Psoriasis und Komorbiditäten

Der Werbeslogan für ein Teershampoo aus den 1960er-Jahren („Stop the itching and scratching that cause the HEARTBREAK OF PSORIASIS“) ist zu einem Slogan für eine neue Krankheitsrealität der Psoriasis geworden: Patienten mit Psoriasis haben ein nachweislich erhöhtes Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen. Diesen neuen epidemiologischen Erkenntnissen sollte in der Betreuung von Patienten mit Psoriasis Rechnung getragen werden.
Lange Zeit wurde die Psoriasis, die immerhin 2 % der Gesamtbevölkerung betrifft, lediglich als lästige und schwer behandelbare Hauterkrankung gesehen, deren Hauptübel – wie besagter Werbeslogan verdeutlicht – vor allem aus Jucken, Kratzen und natürlich auch aus Schuppenbildung und Stigmatisierung bestanden. Diese Perspektive hat sich in den letzten Jahren mit der Zunahme der epidemiologischen Forschung zu dieser Erkrankung deutlich geändert. Einen gewaltigen Boom erlebte die Psoriasisforschung durch die Markteinführung der Biologika, in deren Rahmen durch breit angelegte Studien und Registerdaten ein nie zuvor dagewesenes epidemiologisches Datenvolumen generiert wurde. Dadurch konnte wiederholt die gehäufte Assoziation der Psoriasis mit bestimmten anderen Erkrankungen – so genannten Komorbiditäten – gezeigt werden.

Neue Erkenntnisse zur Pathogenese

Neue Erkenntnisse der Grundlagenforschung haben zu einem Wandel des pathophysiologischen Konzeptes der Psoriasis geführt. Während früher die Erkrankung als Proliferationsstörung der epidermalen Keratinozyten aufgefasst wurde, wird jetzt in der Pathogenese eine komplexe immunologische Dysregulation der Haut in den Vordergrund gestellt. Durch Vermehrung bestimmter T-Helfer-Zellpopulationen (Th1, Th17, Th22) kommt es zu vermehrter Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin(IL)-17 und IL-22, die zu dem klassischen Phänotyp der Psoriasis beitragen. Aus diesem Grund wird Psoriasis auch zu den T-Zell-mediierten Erkrankungen gezählt.

Konzept Systemerkrankung: Auf dem Zusammenspiel zwischen Psoriasis, Komorbiditäten und Gemeinsamkeiten auf zellbiologischer Ebene basiert das pathophysiologische Konzept der Psoriasis als Systemerkrankung. Bei entsprechender genetischer Prädisposition kommt es nicht nur zu einer Entzündungsreaktion im Bereich der Haut und Gelenke, sondern auch zu Insulinresistenz und Atherosklerose sowie weiteren assoziierten Krankheitsbildern.
Epidemiologische Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Psoriasispatienten im Vergleich zur Normalbevölkerung unter einer stark erhöhten Morbidität durch metabolische, kardiovaskuläre und psychiatrische Erkrankungen leiden und diese Komorbiditäten in allen Altersgruppen, also auch bei Jugendlichen, unterdiagnostiziert und untertherapiert werden.
Da bei jüngeren Patienten zumeist die kosmetische Stigmatisierung durch die Psoriasis und die damit einhergehenden psychosozialen Einschränkungen im Vordergrund stehen, kommt dem Arzt eine wichtige Schlüsselrolle in der Erkennung und Diagnose von Komorbiditäten zu. Er kann durch frühzeitige interdisziplinäre Betreuung der Patienten schwerwiegende Spätfolgen verhindern und dadurch die Langzeit-Lebensqualität betroffener Patienten nachhaltig steigern.

Psoriasisarthritis

Seit Langem ist bekannt, dass die Psoriasis der Haut mit einer Arthritis der Gelenke vergesellschaftet sein kann, deren Prävalenz laut neuesten Daten bei ca. 20 % liegt.
Enthesitis, eine Entzündung im Ansatzbereich von Sehnen, Bändern oder des Kapselapparates, gilt als frühes klassisches Merkmal einer Psoriasisarthritis. Ein zusätzliches Erkennungsmerkmal ist die Daktylitis, die Entzündung eines ganzen Fingers oder einer ganzen Zehe.
Weitere Manifestationsformen der Psoriasisarthritis sind der Befall der Interphalangealgelenke (distale interphalangeale Arthritis, DIP-Arthritis), axiale Beteiligung (Spondylarthritis, Sacroiliitis) und im Extremfall Mutilation der befallenen Gelenke (Arthritis mutilans). Psoriasis der Nägel ist ebenfalls sehr häufig mit einer Psoriasisarthritis assoziiert, sie kommt durch eine Entzündung der Enthese der distalen Streckersehnen zustande.
Die Schmerzsymptomatik der Gelenke tritt nachts und in Ruhe auf. Ein weiteres wichtiges Erkennungszeichen und wichtig zur Abgrenzung gegenüber Gelenkarthrosen ist die ca. eine halbe Stunde dauernde Morgensteifigkeit, die sich bei Bewegung bessert.
Nur wenn die Gelenkentzündung rechtzeitig erkannt und therapiert wird, können irreversible Schädigungen und Funktionsverlust der Gelenke verhindert werden.

