Invasive Mykosen haben in vielen Bereichen der klinischen Medizin an Bedeutung gewonnen und stellen immer häufiger eine diagnostische und therapeutische Herausforderung für den behandelnden Arzt dar. Besonders Infektionen durch Candida-Arten sind eine wichtige Ursache von Morbidität und Letalität abwehrgeschwächter und hospitalisierter Patienten. Invasive Candida-Infektionen treten besonders häufig bei immunsupprimierten Patienten auf, besonders auch auf Intensivstationen. Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung einer systemischen Candidose beim kritisch kranken Patienten ist die Kolonisation. Bereits bei Krankenhausaufnahme sind etwa 5 bis 15 % aller Patienten mit Pilzen kolonisiert. Häufig kommt es auf dem Weg über eine mukokutane Infektion und bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren zur systemischen Infektion. Zu diesen zusätzlichen Risikofaktoren zählen u. a. Therapie mit Antibiotika oder Kortikosteroiden, Diabetes mellitus, Fremdkörper, Immunsuppression, verminderte T-Zell-Funktion (wie bei HIV/AIDS), ausgedehnte und rezidivierende mukokutane Infektionen, Neutropenie oder auch ein schlechter Score für die Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit (APACHE-Score). Invasive Candida-Infektionen sind mit einer hohen Letalität behaftet – bei inadäquater Therapie liegt sie nahe bei 100 %.
Obwohl in Österreich Candida albicans weiterhin der häufigste Erreger von Hefepilzinfektionen ist, haben andere Candida-Spezies – wie C. glabrata, C. parapsilosis, C. tropicalis, C. krusei etc. – in den letzten Jahren an Häufigkeit deutlich zugenommen; gleichzeitig ist es auch insgesamt seit Anfang des Jahrzehnts zu einem Häufigkeitsanstieg von Candidämien gekommen. Wie im österreichischen Antibiotikaresistenz-Bericht (AURES-Bericht) aus 2010 dargestellt, ist in allen beteiligten Zentren zwar C. albicans weiterhin die vorherrschende Spezies, ebenso haben aber auch andere Spezies, besonders C. glabrata und C. parapsilosis an Bedeutung gewonnen.
Der frühzeitige Beginn einer adäquaten antimykotischen Therapie ist entscheidend für den Behandlungserfolg, da ein verzögerter Therapiebeginn mit einer höheren Letalität assoziiert ist. Daher sind der Nachweis sowie die nachfolgende Identifikation des Erregers nach wie vor essenzielle Bestandteile der Pilzdiagnostik. Dabei setzt sich die Diagnose aus mehreren Schritten zusammen: Der erste Hinweis auf das Vorliegen einer Mykose ist das klinische Bild, das jedoch bei invasiven Infektionen vielfach uncharakteristisch ist. Meist fiebern die Patienten, unter Umständen fehlen aber die typischen Zeichen einer Infektion gänzlich. In diesen Fällen sind diagnostische Methoden gefordert, die eine eindeutige Diagnose im Frühstadium der Erkrankung ermöglichen.
Je früher die Diagnose gestellt werden kann, desto besser ist die Prognose für den Patienten. Da kein einziger Test aussagekräftig genug ist, um eine verlässliche Diagnose zu stellen, ist es notwendig, eine Kombination von mehreren Parametern zur Diagnosefindung heranzuziehen. Dies ist insbesondere deswegen wichtig, da die erregerspezifische Diagnostik und eine frühe adäquate Therapie eindeutig mit einer reduzierten Letalität verbunden sind. Trotzdem dauert es oft zu lange, bis die endgültige Diagnose vorliegt, sodass auch oft vor einer bestätigten Diagnose mit der Therapie begonnen werden muss.
Zur Prävention und Therapie haben sich Prophylaxe, empirische Therapie, präemptive Therapie und die Behandlung einer gesicherten Pilzinfektion etabliert (> Tab.).
