Da die stabile Angina pectoris typischerweise auf einer koronaren Herzerkrankung (KHK) beruht, gleicht die Basistherapie der Angina pectoris den Maßnahmen zur Sekundärprophylaxe der KHK bei Patienten ohne Angina pectoris. Neben der nichtmedikamentösen Optimierung der Risikofaktoren (Nikotinkarenz, Gewichtsnormalisierung, Bewegung) haben hier die prognostisch wirksame Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS), die Lipidsenkung mit Statinen und die blutdrucksenkende und das Remodelling verhindernde Therapie mit ACE-Hemmern, Betablockern und gegebenenfalls Aldoste – ronrezeptorinhibitoren ihren Platz. Bei fortbestehender Angina pectoris oder Unverträglichkeiten muss diese leitliniengestützte und mortalitätssenkende Therapie erweitert werden. Liegt eine symptomatische und therapierefraktäre KHK vor, so ist immer auch eine Revaskularisierung zu diskutieren. Häufig ist jedoch eine interventionelle oder auch chirurgische Sanierung bei sehr diffusem Befall der Koronarien nicht praktikabel oder nur sehr begrenzt wirksam. Daher hat sich eine Vielzahl von Therapieansätzen etabliert, die die Ischämiesymptomatik des Patienten zumindest mindern.
Betablocker: Neben ihrer gut belegten prognoseverbessernden Eigenschaft haben Betablocker auch eine gute antiischämische Wirkung durch Verringerung des Sympathikotonus und damit einhergehender Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs (Frequenzsenkung, Reduktion des Ca2+-Stoffwechsels durch verminderte Beta-Rezeptor-Stimulation). Zusätzlich verbessern Betablocker durch die verlängerte Dauer der Diastole den Koronarfluss.
Kalziumkanalantagonisten wirken primär über eine Nachlastsenkung, die zu einem erhöhten Koronarfluss führt, antiischämisch. Da allerdings auch bestwirksame langwirksame Kalziumkanalblocker im Gegensatz zu den Betablockern bei KHK zu keiner Prognoseverbesserung führen, sind sie in dieser Indikation nur ein Alternativpräparat bei Betablocker – unverträglichkeit. Bei gleichzeitig vorliegender Hypertonie können Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ in Monotherapie und auch in Kombination mit Betablockern verwendet werden.
Ranolazin: Eine interessante Therapieoption bei stabiler Angina pectoris ist Ranolazin. Die antianginösen Effekte der Substanz beruhen auf einer Hemmung des späten Natriumeinstroms, der wiederum zu einer vermehrten Beladung der Myozyten mit Kalzium führt. Dieser ist bei Ischämie verstärkt, wodurch sich ein direkter Therapieansatz ergibt. Ranolazin hat eine den Betablockern vergleichbare antiischämische Potenz. In der MERLIN-Studie konnte Ranolazin die Rate der Rezidivischämien gegenüber Placebo signifikant reduzieren, hatte aber keinen Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität oder die Myokardinfarktinzidenz. Ranolazin beeinflusst aufgrund seines einzigartigen Wirkmechanismus die Herzfrequenz nicht und hat auch kaum Effekt auf den Blutdruck. Zudem ist Ranolazin mit anderen Antianginosa kombinierbar. Eine Gegenanzeige besteht nur für schwere Nierenschäden und Leberschäden. Da die Substanz über CYP3A4 verstoffwech – selt wird, ist die Kombination mit starken Hemmern kontraindiziert und die kombinierte Gabe mit CYP3A4-Induktoren nicht empfohlen. Ranolazin ist für die Therapie der stabilen KHK mit Symptomatik unter Vorbehandlung mit Standard-Antianginosa oder bei Unverträglichkeit zugelassen.
Ivabradin hemmt hochselektiv den sinusknotenspezifischen If-Kanal, der die Spontandepolarisation und damit die Herzfrequenz reguliert. Hierdurch kommt es zu einer Reduktion der Herzfrequenz mit Verlängerung der Dias – tole. Neben großen epidemiologischen Studien, die den positiven Effekt einer niedrigen Herzfrequenz aufgezeigt haben, konnte Ivabradin in der BEAUTIFUL-Studie bei KHK-Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion eine Verbesserung bezüglich der Infarktrate und Revaskularisierungsrate zumindest in der Subgruppe mit Ausgangsruhefrequenzen über 70/min. zeigen. In der SHIFT-Studie bei symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz war auch die Prognose verbessert. Aktuell wird im Rahmen der SIGNIFY-Studie nun die Wirksamkeit bei stabiler KHK und erhaltener Pumpfunktion sowie einer Ausgangsfrequenz von >70/min auf die Prognose untersucht. Ivabradin wirkt allerdings nur bei Patienten im Sinusrhythmus und ist bei Vorhofflimmern ineffektiv. Für Ivabradin sind Sehstörungen als Nebenwirkung beschrieben. Auch diese Substanz soll nicht mit starken CYP3A4- Hemmern oder -Induktoren verwendet werden.
