PHARE ist eine akademische, vom französischen Institut National du Cancer gesponserte Studie, die untersucht, ob Trastuzumab im adjuvanten Setting statt über 12 auch über 6 Monate verabreicht werden kann. Es gibt zumindest zwei Überlegungen: Die Standardtherapiedauer von einem Jahr beruht nicht wirklich auf Evidenz im engeren Sinn, sondern mehr auf theoretischen Überlegungen (die Wahl der Therapiedauer war „absolut arbiträr“ [@ Sandra M. Swain]), und bei kürzerer Therapiedauer wären auch Ersparnisse im Gesundheitswesen möglich. Unter Umständen wären kardiale Nebenwirkungen mit einer kürzeren Therapiedauer geringer.
So wurden ab dem Jahr 2006 – ein Jahr nach der Erstpräsentation der HERA-Studie am ASCO – insgesamt 3.384 Patientinnen (etwa 20 % aller französischen Patientinnen mit HER2-Erkrankung) in 12 vs. 6 Monaten Trastuzumab randomisiert. Gewählt wurde ein Non-Inferiority-Design, das bis zu einer HR von 1,15 eine Nichtunterlegenheit der kürzeren Therapiedauer zum Ausdruck gebracht hätte. Eine HR von 1,15 ist gleichbedeutend mit einem 15 % höheren Risiko für ein Ereignis des primären Studienendpunkts, d. h. im Rahmen der Schwankungsbreiten hätte man bis knapp zu diesem Bereich eine kürzere Therapiedauer akzeptiert. Primärer Studienendpunkt war das krankheitsfreie Überleben (jede Form des Rezidivs, kontralaterale Mammakarzinome, andere Sekundärtumoren oder Tod).
Die Kurven zum krankheitsfreien Überleben nach einem medianen Follow-up von 3,5 Jahren liegen auf den ersten Blick eng übereinander, mit einem Nachteil für die kürzere Therapiedauer. Das bezieht sich weniger auf regionale/lokale Rezidive oder auf kontralaterale Mammakarzinome, sondern vor allem auf Fernmetastasen, die mit einer Rate von 6,4 % (12 Monate Therapie) vs. 8,3 % (6 Monate Therapie) den Therapiestandard bestätigen. 10,4 % (12 Monate Therapie) der Patienten hatten ein Ereignis im Sinne des primären Studienendpunkts (DFS) vs. 13 % der Patientinnen im 6-Monate-Therapiearm. Die Hazard Ratio dafür beträgt 1,28 (Konfidenzintervall: 1,05–1,56) und liegt damit nicht im Bereich der Non-Inferiority (1–1,15), sondern geht in Richtung Unterlegenheit (die mit einer HR von 1,3 festgelegt war). Das Konfidenzintervall ist relativ breit, aber auch im unteren Bereich nicht < 1, weshalb im Kommentar zur Studie von einem zumindest um 5 % höheren Risiko ausgegangen wurde und wahrscheinlich von einem größeren als 15 %. Die Auswertung beruht auf 395 DFS-Ereignissen, weit weniger als die geplanten 1.040 Ereignisse, mit denen sich bei längerer Nachbeobachtung auch eine Unterlegenheit herausstellen kann.
In der Auswertung zum Gesamtüberleben war der Arm mit der kürzeren Therapiedauer mit einer Hazard Ratio von 1,47 eindeutig schlechter. 66 Todesfälle (12 Monate Therapie) vs. 93 Todesfälle (6 Monate Therapie) wirken überzeugend, die Ereignisrate ist aber insgesamt noch so gering, dass daraus keine Signifikanz abgeleitet wurde.
Unterschiede bei kardialen Ereignissen würden die kürzere Therapiedauer von 6 Monaten favorisieren.
Die Conclusio von Xavier Pivot in der ESMO-Presidential-Sitzung war nicht ganz eindeutig, aber eben klar dahingehend, dass der bisherige Standard – Trastuzumab adjuvant über 12 Monate – nach wie vor Standard ist. Es werden noch Daten aus dieser Studie nachgereicht, und es sind weitere Studien am Laufen: PERSEPHONE (1 Jahr vs. 6 Monate), HELLENIC (1 Jahr vs. 6 Monate), Short-HER (1 Jahr vs. 9 Wochen) und SOLD (1 Jahr vs. 9 Wochen), deren Ergebnisse in den nächsten Jahren zu erwarten sind und die – gemeinsam mit laufenden Biomarkerstudien – vielleicht einen differenzierteren Zugang erlauben (Tab.).
Interessant für Kostenträger: Unabhängig vom bisher Gesagten lässt sich im Einklang mit Univ.-Prof. Dr. Günther Steger festhalten, dass Studien wie PHARE von höchstem Interesse nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Kostenträger des Gesundheitswesens sind. In Frankreich wurde das erkannt und die Studie durch öffentliche Gelder finanziert, was in Österreich wünschenswert wäre, aber nur schwer oder gar nicht umzusetzen ist. So muss man leider immer wieder feststellen, dass wichtige klinische Studien, an denen Hersteller kein Interesse mehr haben, in Österreich dann auch nicht stattfinden (rezentes Beispiel ist die Studienkooperation mit einem mTOR-Inhibitor in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms).
HERA wurde im Jahr 2005 am ASCO erstpräsentiert, und zwar in einer – aufgrund der Dramatik der Ergebnisse – spontan einberufenen, ursprünglich im Programm gar nicht vorgesehenen Sitzung. Im europäischen Raum war HERA die maßgebliche Studie zur Etablierung des HER2-Antikörpers im adjuvanten Setting. Etwas in Vergessenheit geraten ist der zweite Arm mit der Frage, ob 2 Jahre Trastuzumab besser sind als 1 Jahr, wobei HERA weltweit die einzige Studie ist, die dieser Frage nachging, immerhin bei 1.550 Patientinnen. Tatsächlich waren dann 8 Jahre Nachbeobachtung erforderlich, um über das krankheitsfreie Überleben zu einer Aussage zu kommen, was letztlich die Effektivität des Therapiestandards unterstreichen kann. Im Endeffekt gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der 1- und 2-jährigen Therapiedauer. Nach median 8 Jahren waren 75 % der Patientinnen beider Arme krankheitsfrei und 90 % der Patientinnen beider Arme am Leben. Interessant ist ein Knick in den Verlaufskurven im 3. Jahr bei Hormonrezeptor-negativen Patientinnen, aus dem sich theoretisch ein Vorteil für die längere Therapiedauer ableiten ließe, was in prospektiven Studien zu klären wäre. Im zweiten Teil der ESMO-Präsentation wurde der Stellenwert der Therapie an jenen Patientinnen gemessen, die im Beobachtungsarm keine Therapie erhielten. Hier zeigt sich trotz einer Crossover-Rate von 50 % in den aktiven Therapiearmen über 8 Jahre hinweg ein konsistenter Unterschied im krankheitsfreien und im Gesamtüberleben.