Eine relativ neue und erfolgreich bei invasiven Candida-Infektionen eingesetzte Gruppe semisynthetischer antifungaler Substanzen sind die Echinocandine. Dazu zählen Caspofungin, Anidulafungin und Micafungin. Sie hemmen die 1,3-β-D-Glukan-Synthese, was zum Zusammenbruch der Zellwand und zum Tod der Pilzzelle führt. Candida-Spezies, auch Fluconazol-resistente Stämme, werden von den Echinocandinen bereits bei sehr geringen Wirkstoffkonzentrationen im Wachstum gehemmt. C. parapsilosis und die seltenere Spezies C. guilliermondii zeigen höhere minimale Hemmkonzentrationen. Allerdings ergaben klinische Studien bisher keine gesicherten Hinweise, dass die in vitro geringere Empfindlichkeit mit reduzierter klinischer Wirksamkeit einhergeht.
Primäre Resistenzen wurden in einigen wenigen Fällen beschrieben. Das Potenzial für sekundäre Resistenzen ist vorhanden, wird jedoch als gering eingestuft. Auch Kreuzresistenzen sind nicht bekannt. Werden die Echinocandine in Kombination mit Amphotericin B oder Azolen eingesetzt, gibt es keine antagonisierenden Effekte.
Echinocandine haben sehr günstige pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften, ihr Wirkmechanismus bedingt keine renalen und nur wenige hepatische Toxizitäten. In klinischen Studien konnten eine gute Wirksamkeit und ein insgesamt günstiges Nebenwirkungsprofil belegt werden. So ist die Wirksamkeit der Echinocandine mit der von Amphotericin B vergleichbar, die Verträglichkeit jedoch deutlich besser. Von besonderem Vorteil ist die Wirksamkeit der Echinocandine bei biofilmbildenden Candida-Spezies.
In den großen klinischen Studien lagen die Raten an Therapieabbrüchen wegen Nebenwirkungen unter Echinocandinen bei höchstens 5 %. In Einzelfällen von klinisch apparenten Leberfunktionsstörungen unter Echinocandin-Antimykotika wiesen die betroffenen Patienten in der Regel schwere Grunderkrankungen auf und erhielten multiple, teils potenziell hepatotoxische Komedikationen. Bei schwerer Leberinsuffizienz (Child-Pugh-Score > 9) sowie bei Kindern mit Leberinsuffizienz aller Schweregrade sollten Caspofungin und Micafungin nicht appliziert werden. Für Anidulafungin bestehen auch bei schwerer Leberinsuffizienz keine Einschränkungen.
Für alle Echinocandine wurden Infusionsreaktionen beschrieben, die möglicherweise von Histamin vermittelt werden, bei geringer Infusionsgeschwindigkeit jedoch selten auftreten.
Ein Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten ist nur in geringem Ausmaß vorhanden.
Zusammenfassend kommt Echinocandinen ein hoher Stellenwert in der Behandlung invasiver Pilzinfektionen, insbesondere durch Candida-Spezies. zu, wobei substanzspezifische Unterschiede berücksichtigt werden müssen.
In den aktuellen Empfehlungen international anerkannter Fachgesellschaften (z. B. Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft 2011) zur Behandlung invasiver Candida-Infektionen sind die Echinocandine in der Primärtherapie bei moderat bis schwer kranken Patienten oder bei vorheriger Azolexposition Mittel der ersten Wahl, wenn der Erreger bei Therapiebeginn noch nicht charakterisiert ist. Dies betrifft in erster Linie Intensivpatienten, die in der Regel ein akutes Ein- oder Mehrorganversagen haben und komplexe Komedikationen mit unübersichtlichem Interaktionspotenzial erhalten.
Weniger schwer Kranke ohne Azolexposition in der jüngeren Anamnese können laut dieser Leitlinien initial mit Fluconazol behandelt werden, sofern keine Fluconazol-resistente bzw. vermindert Fluconazol-empfindliche Candida-Spezies (z. B. C. glabrata) isoliert wurde oder aufgrund der lokalen Erregerepidemiologie einkalkuliert werden muss. Voriconazol wird bei nicht neutropenischen Candidämiepatienten als optionale Therapiemöglichkeit gesehen, etwa wenn eine zusätzliche Aspergillenwirksamkeit opportun scheint, und kann als orale Anschlusstherapie bei Infektionen mit Fluconazol-unempfindlichen Erregern eingesetzt werden. In diesem Falle sollte jedenfalls eine Empfindlichkeitsprüfung für Voriconazol erfolgen.
