Studien ARTISTOTLE, ROCKET AF und RE-LY – Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern

ARISTOTLE-Studie mit Faktor-Xa-Inhibitor

Beim diesjährigen ESC in Paris wurden erstmals die Ergebnisse der ARISTOTLEStudie mit zeitgleicher Publikation im NEJM vorgestellt (Granger C. et al., N Engl J Med 2011; 365:981-92). In dieser Studie wurde Apixaban, ein weiterer potenzieller Nachfolger der Vitamin-K-Antagonisten (VKA), in der Indikation nicht-valvuläres Vorhofflimmern getestet.

Studiendesign: Apixaban, ein direkter Faktor- Xa-Inhibitor, wurde in einer randomisierten Doppelblindstudie mit einer VKA-Therapie verglichen. Einschlusskriterien waren ein nicht-valvuläres Vorhofflimmern und zumindest ein weiterer Risikofaktor für einen Schlaganfall, insgesamt handelt es sich bei den Studienteilnehmern aber eher um eine Niedrigrisikopopulation bezüglich Schlaganfall (mittlerer CHADS2-Score 2,1). Apixaban wurde 2-mal täglich mit einer Dosierung von jeweils 5 mg über knapp 2 Jahre gegeben. Bei selektionierten Patienten, bei denen von einem erhöhten Blutungsrisiko auszugehen war, wurde die Dosis von Apixaban um die Hälfte reduziert. Die Ziel-INR von 2–3 wurde in der VKA-Kontrollgruppe in 66 % der Zeit erreicht, ein im Vergleich zu anderen Studien guter Wert. Die Abbruchrate bei ARISTOTLE betrug ca. 25 %, wobei diese im Apixaban-Arm signifikant niedriger war, was für eine verbesserte Verträglichkeit von Apixaban spricht. Die Analyse der Wirksamkeit erfolgte entsprechend den internationalen Empfehlungen nach dem Intention-to-Treat-Ansatz.

Wirksamkeit: Apixaban war in der Verhinderung des primären Endpunkts Schlaganfall und sys temische Embolien den VKA signifikant überlegen und führte zu einer Reduktion des primären Endpunkts um 21 %. (> Abb.). Besonders sticht die Reduktion der hämorrhagischen Insulte um fast 50 % hervor, dieser Unterschied dominiert auch die Reduktion des primären Endpunkts mit Apixaban. Außerdem kam es zu einer signifikanten Reduktion des härtesten Endpunkts Tod um 11 %. Kein Unterschied zeigte sich bei der Rate der Herzinfarkte. Bei den Subgruppenanalysen zeigt sich ein konsistenter Effekt von Apixaban unabhängig von relevanten Komorbiditäten. Einzig für das Alter zeigt sich ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit bei Patienten über 65 Jahren.

Sicherheit: Schwere Blutungen, der primäre Sicherheitsendpunkt, wurden unabhängig von der Definition signifikant um mehr als 30 % gesenkt (> Abb.). Intrakranielle Blutungen wurden um 58 % reduziert. Keinen Unterschied gab es bei gastrointestinalen Blutungen. Bei den Subgruppenanalysen zeigten sich signifikante Unterschiede für Diabetiker und Nicht- Diabetiker, bei Diabetikern kam es zu keiner Reduktion der schweren Blutungen im Vergleich zu VKA. Andererseits fällt ein besonders vorteilhaftes Sicherheitsprofil von Apixaban bei Patienten mit zumindest mittelgradiger Niereninsuffizienz (Kreatininclearance _ 50 ml/min) auf. Zudem zeigte sich ein Trend für eine bessere Sicherheit von Apixaban bei Frauen. Kein Hinweis ergab sich für eine vermehrte Lebertoxizität von Apixaban im Ver – gleich zu Warfarin. Die Vorteile von Apixaban bei Wirksamkeit und Sicherheit resultierten in einem signifikanten klinischen Benefit.

Subgruppen, Subgruppen, Subgruppen …

In einer weiteren Sitzung über neue orale Antikoagulantien wurden Detailergebnisse der drei bereits zu diesem Thema publizierten Studien präsentiert.

ARISTOTLE – Subgruppenanalyse für INR-Einstellung: In einer Subgruppenanalyse zeigten sich konsistente Ergebnisse der Wirksamkeit von Apxiaban im Vergleich zu VKA unabhängig von der im jeweiligen Zentrum erreichten INR-Einstellung. Überraschend waren nicht nur VKA besser wirksam in Zentren mit einer guten INR-Einstellung, sondern auch in der Apixaban-Gruppe hatte Patienten von Zentren mit guter INR-Einstellung ein besseres Outcome. Die durchschnittliche INR-Einstellung eines Zentrums ist in diesem Zusammenhang möglicherweise als Proxymarker für eine gute Patientenbetreuung zu sehen, z. B. war die Frequenz an Komedikation mit Statinen in den Zentren mit einer guten INR-Einstellung deutlich höher. Allerdings waren die Patienten in Zentren mit schlechter INR-Einstellung auch schwerer krank und hatten z. B. signifikant häufiger Herzinsuffizienz. Bezüglich Sicherheit zeigte sich ein signifikanter Unterschied mit einer deutlich stärkeren Reduzierung von starken und klinisch relevanten Blutungen in der Apixaban-Gruppe in Zentren mit einer schlechten INR-Einstellung im Vergleich zu Zentren mit einer guten INR-Einstellung.

