Nicht-steroidale Antiinflammatoria (NSAI) gehören zweifellos zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. Bei der Nennung unerwünschter Nebenwirkungen dieser Substanzklasse dominierten bei den so genannten unselektiven COX-Inhibitoren über Jahrzehnte gastrointestinale Blutungen und Ulcusbildungen (Borsch, Schmidt, 1985) sowie renale Reaktionen mit Flüssigkeitsretention, Elektrolytentgleisungen bis hin zur renalen Insuffizienz (Whelton, 1999).
Mit der Hypothese, dass die Blockade der durch Inflammation „induzierbaren“ COX-2, einem entzündungsspezifischen, also am elementaren Funktionsgeschehen nicht oder nur wenig beteiligtem Enzym, diese Nebenwirkungen wenig bis gar nicht auftreten würden, schien sich ein Weg für die Synthese neuer Antiinflammatoria zu öffnen (Mitchell, Akarasereenont et al., 1993). Hinsichtlich der Inzidenz gastrointestinaler Nebenwirkungen zeigten diese „selektiven“ COX-2-Inhibitoren tatsächlich Vorteile gegenüber den so genannten „nicht-selektiven“ COX-Inhibitoren.
Obwohl erste experimentelle Studien keine negativen Auswirkungen einer COX-2-Inhibition auf die Nierenfunktion zeigten (Horackova, Schuck et al., 2005), muss nun zur Kenntnis genommen werden, dass COX-2-Inhibitoren hinsichtlich renaler Nebenwirkungen offensichtlich keine Vorteile gegenüber nonselektiven COX-Inhibitoren bieten (Harirforoosh, Jamali, 2009).
Eine unerwartete Häufung von Myokardinfarkten und Schlaganfällen bei einer Studie, welche die Effektivität der COX-2-Inhibition zur Unterdrückung des Kolonkarzinoms prüfen sollte, veranlasste den Hersteller, die bis dahin klinisch im starken Aufschwung befindliche COX-2-selektive Substanz Rofecoxib (Vioxx®) vom Mark zu nehmen (CNN.Money, 6. Okt. 2004). Mit einem weiteren, vertieften Eindringen in die Wirkweise von selektiven und nicht-selektiven COX-Inhibitoren zeigte sich bald, dass auch nicht-selektive Substanzen das Thromboserisiko erhöhen können (Warner, Mitchell, 2008).
Entscheidend für dieses Phänomen ist die unterschiedliche Hemmwirkung der einzelnen Substanzen auf die (Gefäß-)endotheliale und thrombozytäre COX-1, was eine Dysbalance der COX-1-gesteuerten Exprimierung von Thromboxan A2 (TXA2) aus den Thrombozyten und der ebenfalls COX-1-gesteuerten Exprimierung von Prostaglandin I2 (PGI2) aus den Endothelzellen hervorruft. Während Azetylsalizylsäure beide COX-1-Entitäten äquipotent hemmt, wird die endotheliale COX-1 sowohl durch Celecoxib als auch Rofecoxib deutlich stärker gehemmt. Diese Dysbalance ist entscheidend für die Entwicklung von thomboembolischen Prozessen, während eine ausgeglichene Inhibition, wie sie von ASA hervorgerufen wird, für die kardioprotektive Wirkung dieser Substanz verantwortlich ist (Mitchell, Lucas et al., 2006).
Klinische Relevanz: Wie sieht es nun mit der klinischen Relevanz aus? Die so genannte MEDAL-Studie verglich die Resultate von 136 Studien mit insgesamt 145.373 Teilnehmern und kam zu dem Schluss, dass lediglich Naproxen eindeutige Vorteile hinsichtlich unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse gegenüber Coxiben aufweist. Dennoch enthalten die Beipacktexte von Coxiben generell eindeutige Warnhinweise, was die Anwendung bei vaskulären Risikogruppen anbelangt. Ebenso wird die begleitende Verabreichung von ASA in kardioprotektiver Dosis empfohlen (Bischof, 2007).
Eine rezente Studie an Patienten mit bereits bestehender oder neu begonnener NSAI-Therapie ergab ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Vorhofflimmern oder -flattern im Vergleich zur Kontrollgruppe, wobei das Risiko bei Coxiben deutlich höher lag als bei nicht-selektiven NSAI (Schmidt, Christiansen et al., 2011). Die Autoren empfehlen daher, diese Nebenwirkung in die Beipacktexte von NSAI aufzunehmen. Inwieweit hier die Blockierung von Ionenkanälen (Kalium) von Bedeutung ist, wird weiterer Abklärung bedürfen (Macias, Moreno et al., 2010).
Wie bereits oben erwähnt, waren die Erwartungen hinsichtlich unbedeutender Einwirkungen der COX-2-selektiven Substanzen etwas überhöht (Horackova, Schuck et al., 2005) und mussten schließlich revidiert werden (Harirforoosh, Jamali, 2009). Woraus sich die klinische Konsequenz ergibt: die Hemmung der COX-Enzyme verursacht eine Reduktion gefäßdilatierender Prostaglandine und eine Hemmung der Natriumexkretion mit dem Resultat einer Steigerung des Blutdrucks. Wie auch bei anderen Wirkungen und Nebenwirkungen von COX-Inhibitoren scheint auch hier die Halbwertszeit der Substanzen und die daraus resultierende Reduktion aktiver Arachidonsäuremetaboliten das Ausmaß der Auswirkungen auf den Blutdruck zu bestimmen.
Eine rezente Studie bestätigt, das NSAI generell das Risiko unerwünschter kardiovaskulärer Nebenwirkungen in sich bergen (Trelle, Reichenbach et al., 2011), hinzu kommt, dass letztlich alle NSAI aufgrund der Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Prostaglandinen blutdrucksteigernd wirken (Aw, Haas et al., 2005). Nicht zuletzt scheint auch das Risiko von Vorhofflimmern oder -flattern unter NSAI-Therapie deutlich gesteigert zu sein (Trelle, Reichenbach et al., 2011).