Der jährliche Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) fand dieses Jahr Ende August in München statt. Mit Spannung erwartet wurden u. a. auch die „late-breaking registry results“, welche in 3 Sessions präsentiert und diskutiert wurden. In dem nachfolgenden Bericht werden die wichtigsten Registerdaten vom diesjährigen ESC-Kongress noch einmal zusammengefasst.
The ACCA-EAPCI Registry (Sponsor: EURObservational Research Programme) on ST-ELEVATION Myocardial Infarction (STEMI) untersuchte, ob es Unterschiede in der Behandlung und Prognose von STEMI-Patienten zwischen einzelnen Ländern und Regionen gibt und inwieweit die ESC-Guidelines in der Praxis regional auch tatsächlich umgesetzt werden. 11.155 Patienten mit einem akuten ST-Hebungs-Infarkt aus 29 Ländern wurden eingeschlossen. Die Studie zeigte, dass 76,7 % der STEMI-Patienten quer durch Europa mittels primärer perkutaner Koronarintervention behandelt werden und die Krankenhausmortalitätsraten mit < 3 % relativ gering sind. Zusammenfassend wurde die Adhärenz zu den STEMI-Guidelines als zufriedenstellend eingestuft.
Das französische FAST-MI Program (Sponsor: Französische Gesellschaft für Kardiologie) untersuchte, ob die prähospitale duale Plättchenaggregationshemmung (DAPT) verglichen mit DAPT im Krankenhaus eine Auswirkung auf die 1-Jahres-Mortalität von STEMI-Patienten hat. In der multivariaten Analyse konnte die prähospitale Gabe die 1-Jahres-Mortalität signifikant senken (HR 0,69; 95%-KI, 0,51–0,92; p = 0,011). In der simultan publizierten Arbeit1 weisen die Autoren allerdings darauf hin, dass diese Beobachtung durch Störfaktoren beeinflusst worden sein könnte.
Die schwedische Studie SWEDEHEART (Sponsor: The Swedish Association of Local Authorities and Regions) schloss 371.431 Patienten mit akutem Myokardinfarkt (AMI) zwischen 1995 und 2018 ein. Man untersuchte, ob sich die Prognose über die Jahre durch Implementierung neuer Behandlungsstrategien verbessert hat. Die Daten belegen, dass es von 1995 bis 2010 zu einer graduellen Verbesserung der 1-Jahres-Mortalität kam (~25 % vs. < 15 %). Dies wurde von einer graduellen Implementierung neuer Behandlungskonzepte (PTCA, DAPT, Statine, ACE-Hemmer) begleitet. In den letzten 6–8 Jahren konnte die Prognose nach einem AMI allerdings nicht mehr verbessert werden.
COMPASS-MI stellte einen neuen Algorithmus vor, der bei Verdacht auf Myokardinfarkt (MI) anhand von seriellen Messungen des hochsensitiven Troponin T/I (TnThs, TnIhs) die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarkts und die 30-Tage-Mortalität abschätzt. Der positive prädiktive Wert (Vorliegen eines MI) liegt bei 75 % und der negative prädiktive Wert (Ausschluss eines MI) sogar bei > 99,5 %. Da Troponinhs-Konzentrationen stark mit Mortalität und MI assoziiert sind, betonten die COMPASS-MI-Verantwortlichen nicht nur den diagnostischen Nutzen von Troponinhs, sondern auch den prädiktiven Stellenwert.
Das ELECTRa (the European Lead Extraction Controlled) Registry (Sponsor: Boston Scientific, Cook Medical, Medtronic, Spectranetics and Zoll) ist ein prospektives Beobachtungsregister, das die Indikation und das Outcome von Sondenextraktionen bei implantierbaren elektronischen Geräten (Schrittmacher, ICD) untersuchte. Es konnte gezeigt werden, dass die Sondenextraktion bei Malfunktion bzw. Infektion eine sichere und wirksame Methode ist.2 Am ESC-Kongress wurde nun eine Subanalyse präsentiert, welche sich die klinischen und prognostischen Unterschiede zwischen lokaler und systemischer „Device-Infektion (CIEDI)“ ansah. Systemische CIEDI (~4 %) sind verglichen mit lokalen CIEDI mit einer 4-fach erhöhten Krankenhaussterblichkeit assoziiert (~1 %). Auch die eingriffspezifische Sterblichkeit ist bei systemischen CIEDI signifikant erhöht, verglichen mit lokalen Infektionen. Patienten mit systemischen CIEDI waren tendenziell jünger und multimorbider als Patienten mit lokaler CIEDI.
