Auf einer Wrap-up-Veranstaltung zum 54. jährlichen Meeting der European Association for the Study of the Liver (EASL) präsentierte Priv.-Doz. Dr. Matthias Pinter (Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien) Highlights im Bereich des hepatozellulären Karzinoms (HCC).
Das HCC zählt nicht nur zu den häufigsten Tumoren weltweit, sondern ist zudem auch eine der häufigsten Ursachen krebsbedingter Todesfälle. Als wichtigster Risikofaktor für die Entstehung eines HCC gilt die Leberzirrhose. So erkranken laut Dr. Pinter jährlich in etwa 3–7 % aller Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose an einem primären HCC. Es stellt sich somit die Frage, welche Maßnahmen zu setzen sind, um in Risikopopulationen (Patienten mit Leberzirrhose oder chronischer Hepatitis B) das Risiko für ein HCC zu verringern.
COX-Inhibitoren: Eine am ILC 2019 präsentierte koreanische Fall-Kontroll-Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen einer Therapie mit Cyclooxygenase-(COX-)Inhibitoren und dem Risiko, ein HCC zu entwickeln. Als Patientenpopulation dienten 4.980 Fälle mit chronischer Hepatitis B (HCC: n = 996; Kontrolle: n = 3.984, gematcht nach Alter, Geschlecht, alkoholischer Lebererkrankung, Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Dauer des Follow-ups). Es zeigte sich, dass die Anwendung von COX-Inhibitoren mit einer signifikanten Risikoreduktion für ein HCC assoziiert war (OR 0,62, 95%-KI: 0,52–0,73, p < 0,001). Dieser Effekt war zudem dosisabhängig, wobei ab einer gewissen Dosis kein zusätzlicher Benefit mehr zu beobachten war. Die Autoren schlussfolgerten, dass COX-Inhibitoren bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung eine chemopräventive Rolle in der Entwicklung eines HCC spielen könnten.1
Aspirin: Beim HCC liegen bereits einige Studien vor, laut denen mittels Aspirin das HCC-Risiko zwar verringert werden kann, allerdings fehlt es nach wie vor an Interventionsstudien, so Pinter. Aus diesem Grund wird auch in den aktuellen EASL Clinical Practice Guidelines zum Management des HCC2 Aspirin nicht zur Prävention empfohlen. Stattdessen empfiehlt sich bei chronischer Hepatitis eine antivirale Therapie sowie bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen (chronische Virushepatitis, nichtalkoholische Fettleber, andere Gründe für eine Leberzirrhose) der Konsum von Kaffee.2
Lange Zeit (2007–2016) stand einzig mit Sorafenib eine zugelassene Therapieoption in der Erstlinienbehandlung des HCC zur Verfügung. In den letzten Jahren konnten in randomisierten Phase-III-Studien jedoch auch mit Lenvatinib in der Erstlinie Outcome-Verbesserungen erzielt werden sowie mit Regorafenib, Cabozantinib und Ramucirumab in der Zweitlinie nach einem Progress unter Sorafenib. Vielversprechend sind auch die Ergebnisse von Phase-II-Studien, die den Einsatz der PD1-zielgerichteten Immuntherapien Nivolumab und Pembrolizumab (in den USA bereits zugelassen) in der Zweitlinie untersuchen.3
Sorafenib/Regorafenib: In einer japanischen Real-World-Kohortenstudie an Patienten mit fortgeschrittenem HCC im Child-Pugh-Stadium A wurde der Benefit einer sequenziellen Therapie mit Sorafenib und Regorafenib evaluiert. Während des Beobachtungszeitraumes erhielten 23 Patienten eine Regorafenib-Monotherapie nach Sorafenib-Versagen. Ein Vergleich beider Gruppen zeigte, dass Patienten unter Sorafenib/Regorafenib im Vergleich zu einer alleinigen Sorafenib-Therapie von einem deutlich höheren OS profitieren (27,1 vs. 15,1 Monate).4 Laut Pinter bestätigen diese Daten die Ergebnisse der Regorafenib-Zulassungsstudie RESORCE. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass Regorafenib bei Patienten mit inoperablem HCC, die unter einer Behandlung mit Sorafenib progredient wurden, im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Reduktion des Sterberisikos führte (HR 0,63, p < 0,0001).5
Lenvatinib: In einer weiteren Real-Life-Studie aus Japan wurde die Wirksamkeit von Lenvatinib bei Patienten mit nichtresektablem HCC (n = 77) untersucht, wobei die Studienteilnehmer in zwei Gruppen randomisiert wurden (behandlungsnaiv und vorbehandelt). Hierbei wurden laut Pinter aber auch jene Patienten eingeschlossen, die nicht die klassischen Kriterien der Zulassungsstudie erfüllten. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer von 79,3 ± 40,7 Tagen zeigte sich in den radiologischen Kontrolluntersuchungen (CT oder MRT) bei beiden Gruppen eine Gesamtansprechrate (ORR) von circa 38 %.6 Laut dem Vortragenden war die Tatsache überraschend, dass als häufigste Nebenwirkung das Hand-Fuß-Syndrom auftrat. In der Zulassungsstudie trat diese Nebenwirkung unter Lenvatinib deutlich seltener auf als unter Sorafenib.
