Im Vergleich zu Erwachsenen entwickeln Kinder und Jugendliche insgesamt seltener venöse und arterielle Gefäßverschlüsse; diese treten jedoch spontan gehäuft in der Neonatalperiode und zu Beginn der Pubertät auf. Die Zunahme von Thrombosen in den letzten Jahren kann durch Verbesserungen diagnostischer Maßnahmen und medizinisch-therapeutischer Möglichkeiten bei Hochrisikopatienten erklärt werden.
Die Inzidenz für Thrombosen ist in der Gesamtbevölkerung unter 19 Jahren geschlechtsunabhängig und beträgt 0,07–0,14/10.000. Thrombosen treten am häufigsten im Neugeborenen- bzw. Säuglingsalter und zu Beginn der Pubertät auf. Die Inzidenz von thrombotischen sowie thromboembolischen Ereignissen unter hospitalisierten pädiatrischen Patienten zeigt jedoch eine beachtliche Erhöhung mit 5,3/10.000 an, für intensivmedizinisch betreute Neugeborene wird sogar eine Inzidenz von 24/10.000 beschrieben.
Während bei Erwachsenen venöse Thrombosen vorwiegend in den oberflächlichen und tiefen Beinvenen beobachtet werden, zeigt sich diese in die untere Körperhälfte verlagerte Verteilung erst in der Pubertät.
Neonatale thrombotische sowie thromboembolische Ereignisse treten zumeist in den Nierenvenen und zerebralen Gefäßen auf und zählen hiermit zu den häufigsten thrombotischen/thromboembolischen Manifestationen. Des Weiteren tritt eine nennenswerte Zahl dieser Ereignisse vergesellschaftet mit zentralvenösen Kathetern auf. Diese symptomatischen katheterassoziierten Thrombosen haben ihren Ursprung in der Nähe der Implantationsstelle des Katheters und werden durch humorale prothrombotische Faktoren begünstigt. Interessant ist auch, dass die meisten Thrombosen in dieser Altersgruppe in den oberen Extremitäten sowie in den Nieren- und Sinusvenen auftreten. Weitere Manifestationen im Kindesalter sind neben eben genannten zerebralvenösen Gefäßen das Pfortader- und Mesenterialvenensystem. Tab. 1 stellt eine Übersicht über die häufigsten Lokalisationen venöser und arterieller Thrombosen dar.
Die Ursachen für die Entstehung von Thrombosen werden in erworbene bzw. hereditäre eingeteilt, deren Kenntnis für Diagnostik und Therapie für den Pädiater unumgänglich ist, da 95 % der Patienten zumindest einen Risikofaktor aufweisen.
Erworbene Risikofaktoren: Zu diesen Risikofaktoren zählen neben peripartaler Asphyxie oder maternalem Diabetes auch chirurgische Eingriffe oder medizinische Interventionen, wie das Anlegen eines zentralvenösen Katheters (90 %) sowie längerfristige Immobilisierung, schwere onkologische Erkrankungen, Dehydrierung und Sepsis. In Tab. 2 werden die häufigsten erworbenen Risikofaktoren in fünf Untergruppen zusammengefasst.
Hereditäre Risikofaktoren: Ein Mangel an antithrombotischen Schutzfaktoren, Mutationen von Gerinnungsfaktoren oder genetisch determinierte erhöhte Konzentrationen von bestimmten Aminosäuren oder Proteinen führen konsekutiv zu einem Ungleichgewicht in der Hämostase. Dieses Ungleichgewicht findet man in unterschiedlicher Häufigkeit auch in der Normalbevölkerung, jedoch werden diese Störungen häufiger bei Patienten mit manifesten Thrombosen entdeckt. Tab. 3 zeigt die Prävalenz von hereditären Risikofaktoren bei Kindern mit venösen Thrombosen.
Aufgrund der unterschiedlichen Lokalisationen der Thrombosen im Kindesalter ist auch die zugehörige klinische Symptomatik mannigfaltig. Bei Thrombosen der tiefen Bein- bzw. Beckenvenen oder Pulmonalarterienembolien ist die Symptomatik ähnlich wie bei Erwachsenen, wobei eine abdominelle Schwellung, unklare Hämaturie, Thrombozytopenie und Proteinausscheidung bzw. die Entwicklung eines sekundären nephrotischen Syndroms sofort an eine Nierenvenenthrombose denken lassen. Krampfanfälle, Kopfschmerzen, Sehstörungen und Hemiparesen können die einzigen Leitsymptome bei zentralen Thrombosen bleiben.
Als Sonderformen der akuten Thrombose werden die Purpura fulminans (Abb.) und die Meningokokkensepsis (Mikrothrombosierung der Endstrombahn) bezeichnet. Die akute Purpura fulminans ist bei homozygotem Protein-C- und Protein-S-Mangel beschrieben und kann auch bei Trägern einer Faktor-V-Leiden-Mutation auftreten.
Bildgebende Verfahren: Zur raschen Diagnosesicherung haben sich in der Pädiatrie, je nach Lokalisation der zu erwartenden Thrombose, unterschiedliche bildgebende Verfahren etabliert. In den meisten Fällen kann die Duplexsonografie schon gute Hinweise geben und hat dadurch auch einen äußerst hohen Stellenwert erreicht. Phlebografien und CT- sowie MR-Angiografien werden, je nach Alter und nach Abwägen der Strahlen- bzw. Narkosebelastung, durchgeführt.
Rationale Thrombophilie-Diagnostik: Um das Risiko für weitere Thrombosen bei dem betreffenden Kind abschätzen zu können, ist es Ziel der Diagnostik, etwaige zugrunde liegende Risikofaktoren zu identifizieren. Eine zusätzliche Untersuchung der Kernfamilie des Patienten ist für die Beratung der übrigen Familienmitglieder ebenfalls als sinnvoll zu erachten. Ein primäres Screening der Gesamtbevölkerung kann jedoch aufgrund der bisherigen Datenlage keineswegs empfohlen werden.
Tab. 4 zeigt die durch die ISTH empfohlenen Untersuchungsparameter der Basis-Thrombophilie-Diagnostik. Die Diagnostik auf Proteinebene sollte, um Interaktionen in der Akutphase und Medikamenteninteraktionen auf Plasmaebene zu vermeiden, 3 bis 6 Monate nach dem Ereignis und mindestens 14 Tage nach Absetzen einer oralen Antikoagulation abgenommen werden.
Das vorrangige Ziel der Therapie der Thrombosen ist die schnelle Revaskularisation des betroffenen Gefäßes, zumindest aber sollte ein weiteres Thrombuswachstum verhindert werden. In der Pädiatrie wird diese Therapie individuell für jeden Patienten geplant und durchgeführt. Die medikamentösen Möglichkeiten, die sich in der Behandlung von Erwachsenen bewährt haben, werden dosisadaptiert, je nach Patientenalter und Indikationen bzw. Kontraindikationen (Lysetherapie), eingesetzt (Tab. 5). Auch neue Antithrombotika wie der direkte Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban stehen in der Pädiatrie kurz vor ihrer Zulassung (EINSTEIN Junior).
Resümee: Thrombosen kommen im Kindesalter vor allem in der Neonatalperiode und in der Pubertät vor. Ursächlich können in den meisten Fällen erworbene und/oder hereditäre Risikofaktoren gefunden werden. Das Vorhandensein einer hereditären Thrombophilie sollte in Situationen der Immobilisation, Dehydrierung, schwerer Erkrankung oder auch im Falle einer oralen Kontrazeption berücksichtigt werden.