IDSA-Leitlinien: Auch in der 2009 publizierten Neufassung der Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten (IDSA) zur geziel
ten oder empirischen Behandlung von Candidämien werden Echinocandine als Therapie der ersten Wahl bei neutropenischen Patienten empfohlen. Sie sind zu bevorzugen bei Infektionen durch unbekannte Candida-Spezies, bei Patienten mit moderater bis schwerer Erkrankung oder einer vorausgegangenen Therapie mit einem Azol, sowie bei Nachweis von C. krusei und C. glabrata. Bei nachgewiesener oder vermuteter Infektion durch C. parapsilosis ist ein Azol (Fluconazol) vorzuziehen. Bei nicht neutropenischen Patienten, die mit einem Echinocandin anbehandelt wurden und klinisch stabil sind, kann die Therapie fortgeführt werden. Zur Frage, welches der Echinocandine zu bevorzugen ist, wären direkte Echinocandin-Vergleichsstudien notwendig.
Eine initiale Echinocandin-Therapie kann bei klinischer Besserung und Nachweis einer Fluconazol-sensiblen Candida-Spezies auf oral verabreichtes Fluconazol umgestellt werden. Hinsichtlich des Zeitpunktes einer solchen Deeskalation herrscht bisher keine Einigkeit. In 3 randomisierten Studien zur Therapie invasiver Candida-Infektionen war eine Umstellung auf Fluconazol ab Tag 10 möglich. In Leitlinien wird eine Deeskalation nach 3 bis 5 Tagen diskutiert, allerdings mit dem Hinweis auf die weitgehend fehlende Evidenz für diese Vorgehensweise.
ESCMID-Leitlinie: Im Vergleich dazu erhalten Echinocandine in der aktuellen europäischen Leitlinie der ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) zur Candida-Behandlung, die erstmalig 2011 vorgestellt wurde, jedoch noch nicht in publizierter Form vorliegt, den höchsten Empfehlungsgrad A-I in der First-Line-Therapie kritisch kranker Hochrisikopatienten mit Candidämie, unabhängig von der Neutrophilenzahl. Als Begründung wird angeführt, dass Echinocandine neben dem ausgezeichneten Sicherheitsprofil und ihrer fungiziden Wirkung alle wichtigen Candida-Spezies in ihrem Wirkspektrum enthalten. Dabei ist allerdings die lokale Epidemiologie zu beachten. Liegt eine hohe Inzidenz von C. parapsilosis vor, ist dies bei der Therapieentscheidung mit einzubeziehen. Für Anidulafungin wird darauf hingewiesen, dass Arzneimittelinteraktionen eine geringere Rolle als bei Caspofungin spielen. Für Anidulafungin konnte nachgewiesen werden, dass die Eradikation von Candida in der Blutkultur deutlich schneller erfolgt als unter der Therapie von Fluconazol bzw. ebenso schnell wie mit liposomalem Amphotericin B.
Weiters beschreibt die aktuelle europäische Leitlinie der ESCMID den Einsatz von Echinocandinen zur Behandlung einer Candida-Ösophagitis (Empfehlungsgrad B-I), vor allem dann, wenn Patienten nicht schlucken können. Die Wirksamkeit von Fluconazol wird bei dieser Indikation nicht übertroffen. Es liegen zahlreiche klinische Vergleichsstudien und Anwendungsstudien für Echinocandine bei ösophagealen und invasiven Candida-Infektionen vor, die die Effektivität der Substanzgruppe bei diesen Indikationen belegen.
Beispiel Micafungin: Die am jüngsten zugelassene Substanz Micafungin ist neben der Behandlung invasiver Candidosen auch zur Prophylaxe von Candida-Infektionen bei Patienten im Rahmen einer hämatologischen Stammzelltransplantation sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern zugelassen.
Die Wirksamkeit von Micafungin wurde in mehreren Studien im Vergleich mit anderen Antimykotika untersucht. In einer randomisierten Doppelblindstudie war Micafungin bei Patienten mit Candidämie und invasiver Candidose im Vergleich zu liposomalem Amphotericin B gleich gut wirksam. Der primäre Endpunkt, das klinische und mykologische Ansprechen am Ende der Therapie, wurde in beiden Gruppen in knapp 90 % der Fälle erreicht. In einer weiteren Doppelblindstudie wurde bei 596 Patienten mit systemischer Candidose Caspofungin im Vergleich zu zwei verschiedenen Micafungin-Dosierungen eingesetzt. Dabei war Micafungin in täglichen Dosierungen von 100 mg und 150 mg gegenüber Caspofungin mit der üblichen Dosierung von 50 mg gleich gut wirksam. Auch der Vergleich von Micafungin und liposomalem Amphotericin B bei neutropenischen Kindern zeigte eine ähnlich gute Wirksamkeit.