Adipositas und Übergewicht

Unter Psoriasispatienten findet sich eine besorgniserregende erhöhte Prävalenzrate an Adipositas, definiert als Body Mass Index (BMI) > 30. Eine rezente Registerstudie konnte anhand von 9.437 Patienten zeigen, dass beinahe die Hälfte der Psoriasispatienten (49 %) adipös (BMI < 30), ein Drittel (32 %) übergewichtig (BMI 25 ≤ 30) und nur 19 % normalgewichtig sind. Auch unter den jugendlichen Patienten mit schwerer Psoriasis sind laut einer Studie mehr als ein Drittel (37 %) als adipös einzustufen.
In der renommierten amerikanischen Nurses’ Health Study II, in der 78.626 Krankenschwes­tern prospektiv über 14 Jahre beobachtet wurden, konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Erstmanifestation einer Psoriasis und Adipositas festgestellt werden. Umgekehrt kann Gewichtsreduktion durch Diät oder bariatrische Operation zu einer deutlichen Besserung der Psoriasis führen.
Daher ist eine Normalisierung des Körpergewichtes für Psoriasispatienten nicht nur aufgrund der bekannten Langzeitschäden der Adipositas von Interesse. Auch die Psoriasis selbst kann durch eine Gewichtsreduktion maßgeblich beeinflusst werden, was einen zusätzlichen Motivationsfaktor für die Patienten darstellen könnte.

Metabolisches Syndrom

Gemäß den aktuellen Kriterien der International Diabetes Foundation liegt ein metabolisches Syndrom vor, wenn neben der bauchbetonten Adipositas mindestens zwei weitere Risikofaktoren (Hypertriglyzeridämie, arterielle Hypertonie, erniedrigtes HDL, erhöhter Nüchternblutzucker/manifester Diabetes) vorliegen. Für diese Einzelfaktoren als auch für das Vollbild des metabolischen Syndroms konnte in zahlreichen epidemiologischen Studien eine erhöhte Prävalenz bei Psoriatikern nachgewiesen werden. Ebenso konnte in einer deutschen Studie der Schweregrad der Psoriasis, ermittelt anhand des „Psoriasis Area and Severity Index“ (PASI) mit dem Schweregrad der Insulinresis­tenz anhand der Serumspiegel von Insulin und Resistin korreliert werden.
Da Psoriasispatienten gegenüber der Durchschnittsbevölkerung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein metabolisches Syndrom aufweisen, ist bei ihnen auch das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Frühzeitige Erkennung, Lebensstilmodifikation und gezielte medikamentöse Therapie kann die Morbidität und Letalität dieser chronischen Erkrankungen drastisch verbessern. Daher obliegt es auch hier dem Dermatologen, auf erste Anzeichen des metabolischen Syndroms zu achten und Patienten frühzeitig an einen Spezialisten zur gezielten Therapie zu überweisen.

Kardiovaskuläre Komorbiditäten

Auch eine erhöhte Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen wurde in mehreren retrospektiven Datenerhebungen für Patienten mit Psoriasis beschrieben und in einer Metaanalyse bestätigt. Da Psoriasispatienten zahlreiche andere klassische vaskuläre Risikofaktoren wie eine familiäre Belastung, arterielle Hypertonie, Adipositas, Rauchen und eine pathologische Glukosetoleranz aufweisen, ergibt sich die Frage, ob sich die Psoriasis per se oder indirekt auf das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen auswirkt.

Kontroversielle Daten: Anhand der Daten der „General Practice Research Database“ (GPRD), in der elektronisch Daten von 5 Millionen durch Hausärzte versorgte Patienten in Großbritannien erfasst werden, konnte im Vergleich von 127.706 Patienten mit leichter Psoriasis gegen 465.252 Kontrollpatienten und 3.854 Patienten mit schwerer Psoriasis gegen 14.065 Kontrollpatienten eine hochsignifikante Korrelation zwischen schwerer Psoriasis, kardiovaskulären Erkrankungen und metabolischem Syndrom gezeigt werden. Das Risiko für Adipositas und Diabetes war für schwere Psoriatiker ebenfalls signifikant erhöht. In einer weiteren Case-Control-Studie konnte anhand von 130.976 Patienten mit Psoriasis im Vergleich zu 556.995 Kontrollpersonen ein erhöhtes Myokardinfarktrisiko, insbesondere bei jüngeren und schwer betroffenen Psoriasispatienten, festgestellt werden. Die statistischen Berechnungen bestätigten hierbei Psoriasis als eigenständigen Risikofaktor. Eine andere Arbeitsgruppe, die das 10-Jahres-Risiko von 3.603 systemisch behandelten Psoriasispatienten gegen 14.330 Kontrollpatienten verglich, wies unabhängig von klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei Psoriasispatienten nach. Hierbei war das durch die Psoriasis bedingte Risiko den klassischen Risikofaktoren Rauchen, Fettstoffwechselstörungen und arterieller Hypertonie ebenbürtig. Dieselbe Arbeitsgruppe errechnete auch ein um 6,2 % erhöhtes Risiko für Psoriasispatienten, ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden.
Andererseits gibt es aber auch epidemiologische Studien, die keinerlei Assoziation zwischen Psoriasis und kardiovaskulärer Mortalität bzw. Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen fanden. Ebenso wird die Rolle der Psoriasis als unabhängiger Risikofaktor für kardio­vaskuläre Erkrankungen in der Literatur kontrovers diskutiert.
Ob daher wie bei der rheumatoiden Arthritis das kardiovaskuläre Risiko von Psoriasispatienten durch eine antiinflammatorische Therapie nachweislich gesenkt werden kann, ist eine bislang offene Frage, deren Antwort einen wesentlichen Einfluss auf den gesundheitspolitischen Stellenwert antipsoriatischer Systemtherapien haben wird. Erste Daten deuten darauf hin, dass z. B. Methotrexat auch bei Psoriasis das Risiko für vaskuläre Erkrankungen verringern kann.

