„Sie werden sich gegenüber Vitamin-K-Antagonisten rasch durchsetzen“

Vorhofflimmern – unabhängig davon, ob es sich paroxysmal, persistierend oder permanent manifestiert – ist in Abhängigkeit vom CHADS2-Score, also dem Vorliegen zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren, mit einer 1,9–18,2%igen jährlichen Schlaganfallrate assoziiert (> Tab. 2, 3). Eine Metaanalyse (Ann Int Med 2007) ergab, dass durch die Gabe von Vitamin-K-Antagonisten im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv ohne orale Antikoagulantien eine relative Risikoreduktion von 64 %, entsprechend einer absoluten jährlichen Reduktion von 2,7 % Schlaganfällen erfolgt. Dies würde durch neueste Daten aus der AVERROES-Studie mit ASS gegenüber Apixaban mit einer jährlichen Embolierate von nahezu 4 % in der Aspiringruppe bei identischer Blutungsrate bestätigt. Dazu kommt, dass sich selbst unter optimalen Studienbedingungen nur ein Anteil von ca. 60 % der Patienten tatsächlich innerhalb eines INR-Wertes von 2,0–3,0 befindet (Rocket-AF-Studie). Dieser Anteil wird in der „real world“ noch weit übertroffen. Mehr oder weniger zeitgleich sind nun 3 große Studien mit extrem hoher Patientenzahl publiziert worden, in denen mit Ausnahme der AVERROES-Studie (Apixaban versus ASS) die neuen Substanzen Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban sowie Edoxaban mit Warfarin verglichen werden.
Während Dabigatran ein Faktor-II-(Thrombin)- Antagonist ist, blockieren Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban sowie Betrixaban den Faktor Xa.

 

 

 

Dabigatran: In RE-LY wurde Dabigatran in 2 Dosierungen (2 x täglich zu verabreichen) gegen Warfarin bei insgesamt über 18.000 Patienten analysiert. Paroxysmales, persis – tierendes, permanentes VH-Flimmern war in allen 3 Studienarmen zu jeweils 1/3 die vorherrschende Arrhythmie-Präsentation. Der CHADS2-Score betrug im Mittel in allen Studienarmen zwischen 2,1 bzw. 2,2. Der primäre Endpunkt (Insult/systemische Thromboembo – lie) konnte mit der Niedrigdosis Dabigatran relativ um 9 %, mit der höheren Dosis relativ um 34 % gegenüber Warfarin reduziert werden. Ganz besonders relevant ist aber die massive Reduk tion intrakranieller Blutungen mit beiden Dosierungen im Vergleich zu Warfarin, nämlich um relativ 69 bzw. 60 %! Dies schlug sich letztlich auch in einer reduzierten Mortalität für Dabigatran in beiden untersuch – ten Dosierungsgruppen nieder.

Rivaroxaban – 1-mal täglich einzunehmen – wurde in der ROCKET-AF-Studie bei über 14.000 Patienten untersucht. Die in der ROCKET-AF-Studie untersuchten Patienten erwiesen sich mit einem mittleren CHADS2- Score von 3,5 „kränker“ als die RE-LY-Patienten. Die Studie – ebenfalls angelegt, um die „Non-Inferiority“ der neu untersuchten Substanz gegenüber dem Vitamin-K-Antagonisten zu demonstrieren – wies eine Embolierate (Schlaganfall und periphere Embolie) von 2,16 % in der Vitamin-K-Antagonisten- Gruppe auf, die Rivaroxaban-Kohorte zeigte eine Ereignisrate von 1,71 %. Kombiniert mit vaskulärem Tod, Schlaganfall sowie Embolie betrug die Ereignisrate in der Rivaroxaban- Gruppe 3,11 %, in der Warfarin- Gruppe 3,63 %. Wiederum bemerkenswert auch in dieser Studie war die Tatsache, dass hämorrhagische Schlaganfälle in der Rivaroxaban-Gruppe mit 0,26 gegenüber 0,44 in der Warfarin-Gruppe nahezu halbiert waren! Besonders zu beachten ist – wie schon anfangs erwähnt – die Tatsache, dass lediglich knapp 58 % der Warfarin-behandel – ten Patienten stets in der einer therapeutischen Breite von INR 2,0–3,0 lagen, 42 % hingegen unter- oder oberhalb dieser therapeutischen Breite!

Apixaban: In der AVERROES-Studie wurde Apixaban (ebenfalls 2-mal täglich zu geben) gegen ASS (in der Dosis 81–325 mg) bei solchen Patienten verglichen, die als „untauglich“ für Vitamin-K-Antagonisten-Gabe eingeschätzt wurden, dies betraf insgesamt 5.600 Patien – ten. Nicht unerwartet zeigte Apixaban einen ganz klaren Vorteil gegenüber ASS; der mittlere CHADS2-Score betrug in dieser Studie 2,0 bzw. 2,1. Der Vorteil des Apixaban stieg eindeutig mit Vorliegen eines höheren CHADS2- Scores von > 3. Hingegen waren die Blutungskomplikationen in der Apixaban- und in der ASS-Behandlungsgruppe nahezu identisch. Auch in der zuletzt vorgestellten ARISTOTLEStudie mit 18.000 Patienten erwies sich Apixaban dem Warfarin überlegen, insbesondere wieder in Bezug auf eine Reduktion hämorrhagischer Insulte um relativ 49 %.

Die > Abb. zeigt – nach derzeitigem Wissensstand – das Verhältnis zwischen den Parametern eines idealen Medikaments für Patienten mit Vorhofflimmern, den Qualitäten der derzeit vorliegenden Vitamin-K-Antagonis – ten sowie den neuen Substanzen. In Hinblick auf das eindeutige Überwiegen der Vorteile gegenüber den möglichen Nachteilen dieser neuen Substanzen, nämlich die Verbesserung der Lebensqualität durch den Wegfall von unter Vitamin-K-Antagonisten notwendigen Kontrollen des tatsächlichen Gerinnungs – status, das wesentlich leichtere „Bridging“ etwa vor geplanten Operationen, die bei Vorliegen von 2 Dosierungen individualisierte Medikamentengabe sowie nicht zuletzt die tendenzielle bzw. tatsächliche Überlegenheit dieser neuen Substanzen in den bisher vorliegenden Untersuchungen – oder zumindest die Nicht-Unterlegenheit gegenüber Vitamin- K-Antagonisten –, stellt sich angesichts der Tatsache, dass selbst unter besten Studienbedingungen weniger als 2/3 der untersuchten Patienten in einem therapeutischen Bereich zwischen 2,0 und 3,0 liegen, wohl keine Diskussion, dass sich die neuen Substanzen in kürzester Zeit gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten durchgesetzt haben werden.