Stadiengerechte Therapie der Osteoporose


Osteoporose entsteht durch den vermehrten Verlust an Knochenmasse. Die Festigkeit eines gesunden Knochens wird durch ein physiologisches Gleichgewicht zwischen An- und Abbau gewährleistet. Ab dem 35. Lebensjahr beginnt ein Überwiegen der Osteoklastenaktivität und das Fazit ist eine Verminderung der mechanischen Belastbarkeit des Knochens durch Ausdünnung der Corticalis und einer herabgesetzten Strukturqualität der Trabekel im Inneren des Knochens. Der Knochen wird fragil, und mit fortschreitendem Abbau steigt das Frakturrisiko an.


Risk Assessment

Neben Alter und Geschlecht sind vorangegangene Frakturen, ein niedriges Körpergewicht (Body Mass Index < 20 kg/m2) und Schenkelhalsfrakturen der Eltern weitere Risikofaktoren. Daneben führen u. a. auch die regelmäßige Einnahme von oralen Glukokortikoiden von mehr als 5 mg Prednisolonäquivalent über einen Zeitraum von 3 Monaten oder länger, eine antidiabetische Therapie mit Glitazonen, Protonenpumpenhemmer1 sowie eine Therapie mit Antiepileptika zu einem erhöhten Frakturrisiko.
Um das Frakturrisiko zu evaluieren, steht uns heute ergänzend zu bildgebenden Verfahren wie der Messung der Knochenmineraldichte (BMD) mittels dualer Röntgenabsorptiometrie (DXA) und der quantitativen Computertomografie (qCT) das Fracture Risk Assessment Tool (FRAX-Tool) zur Verfügung (Tab. 1).
Neben einem T-Score < –2,5 SD wird zur Indikationsstellung für eine spezifische Osteoporosetherapie die Berechnung des 10-Jahres-Frakturisikos mit Hilfe des FRAX-Tools herangezogen. Hierbei wird ein Frakturrisiko über 20 % als Therapieschwelle angesehen.

 

Therapeutische Möglichkeiten

Begleitend zur Osteoporosetherapie sind ein Vitamin-D-Spiegel > 30 ng/ml sowie eine adäquate Kalziumzufuhr bedeutend. Dabei liegen die empfohlenen Tagesdosen für Kalzium bei 800–1.000 mg und für Vitamin D bei 800 IE. Neben präventiven Maßnahmen, wie einer ausreichenden Versorgung mit Kalzium und Vitamin D sowie regelmäßiger sportlicher Betätigung, stehen verschiedene Medikamente zur spezifischen Osteoporosetherapie zur Verfügung (Tab. 2).
Ziel der Prävention und Therapie sind die Verbesserung der Knochenmineraldichte und die Vermeidung von Knochenbrüchen.

 

Bisphosphonate werden als First-Line-Therapie bei der postmenopausalen Frau und beim Mann angewendet. Bisphosphonate binden an mineralisierter Knochensubstanz und verhindern das Fortschreiten des Knochenabbaus durch Apoptose von Osteoklasten. Hierfür stehen unterschiedliche Präparate mit Anwendungsintervallen von 1-mal täglich bis 1-mal jährlich zur Auswahl.

Denosumab: Bei Patientinnen, die als Versager der First-Line-Therapie einzustufen sind oder eine eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) aufweisen, und bei Männern nach Hormonablation bei Prostatakarzinom bietet Denosumab, ein vollhumaner monoklonaler Antikörper gegen den RANK-Liganden eine gut verträgliche Alternative. RANKL wird von Osteoblasten produziert und hat einen positiven Effekt auf die Bildung, Aktivität und das Überleben der Osteoklasten. Durch die Unterbrechung der RANKL/RANK-Interaktion wird die Bildung, die Funktion und das Überleben der Osteoklasten inhibiert und somit die Knochenresorption im kortikalen und im trabekulären Knochen vermindert. In der Zulassungsstudie an 7.868 Frauen konnte eine signifikante Senkung des Frakturrisikos für vertebrale und nicht-vertebrale sowie Hüftfrakturen nachgewiesen werden.2

Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) stellen eine weitere Gruppe der antiresorptiven Therapeutika dar. Raloxifen ist bei Frauen zur Prävention und Behandlung der postmenopausalen Osteoporose indiziert. Raloxifen empfiehlt sich aber auch wegen des positiven Einflusses auf das Brustgewebe insbesondere bei Patientinnen, die neben der diagnostizierten Osteoporose ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms besitzen.3 In der frühen Menopause wird selten eine Osteoporose diagnostiziert, weswegen besonders hier eine Prävention unerlässlich ist.4

Parathormon: Während bei antiresorptiver Therapie primär ein Fortschreiten der Osteoporose verhindert und erst sekundär ein Zuwachs an Knochendichte beobachtet wird, bewirkt eine pulsatile 1-mal tägliche subkutane Gabe von Parathormon (PTH) durch Stimulation der Osteoblasten den anabolen Effekt am Knochen und führt zu einem raschen Zuwachs des Trabekelvolumens5 und folglich zu einer deutlichen Verbesserung der Knochenmikroarchitektur vor allem an der Wirbelsäule. PTH 1-34 und PTH 1-84 sind für einen Behandlungszeitraum von maximal 24 Monaten bei Patienten mit einem sehr hohen Frakturrisiko, der kortisoninduzierten Osteoporose oder bei ungenügendem Ansprechen auf eine antiresorptive Therapie zugelassen. Um den Erhalt der neu gewonnenen Knochenmasse zu gewährleisten, ist eine Sequenz- oder Kombinationstherapie mit einer antiresorptiven Substanz empfehlenswert.6

Bei Strontiumranelat handelt es sich um ein Medikament mit dualem Wirkmechanismus. Es verfügt sowohl über einen anabolen als auch einen antiresorptiven Effekt und ist zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. 5-Jahres-Daten zeigten eine Reduktion des Frakturrisikos für vertebrale Frakturen um 31 %, für nichtvertebrale Frakturen um 27 % und für Hüftfrakturen um 24 %.7 Kontraindiziert ist das Präparat bei Patienten mit venösen Thrombosen in der Anamnese.


Eine Sonderstellung hat die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose, da es unter Kortisoneinnahme zu einem raschen Verlust der Knochendichte kommt.
Empfohlen werden eine Basistherapie mit Vitamin D und Kalzium sowie kurzfristige Knochendichtemessungen in 12-monatigen Abständen. In Abhängigkeit der geplanten Dauer der Steroidmedikation kann ein Beginn mit einer spezifischen Osteoporosetherapie schon bei Vorliegen einer Osteopenie erfolgen.8 Hierfür zugelassen sind Bisphosphonate und Parathormon-Analoga.

Neue Wirkprinzipien in klinischer Erprobung

Große Hoffnungen gründen sich zurzeit auf der Erforschung eines neuen Antikörpers gegen ­Sclerostin. Sclerostin ist ein physiologischer Hemmer übermäßiger Knochenneubildung. Entdeckt wurde dieser Antikörper bei Patienten mit Van-Buchem- und Sclerosteosis-Syndrom.
Eine Hemmung der Sclerostin-Expression scheint einen neuen therapeutischen Ansatz in der Behandlung der Osteoporose zu bilden. Erste Ergebnisse des Phase-III-Programms werden Ende 2015 erwartet.9
Ein weiterer viel versprechender Wirkstoff, der sich derzeit in der klinischen Phase III befindet, ist Odanacatib. Ein reversibler Kathepsin-K-Inhibitor, der gezielt die Aktivität der Osteoklasten hemmt und dabei nur geringfügigen Einfluss auf die Knochenformationsmarker nimmt, wodurch die Knochenneubildung begünstigt wird.10 Kathepsin K wird von Osteoklasten gebildet und spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Osteoporose. 5-Jahres-Daten einer Phase-II-Studie zeigten unter Therapie mit Odanacatib einen Anstieg der Knochenmineraldichte im Vergleich zur Placebogruppe sowohl an der Wirbelsäule als auch an der Hüfte.11

Abrahamsen B. et al., Arch Inter Med 2011; 171 (11):998-1004
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UCB and Amgen Initiate Sclerostin Antibody Phase 3 Program in Patients With Postmenopausal Osteoporosis, Apr. 4, 2012; vgl. http://www.amgen.com/media/media_pr_detail.jsp?releaseID=1679935
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