ROCKET AF – Subgruppenanalyse Nierenfunktion: In der ROCKET-AF-Studie hatten Patienten mit einer zumindest mittelgradig reduzierten Kreatininclearance von < 50 ml/min ein deutlich schlechteres Outcome als Patienten mit einer Kreatininclearance > 50 ml/min. Die Patienten mit einer schlechteren Clearance unterschieden sich deutlich bezüglich Alter (+6 Jahre). Die Wirkung von Rivaroxaban im Vergleich zu VKA war unabhängig von der Kreatininclearance.

RELY – Subgruppenanalyse Antiplättchentherapie: Insgesamt kam es bei Patienten, die zusätzlich zu einer oralen Antikoagulation zumindest einen Plättchenaggregationshemmer erhielten, zu einem Anstieg der schweren Blutung um 60 %. Es zeigte sich ein konsis – tenter Effekt von Dabigatran 2-mal 110 mg unabhängig von einer gleichzeitigen Pättchenhemmung bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit. Für Dabigatran 2 x 150 mg zeigte sich ein Trend für einen geringeren Effekt in der Verhinderung des primären Endpunkts bei Patienten mit gleichzeitiger Antiplättchentherapie, das Sicherheitsprofil von Dabigatran 2 x 150 mg wurde jedoch nicht von einer gleichzeitigen Antiplättchentherapie beeinflusst. Die absolut niedrigste Rate an Blutungen wurde für Dabigatran 2-mal 110 mg beobachtet, was diese Dosierung für eine Kombination mit einer Antiplättchentherapie attraktiv macht. Die Überlegenheit einer solchen Therapie könnte allerdings nur in einer prospektiven und randomisierten Studie bestätigt werden.

Das Bild wird nach 50.000 Studienpatienten klarer

Seit 2009 wurden bisher drei große Studien mit neuen oralen Antikoagulantien in der Indikation nicht-valvuläres Vorhofflimmern im Vergleich zu VKA mit insgesamt über 50.000 Teilnehmern publiziert. Alle getes – teten Substanzen (Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban) waren zumindest gleich gut wie VKA. Apixaban und Dabigatran 150 mg, beide wurden 2-mal täglich gegeben, zeigten sogar eine überlegene Reduktion des primären Wirksamkeitsendpunkts (basierend auf einer standardisierten statistischen Analyse). Dieser einheitlich verwendete Endpunkt berücksichtigte allerdings nicht nur ischämische Ereignisse, sondern auch hämorrhagische Insulte. Dabigatran 2-mal 150 mg reduzierte als einzige Substanz ischämische Ereignisse. Bezüglich Verhinderung schwerer Blutungen konnten insbesondere Dabigatran 2-mal 110 mg und Abixaban überzeugen. Alle drei Substanzen zeigten eine eindrucksvolle Reduktion von Hirnblutungen. Bei Dabigatran 2 x 150 mg kam es zu einer leicht erhöhten Rate an gastrointestinalen Blutungen. Bezüglich eines gesamtklinischen Benefits, der Wirksamkeit und Sicherheit berücksichtigt, zeigten sich Dabigatran 150 mg und Apixaban im Vergleich zu VKA überlegen. Zu warnen ist vor einem direkten Vergleich der Substanzen basierend auf den publizierten Studiendaten, dies wäre nur nach einem Head-to-Head-Vergleich zulässig. Bezüglich der inflationären Anwendung von Subgruppenanalysen zeigt sich im Wesentlichen eine konsistente Wirksamkeit der neuen oralen Antikoagulantien unabhängig von wesentlichen Komorbiditäten. Statistisch relevante Unterschiede gibt es allerdings bei den Subgruppenanalysen bezüglich Sicherheit, diese könnten Hinweise für eine optimierte Behandlung von individuellen Patienten geben. 2012 werden schließlich auch die Ergebnisse von ENGAGE AF-TIMI 48, der vierten großen Studie zu dieser Thematik, mit über 21.000 Teilnehmern erwartet. Hierbei wird Edoxaban, ein weiterer Faktor-Xa-Antagonist, in verschiedenen Dosierungen mit VKA verglichen.

FACT-BOX

• Neue orale Antikoagulantien werden mit einer fixen Dosierung verabreicht.
• Eine Laborkontrolle ist bei neuen oralen Antikoagulantien nicht notwendig.
• Die 3 neuen oralen Antikoagulantien sind zumindest gleich wirksam wie VKA.
• Bei allen 3 Substanzen kommt es zu einer eindrucksvollen Reduktion von Hirnblutungen.