Für den Einsatz von Micafungin soll laut Leitlinie die Warnung der EMA beachtet werden. In der präklinischen Prüfung traten bei Ratten, die über 3 Monate Micafungin in hoher Dosierung (weit über den beim Menschen angewendeten Dosierungen) erhielten, histologisch veränderte Leberzellen und hepatozelluläre Tumoren auf. Während der Behandlung mit Micafungin muss daher die Leberfunktion engmaschig kontrolliert werden und eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen. Langzeituntersuchungen zur Klärung des kanzerogenen Potenzials von Caspofungin und Anidulafungin in therapeutischen Dosierungen wurden nicht durchgeführt. In klinischen Studien zeigte sich bei allen drei Echinocandinen ein sehr ähnliches Sicherheitsprofil.
Prophylaxe: Eine Prophylaxe sollte generell nur bei entsprechend hoher Inzidenz von lebensbedrohlichen Infektionen eingesetzt werden. Zur Prophylaxe dürfen ausschließlich sichere Antimykotika mit geringer Toxizität verwendet werden, da wohl viele Patienten das Antimykotikum erhalten, aber es nur für eine Minorität, nämlich die Patienten, die tatsächlich eine Infektion entwickeln würden, einen tatsächlichen Nutzen darstellt. Auch Caspofungin und Micafungin können zur Prophylaxe von Candida-Infektionen eingesetzt werden. Dies gilt vor allem für Patienten in der frühen Neutropeniephase, wie z. B. nach Stammzelltransplantation, die Prophylaxe hat zum Ziel die Letalität zu senken und eine bessere Überlebensrate zu ermöglichen.
Empirische Therapie: Auch zur empirischen Therapie werden Echinocandine, insbesondere bei Vorliegen eines über 3–4 Tage dauernden antibiotikarefraktären Fiebers, empfohlen. Dies gilt z. B. bei längerer Dauer der neutropenischen Phase (> 10 Tage) nach Induktions-/Konsolidierungstherapie bei akuter myeloischer Leukämie/myelodysplastischem Syndrom (AML-MDS) sowie nach autologer oder allogener Stammzelltherapie. Ebenso wird die empirische Therapie bei neutropenischen Patienten, z.B. nach Stammzelltransplantation, mit Echinocandinen mit unterschiedlichem Empfehlungsgrad empfohlen. Hier liegt seitens der ESCMID für Caspofungin eine A-I- und für Micafungin eine B-II-Empfehlung vor. Anidulafungin wird für diese Indikation nicht empfohlen, da keine entsprechenden Daten vorliegen.
Präemptive Therapie: Im Gegensatz zur empirischen Therapie stellt die präemptive Therapie den gezielten Einsatz von Antimykotika dar, wobei bildgebende Verfahren und/oder bestimmte Laborparameter als Entscheidungshilfe für den Therapiebeginn herangezogen werden. Das soll dazu beitragen, dass einerseits unnötige Therapien vermieden werden, andererseits ein zu später Therapiebeginn verhindert wird. Für den Einsatz einer präemptiven Therapie bei invasiven Candidosen gibt es derzeit jedoch keine ausreichend evaluierten Parameter, sodass sie von den derzeitigen Leitlinien nicht empfohlen wird.
SCHLUSSFOLGERUNG: Echinocandine werden seit etlichen Jahren mit gutem Erfolg eingesetzt. Es handelt sich dabei um nebenwirkungsarme Substanzen, die wenig mit anderen Substanzen interagieren. Ihre Applikation wird nicht von der Nierenfunktion und gering von der Leberfunktion beeinflusst. Somit sind die Echinocandine insbesondere beim schwerkranken Patienten, z. B. bei Intensivpatienten, die in der Regel ein akutes Ein- oder Mehrorganversagen haben und zumeist multiple Medikationen mit entsprechend unübersichtlichen Interaktionen erhalten, mittlerweile bei invasiven Candida-Infektionen Mittel der ersten Wahl. Dies wird durch die neuen Leitlinien eindeutig unterstützt.