Betreuung intensivieren: In der retrospektiven Aufarbeitung mehrerer Biologikastudien zeigte sich, dass Psoriasispatienten hinsichtlich der geschilderten Komorbiditäten unterdiagnostiziert und damit auch therapeutisch unterversorgt sind. Unabhängig davon, ob nun Psoriasis einen unabhängigen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellt oder nicht, sollten die Patienten auf jeden Fall regelmäßig einem Screening unterzogen und im Bedarf durch den Hausarzt oder Internisten weiter betreut werden.

Nikotin- und Alkoholabusus

Nikotin ist nicht nur ein wesentlicher Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, sondern hat auch einen Einfluss auf die Manifestation der Psoriasis. So wurde in einer deutschen Studie ein deutlich erhöhter Nikotinkonsum bei Psoriasispatienten (Odds Ratio: 2,1) nachgewiesen, wobei die Schwere der Psoriasis mit dem Ausmaß des Zigarettenkonsums korrelierte. Daten der „Nurses’ Health Study II“ belegen, dass auch das Risiko für die Erstmanifestation einer Psoriasis durch Rauchen in Abhängigkeit vom Nikotinkonsum erhöht wird (relatives Risiko 1,8).
Ein erhöhter Alkoholkonsum wurde bei schweren, stationär behandelten Psoriatikern in einer deutschen Studie gefunden (Odds Ratio: 3,1), in Irland zeigten im Rahmen einer Studie annähernd ein Drittel der untersuchten Psoriasispatienten einen übermäßigen Alkoholkonsum.

Psychiatrische Leiden

Es ist mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt, dass Psoriasis mit einer massiven Einschränkung der Lebensqualität und einer erhöhten Inzidenz von psychiatrischen Erkrankungen einhergeht.
In einer retrospektiven amerikanischen Analyse der Daten von 7.971 mittelschwer bis schwer betroffenen Psoriasispatienten im Vergleich zu 31.884 Kontrollpersonen konnten folgende psychiatrische Erkrankungen häufiger diagnostiziert werden: Angststörungen (6,9 vs. 4,4 %), Depressionen (9,2 vs. 5,3 %) und bipolare Störungen (1,1 vs. 0,5 %) mit dementsprechend gehäufter Verordnung von Antidepressiva (6,1 vs. 0,9 %), Anxiolytika (5,0 vs. 0,8 %) oder Neuroleptika (5,9 vs. 0,9 %). Generell ist die Korrelation zwischen Schweregrad der Hauterkrankung und depressiven Symptomen jedoch weniger eindeutig als bei anderen Komorbiditäten.

Folgen therapeutischer Interventionen

Da Psoriasis eine hochchronische Erkrankung ist, müssen auch etwaige Langzeitnebenwirkungen therapeutischer Interventionen berücksichtigt werden. Bereits in den 1980er-Jahren kristallisierte sich heraus, dass eine unrestriktive Photochemotherapie (PUVA) das Risiko für nichtmelanozytäre Hautkarzinome erhöht. Auch eine Langzeitverabreichung (> 2 Jahre) von Zyklosporin geht mit einer erhöhten Rate an Plattenepithelkarzinomen einher. Hohe kumulative Dosen von Methotrexat können zu Leberfibrose und Leberzirrhose führen, wobei das Risiko neueren Einschätzungen zufolge wesentlich geringer ist als früher angenommen. Zu berücksichtigen sind schlussendlich immer auch potenziell gefährliche Arzneimittelwechselwirkungen, da gerade Psoriasispatienten aufgrund ihrer Komorbiditäten oft mehrere Medikamente einnehmen.

Zusammenfassend hat sich unser Verständnis der Pathophysiologie und der Komorbiditäten der Psoriasis in den letzten Jahren grundlegend erweitert, was von unmittelbarer Bedeutung für eine umfassende Betreuung und ein adäquates Langzeitmanagement betroffener Patienten ist.