Aus dem Garfield-AF-Prospective-Register (Sponsor: Bayer Pharma AG, Thrombosis Research Institute, London) wurden heuer beim ESC-Kongress zwei Subanalysen vorgestellt:
In der ersten Analyse wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von oraler Antikoagulation (OAK) vs. keine OAK bzw. neue OAK (NOAK) vs. Vitamin-K-Antagonisten (VKA) in Patienten mit neu aufgetretenem VHF und einem CHA2DS2-VASc ≥ = 2 überprüft. Die 2-Jahres-Gesamtmortalität war signifikant niedriger in der Gruppe OAK vs. keine OAK (676 vs. 1.297 Events; HR 0,83; 95%-KI 0,75–0,93). Der Vergleich NOAK vs. VKA brachte ein ähnliches Ergebnis mit deutlicher Reduktion der Mortalität (585 vs. 712 Events; HR 0,81; 95%-KI 0,71–0,92). Des Weiteren war eine Behandlung mit OAK verglichen mit keiner OAK mit einem erniedrigten Risiko für Schlaganfall/systemische Embolien assoziiert, jedoch stieg unter OAK auch das Blutungsrisiko an. Diese Daten weisen darauf hin, dass die Ergebnisse aus randomisierten, kontrollierten Studien auch in der täglichen Praxis reproduzierbar sind.
Resultate aus der zweiten Subanalyse aus dem Garfield-AF-Register hinterfragten den Einsatz einer Kombinationstherapie aus OAK und Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) bei neu aufgetretenem VHF. Die Kombinationstherapie war mit einer erhöhten Mortalität, Schlaganfall- und Blutungsrate assoziiert, verglichen mit OAK-Therapie.
Die Leiter des Registers CLARIFY (Prospective observational longitudinal Registry of patients with stable coronary artery disease)3 (Sponsor: Servier) stellten am ESC-Kongress ein neues Modell zur Risikostratifizierung und Prädiktion von kardiovaskulärem Tod und Herzinfarkt für Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) vor. Risikofaktoren wie u. a. Alter, Diabetes, Rauchen, VHF, Herzinfarkt, Schlaganfall, Linksventrikelfunktion und glomeruläre Filtrationsrate wurden zur Berechnung herangezogen. Der neue Algorithmus wurde neben dem CLARIFY-Register auch noch in zwei externen Datensätzen evaluiert. In allen drei Datensätzen konnte das Risiko von kardiovaskulärem Tod und Herzinfarkt gut mit dem Score stratifiziert werden.
Das EORP-VHD-II-Register (Sponsor: EURObservational Research Programme) erfasste Daten zum Management von Patienten mit Klappenerkrankungen bzw. nach interventionellem/herzchirurgischem Klappenersatz bzw. Klappenrekonstruktion. Von Jänner bis August 2017 wurden 7.247 Patienten aus 28 Ländern eingeschlossen. Die Studie ergab, dass vor allem bei Aortenklappenvitien die Indikation zur Intervention leitliniengerecht getroffen wird; jedoch kommt es häufiger zu einer Verzögerung bis zum tatsächlichen Eingriff, insbesondere bei Mitralklappenvitien. Des Weiteren kamen quantitative Methoden (CT, cMRT) zur Beurteilung von Klappeninsuffizienzen und Stresstests bei asymptomatischen Patienten zu selten zum Einsatz.
Daten aus EUROASPIRE (European survey of cardiovascular disease prevention and diabetes) I–IV (Sponsor: EURObservational Research Programme) zeigten, dass ein ungesunder Lebensstil und modifizierbare Risikofaktoren eine sehr hohe Prävalenz aufweisen und antihypertensive/lipidsenkende Medikamente inadäquat zum Einsatz kommen.4–6 Heuer wurden Daten aus EUROASPIRE 5 vorgestellt und mit EUROASPIRE 4 verglichen. Dieser ernüchternde Vergleich gab Einblicke über die Entwicklung und Implementierung von kardiovaskulären Präventivmaßnahmen. Als alarmierend und bedenklich einzustufen sind die erhöhte Raucherprävalenz, ein unverändert hoher Anteil an übergewichtigen Menschen und die Abnahme körperlicher Aktivität. Des Weiteren konnte bei über 50 % der Patienten keine adäquate Blutdruckkontrolle erreicht werden. Obwohl in EUROASPIRE V verglichen mit EUROASPIRE IV eine deutlich verbesserte Lipidkontrolle erreicht wurde, konnte das LDL-Cholesterin in nur einem Viertel der Patienten unter den gewünschten Zielwert von 1,8 mmol/l gesenkt werden. Es gab auch keine wesentlichen Veränderungen im effektiven Management von Lipiden, Blutdruck und Blutzucker bei Diabetikern. EUROASPIRE V berichtete auch über rückläufige Teilnehmerzahlen in kardiovaskulären Rehabilitationsprogrammen.
Die Studie CRISP-CT (Cardiovascular RISk Prediction using Computed Tomography) (Sponsor: British Heart Foundation, and the National Institute of Health Research Oxford Biomedical Research Centre) zeigt den prädiktiven Nutzen eines neuen Koronar-CT-(CCTA-)basierten Biomarkers: „the perivascular fat attenuation index“ (FAI). Entzündungen der Koronararterien sind maßgeblich an der Entstehung atherosklerotischer Plaques beteiligt und verändern die Zusammensetzung des perivaskulären Fettgewebes. Diese Veränderung kann mittels CCTA quantifiziert werden. Die Studie konnte zeigen, dass ein hoher FAI (Cut-off ≥ = –70,1 HU) mit einer erhöhten kardialen Mortalität assoziiert ist und allen bisherigen CCTA-basierten Risikostratifizierungen überlegen ist.7 Die „FAI“-Technologie ist für jedes Standard-CCTA verfügbar.