlichsten Disziplinen ein Positionspapier erstellt. Wenn dieses auch hinsichtlich konkreter Vorschläge zurückhaltend ist, stellt dieses doch einen guten ersten Ansatz dar.
Vor allem für jene Kardiologen, die mit der Palliativtherapie wenig vertraut sind, wird noch einmal auf die Definition hingewiesen (> Tab.). Entscheidend drückt hier Punkt 9 aus, dass Palliation nicht erst beginnt, wenn kurative oder adjuvante lebensverlängernde Therapien nicht mehr möglich oder erwünscht sind. Es geht demgemäß um parallele und nicht um konkurrierende Ansätze. Alles andere stellt terminale oder end-of-life care dar. Von diesem Standpunkt aus gesehen verbirgt sich implizit bereits sehr viel Palliation in der Betreuung herzinsuffizienter Patienten.

Medikamentöse und apparative Therapien: Die Reduktion von Symptomen und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Herzinsuffizienz steckt in fast allen medikamentösen und apparativen Therapien. Daher ist die Gabe und adäquate Dosierung der Standardtherapie eine palliative Therapie und sollte gerade älteren und multimorbiden Patienten verschrieben werden. Eine mangelnde Verschreibung heißt nicht nur Vermeidung von Lebensverlängerung, sondern auch Einbußen in der Lebensqualität. Das Gleiche gilt für die apparative Therapie, wie etwa die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) mit ihrer herausragenden Wirkung in der Steigerung der Mobilität. Lediglich der implantierbare Defibrillator (AICD) hat eine ausschließlich lebensverlängernde Zielvorgabe unter Inkaufnahme von Lebensqualitätseinschränkungen (z. B. aufgrund von Infektionen,
Operationen, Hospitalisation, inadäquaten Schocks).
Dies gehört bei jeder Implantation mit dem Patienten diskutiert. Auch dass möglicherweise der AICD eine terminale Phase mit massivem Leidensdruck erst ermöglicht, ist zu besprechen. Der vorzeitige plötzliche Herztod stellt für den Patienten vielleicht eine “angenehmere” Art des Todes dar als die progrediente Hypoxie in Unselbständigkeit und sozialer Vereinsamung. Dadurch, dass die Therapie der HI zumeist palliativ und lebensverlängernd wirkt, unterscheidet sie sich massiv von der onkologischen Therapie, wo Lebensverlängerung oft auch durch Lebensqualitätseinbußen erkauft werden muss.

Konsequente Trainingsprogramme zielen in die gleiche Richtung. Hier
ist aber die verbesserte Leistungsfähigkeit eindeutig im Vordergrund. Wenige
Studien haben eine Lebensverlängerung, fast alle eine Steigerung der
Lebensqualität gezeigt. Obwohl solche Programme in Österreich vom
Sozialversicherungsträger refundiert werden, ist das Angebot derzeit so gering,
dass hier von einer Implementierung nicht gesprochen werden kann.

Disease-Management-Programme: Die entscheidende Komponente für Palliation in der Herzinsuffizienz stellen sicher Disease-Management-Programme dar. Hier haben sich in den letzten 10 Jahren zahlreiche unterschiedliche Programme entwickelt, welche jedoch nur sehr limitiert in Europa oder den USA implementiert worden sind. Auch hier stellen wieder einmal die skandinavischen Länder eine Ausnahme dar.
Wie gesagt sind diese Programme sehr unterschiedlich, haben zumeist aber zwei gemeinsame Komponenten: die Interdisziplinarität und die Schulung der Patienten und Angehörigen. Die Tabelle zeigt, dass es sich hier um Kernpunkte der palliativen Behandlung handelt. Die Schulung der Patienten und Angehörigen führt zu einer deutlichen Zunahme in der Compliance und der Akzeptanz der Erkrankung. Diese Schulungen werden zumeist von der Pflege bzw. von Psychologen und Ernährungsspezialisten im Team durchgeführt. Der Arzt steht eher im Hintergrund. Aus unterschiedlichen Untersuchungen hat sich allerdings gezeigt, dass der Schulungserfolg rapide mit Beendigung des Programms zurückgeht. Daher erscheint eine permanente Betreuung in diesem Zusammenhang eminent wichtig.