Ramucirumab: In der Phase-III-Studie REACH konnte mit Ramucirumab bei mit Sorafenib vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem HCC verglichen mit Placebo in der Gesamtkohorte zwar kein Überlebensvorteil erreicht werden, sehr wohl aber bei Patienten mit erhöhtem Tumormarker Alpha-Fetoprotein (AFP ≥ 400 ng/ml).7 Aus diesem Grund wurden in der Folgestudie REACH-2 nur Patienten mit AFP ≥ 400 ng/ml inkludiert. Ramucirumab konnte gegenüber Placebo einen signifikanten Überlebensvorteil erzielen (medianes OS: 8,5 vs. 7,3 Monate, HR 0,710, p = 0,0199; medianes progressionsfreies Überleben [PFS]: 2,8 vs. 1,6 Monate, HR 0,452, p < 0,0001).8 Eine rezent am ILC 2019 präsentierte explorative Studie der gepoolten Daten von REACH und REACH-2 evaluierte die Outcomes anhand der Ätiologie. Über alle analysierten Untergruppen hinweg war ein konsistenter Behandlungseffekt für Ramucirumab vs. Placebo erkennbar; somit wirkt Ramucirumab unabhängig der zugrunde liegenden Ätiologie.9
PD-1-gerichtete Immuntherapie: In einer internationalen, multizentrischen Real-World-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Nivolumab und Pembrolizumab bei HCC-Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung evaluiert. Die Immuntherapie kam entweder als Erstlinie (n = 9), Zweitlinie (n = 27), Drittlinie (n = 26) oder Viertlinie (n = 3) zum Einsatz. Die ORR lag bei 13 %, bei 59 % der Patienten konnte die Erkrankung zumindest temporär kontrolliert werden. Die mediane Zeit bis zum Progress betrug 4,8 Monate, das mediane PFS lag bei 4,6 Monaten und das mediane OS bei 11,0 Monaten. Die Ergebnisse für Wirksamkeit und Sicherheit waren vergleichbar, sowohl zwischen Patienten mit Child-Pugh-Stadium A und B als auch zwischen Patienten, die die Immuntherapie als Erst- oder Zweitlinienoption bzw. als Dritt- oder Viertlinientherapie erhalten hatten. Wenig überraschend war das OS bei Child-Pugh-B-Patienten jedoch kürzer. Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil entsprachen den Ergebnissen aus bereits publizierten Phase-I-/II-Studien.10, 11
Nivolumab bei Child-Pugh B: Die US-Zulassung von Nivolumab bei mit Sorafenib vorbehandelten Patienten beruht auf den Daten der CheckMate-040-Studie. Patienten mit fortgeschrittenem HCC und Child-Pugh-Stadium B haben grundsätzlich eine schlechtere Prognose und sind zudem häufig von Studien ausgeschlossen. In der CheckMate-040-Studie gab es jedoch auch einen Studienarm mit Child-Pugh-B-Patienten (n = 49). Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten, die diesen Arm betreffen, wurden nun am ILC 2019 präsentiert. Die Patienten erhielten Nivolumab entweder als Monotherapie oder in der Zweitlinie nach Sorafenib-Versagen. Die durch den Prüfarzt beurteilte ORR war 10 %, die Krankheitskontrollrate lag bei 55 %, und die mediane Dauer des Ansprechens betrug 9,9 Monate. Das mediane OS war bei Patienten mit kompletter/partieller Remission noch nicht erreicht und betrug 9,8 Monate bei stabiler Erkrankung und 6,8 Monate bei Patienten mit progredienter Erkrankung.12 Diese Ergebnisse sind laut Pinter mit Einschränkung zu bewerten, da die untersuchte Kohorte klein ist. Jedoch zeichnet sich ab, dass gewisse Patienten mit Child-Pugh B von einer Therapie mit Nivolumab profitieren könnten.
Die Hepatotoxizität von Immun-Checkpoint-Inhibitoren wurde von Cunningham et al. evaluiert. In diese Analyse wurden 563 Patienten aus Phase-I-/II-Immuntherapiestudien eingeschlossen und jene mit klinisch signifikant erhöhten Leberenzymwerten (ALT/AST > 3-mal ULN und/oder Bilirubin > 1,5-mal ULN; n = 102) identifiziert. Bei genauer Betrachtung des Grundes für die Erhöhung dieser Werte zeigte sich allerdings, dass diese nur bei 16 % auf immuntherapiebezogene Nebenwirkungen zurückzuführen ist, der Großteil (56 %) war durch die Progression des Tumors bedingt. Interessant ist laut Pinter, dass das Auftreten dieser immuntherapieassoziierten Leberereignisse mit einer geringeren Progressionsrate assoziiert war.13