Pseudomedizin – nein, danke!

Es gibt nur eine Medizin. Gerade in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurden weltweit unerhörte Anstrengungen unternommen, um die tägliche Arbeit des Arztes auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. „Es gibt gar keinen Zweifel daran, dass bis vor einiger Zeit der Stellenwert der evidenzbasierten Medizin (EBM) noch relativ gering war“, sagte Dr. Fiedler.

Doch das hat sich deutlich geändert. Keine „Eminenz“ („eminenzbasierte Medizin“) kann mehr allein den Ton angeben, was medizinische Handlungsmöglichkeiten angeht. „Was in der modernen Medizin – natürlich auch in der Inneren Medizin – getan wird, sollte so weit wie möglich auf wissenschaftlich fundierter Grundlage geschehen. Das ist kein Widerspruch zu Entscheidungen im individuellen Fall, schon gar nicht ein Widerspruch zu einer Zuwendungsmedizin“, betonte Dr. Fiedler.

Auch Komplementärmedizin – richtig angewendet – kann zum „Werkzeug“ des Arztes gehören. „Ich denke, gerade wir Internisten sind vorwiegend der Meinung, dass Komplementärmedizin durchaus angebracht ist. Auf der anderen Seite sollte die primäre Anwendung von Alternativmedizin hintangestellt bleiben. Es gibt eben nur eine Medizin, die sich unterschiedlicher Möglichkeiten bedient“, betonte der Bundesfachgruppenobmann.

Entschließungsantrag

Im österreichischen Nationalrat – genauer, im Gesundheitsausschuss, der vom FPÖ-Abgeordneten und Apotheker Mag. Gerhard Kaniak (Oberösterreich) geleitet wird – liegt allerdings seit Ende vergangenen Jahres ein Entschließungsantrag, der ein ganz anderes Ziel hat: Per Parlamentsbeschluss soll es zur zwingenden Verankerung einer Integrativen Medizin („Komplementärmedizin“) an den MedUnis, zu staatlicher Förderung von „komplementärmedizinischen Forschungsprojekten“, zur Etablierung eines breiten Angebots in Spitälern (stationärer Bereich, Ambulanzen) etc. kommen.

„Der Antrag wurde am 21. Dezember 2020 von der FPÖ eingebracht, an den Gesundheitsausschuss des Nationalrates verwiesen. Eine Behandlung dort wurde allerdings verschoben“, sagte Dr. Fiedler. Unterstützt wird der Antrag von Unterzeichnern eines Forderungskatalogs der „Initiative Komplementärmedizin an den österreichischen Universitäten“ der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin.

Problematische Konsequenzen

„Wir sind der Meinung, dass es nicht die Aufgabe öffentlich finanzierter Krankenversicherungen ist (in den nächsten Jahren werden deren Einnahmen durch die Corona-Pandemie wahrscheinlich noch dazu sinken), das Geld der Versicherten für nicht nachweislich wirksame Therapien auszugeben. Auch darf es nicht dazu kommen, dass eine Lobbygruppe für Pseudomedizin per Gesetz Universitäten vorschreiben kann, was der Stand der medizinischen Wissenschaft ist“, stellte dazu die „Initiative für Wissenschaftliche Medizin“ fest.

„Man sollte zwischen Komplementär- und Alternativmedizin unterscheiden. Bei schulmedizinischer Vorbegutachtung eines Patienten und bei Wirkungslosigkeit eingesetzter schulmedizinischer Therapiemöglichkeiten können Methoden der Komplementärmedizin natürlich eine Möglichkeit sein“, betonte Dr. Fiedler.

Das ändere aber nichts daran, dass EBM – im Sinne von Evidenz – die Grundlage ärztlichen Handelns sein muss. Der Bundesfachgruppenobmann: „Das, was bei diesem Entschließungsantrag gemeint ist, eine Verpflichtung im ärztlichen Handeln durch Parlamentsbeschluss, kann sehr fatal sein. Dem sollten wir Internisten energisch widersprechen.“

Pseudomedizin per Parlamentsbeschluss an die Universitäten und in die Krankenkassen-Medizin? Der Titel mag „reißerisch“ klingen, die Konsequenzen wären problematisch. Wenn in Zeiten von Sparzwängen an allen Ecken und Enden des Gesundheitswesens auch noch Mittel für teilweise nicht bewiesene Methoden abgezweigt werden, kann das keine positiven Effekte haben. „Auch die Komplementärmedizin muss sinnvoll und sachgerecht untersucht und verwendet werden“, betonte Dr. Fiedler.