HI-Ambulanzen/geschulte Heimpflege: Dem tragen auch die Herzinsuffizienzambulanzen in Österreich Rechnung, wo eine speziell geschulte Pflegekraft verpflichtend ist. Allerdings hat auch hier die Realität noch nicht die österreichischen Richtlinien eingeholt. Historisch geht das Prinzip von Skandinavien aus, wo sogar der Hauptteil der Betreuung von HI-Patienten von der Pflege übernommen wird. Von ärztlicher Seite wird lediglich eine routinemäßige Therapievorschreibung erstellt und supervidierend begleitet. Nur komplexe Fälle finden den Weg zu einer intensivierten ärztlichen Betreuung. Naturgemäß führt ein solches Prinzip zu einem verstärkten Einsatz von pflegerischen Elementen in die Betreuung. Eine konsequente Weiterentwicklung war die Idee, die Betreuung nach Hause zu verlagern. Eine mit Kompetenzen gestärkte Pflegekraft schult den Patienten und betreut ihn durch direkte Heimbesuche. Hier ist naturgemäß der Kontakt zu Angehörigen gegeben. Individuelle Probleme in der Führung des Lebensalltags können exploriert und in einem Teamansatz mit dem praktischen Arzt, dem Facharzt, den Sozialversicherungsträgern, sozialen Einrichtungen und Angehörigen gelöst werden. Durch die regelmäßigen Besuche kann eine permanente Nachschulung erfolgen, sodass der Schulungserfolg erhalten bleibt. Selbstverständlich muss auch hier im Hintergrund der behandelnde HI-Spezialist supervidierend im Spiel bleiben, um medizinische Probleme antizipieren zu können. Hier sind entsprechende Algorithmen entwickelt worden, um dies zu ermöglichen. Solche Programme wurden auch in Österreich federführend mitentwickelt bzw. in Eigeninitiative ohne offizielle Unterstützung betrieben. Die Unterstützung von verantwortlichen Sozialversicherungsträgern ist derzeit sicher eine eher moralische, obwohl sich hier offenbar inzwischen mehrere Bundesländer mehr als interessiert gezeigt haben. In solchen Disease-Management-Programmen zeigen sich die wesentlichen Elemente palliativer Betreuung. Interessanterweise wurden
in diesem Zusammenhang auch lebensverlängernde Effekte gezeigt, was zwar nicht
die Intention von Palliation ist, aber auch nicht von ihr abgelehnt wird. Ähnliche Effekte konnte man in der Onkologie beobachten, wo konsequent betriebene Palliation einen Überlebenseffekt hatte, der mit der so genannten lebensverlängernden Standardtherapie in diesem Ausmaß nicht erzielbar war.

Fact-Box

Alle pharmakologischen und apparativen Therapieansätze – mit Ausnahme des AICD – haben palliative Komponenten. Insofern muss die entsprechende Therapie bei jedem HI-Patienten adäquat durchgeführt werden.
Systematische Schulung von HI-Patienten fördert nicht nur die Compliance und damit Therapietreue, sondern ist ein wesentlicher Faktor von Palliation. Die Krankheit verstehen heißt mit der Krankheit leben und umgehen zu lernen.
Intensivierte pflegerische Betreuung – ob richtlinienkonform in HI-Ambulanzen oder als spezialisierte Heimpflege – ist eine wesentliche und dem ärztlichen Wirken gleichwertige Komponente in der palliativen Betreuung des HI-Patienten. Entsprechende Schulungen und Implementierungen sind hier in Österreich dringend anzuraten.