Vasodilatatoren: Als klassische Vasodilatatoren bewirken Nitrate eine Venodilatation und somit in erster Linie eine Vorlastsenkung. Zusätzlich bewirken sie auch eine Dilatation der Koronarien und können in der Kombination der beiden Effekte die pektanginöse Symptomatik mildern. Dies ist im Anfall durch Nitro-Kapseln oder Spray gut möglich. Eine dauerhafte Therapie mit retardierten Nitro-Präparaten kann zum Beispiel bei Betablockerunverträglichkeit indiziert sein. Wichtig ist hierbei, täglich ein nitratfreies Intervall zu erhalten, um einer Tachyphylaxie vorzubeugen. Vom Wirkmechanismus nahezu identisch ist Molsidomin, das sich, da es kaum zu Tachyphylaxie führt, zur Dauertherapie eignet oder auch bei primärer Nitrotherapie im nitrofreien Intervall überbrückend gegeben werden kann. Nicorandil als weiterer Vertreter dieser Gruppe ist zusätzlich ein Kaliumkanalöffner und imitiert damit die ischämische Präkonditionierung, die in vielen experimentellen Ansätzen die Toleranz gegenüber weiteren ischämischen Ereignissen erhöhen konnte. In der IONA-Studie konnte Nicorandil zusätzlich den kombinierten primären Endpunkt der Studie aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und ungeplanter Hospitalisierung wegen Angina pectoris verbessern. Bei allen Vertretern dieser Gruppe ist darauf zu achten, dass nicht gleichzeitig Phosphordiesterase-Inhibitoren (wie etwa Sildenafil) eingenommen werden.
Neben den etablierten Therapien sind aktuell mehrere Therapieansätze, hier vor allem nichtmedikamentöse Verfahren, in klinischer Erprobung. So laufen mehrere Phase-IV-Studien zur elektrischen Rückenmarksstimulation, mit der die Schmerzwahrnehmung vermindert oder unterdrückt werden kann, oder auch Untersuchungen zur Schockwellentherapie, bei der – ähnlich der Stoßwellentherapie bei Nephro- oder Cholezystolithiasis – Energie extern appliziert wird. In Tierstudien konnte ein angioneogenetischer Effekt gezeigt werden.
Ein weiteres spannendes Verfahren, das in zwei Phase-II-Studien getestet wird, ist die interventionelle Reduktion des Koronarsinusdiameters mittels spezieller Stents. Hierdurch soll durch einen erhöhten Abflussdruck die Sauerstoffversorgung des Myokards verbessert werden.
Neben diesen neuen interventionellen Ansätzen sind Studien zur autologen Stammzelltherapie im Gang, deren Ergebnisse in den kommenden Jahren erwartet werden.
Neue medikamentöse Ansätze werden dahingegen nur in wenigen aktuellen Studien verfolgt. Die innovative Phase-III-Studie TOPCAP untersucht topische 0,1%ige Capsaicin- Creme, die die symptomfreie Belastbarkeit bei Patienten mit stabiler KHK und positivem Belastungstest verbessern soll.
Für ein vergleichbares Kollektiv wurde kürzlich eine Studie zur Hochdosis-Allopurinol- Therapie bei 65 Patienten mit bekannter KHK und positivem Ischämienachweis publiziert.
Allopurinol führte im Vergleich zu Placebo zu einer hochsignifikanten Zunahme der Belas – tungsdauer bei gleichzeitiger Verzögerung von ST-Veränderungen und pektanginösen Beschwerden unter Belastung. Nebenwirkungen der Therapie wurden bei allerdings geringer Patientenzahl und kurzem Beobachtungszeitraum nicht festgestellt.
FACT-BOX
Die Therapie der stabilen Angina pectoris basiert auf einer prognoseverbessernden Basistherapie der zugrunde liegenden koronaren Herzkrankheit (KHK), kombiniert mit einer symptomatischen, antianginösen Behandlung. Wesentliche Innovationen der letzten Jahre sind Ranolazin, das ohne hämodynamische Effekte durch Reduktion des späten Natriumeinstroms antianginös wirkt, sowie der Sinusknoteninhibitor Iva – bradin, der bei höheren Ruheherzfrequenzen symptomlindernd und antiischämisch wirkt. Neben den klassischen und neu etablierten Substanzen sind mehrere medikamentöse und interventionelle Therapieverfahren in klinischer Erprobung.