Die Pathophysiologie einer Thrombozytopenie bei Patienten mit einer HCV-Infektion ist nicht vollends geklärt. Es besteht die Annahme, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt.4 Bei Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung scheint eine Thrombozytopenie mit der Schwere der Erkrankung zusammenzuhängen und tritt bei Patienten mit einer Zirrhose häufiger auf. Studiendaten legen nahe, dass eine Thrombozytopenie bei einer chronische Hepatitis- C-Infektion mit höherem Alter, männlichem Geschlecht sowie Koinfektionen wie HIV und HBV in Zusammenhang steht.5, 6
Therapiehindernis Thrombozytopenie: Darüber hinaus kann das etablierte Behandlungsregime (pegyliertes IFN in Kombination mit Ribavirin) zur Bekämpfung einer HCV-Infektion selbst eine Thrombozytopenie auslösen4, was durch den suppressiven Effekt von Interferon auf das Knochenmark zu erklären ist. Folglich war der Einsatz von IFN bei Patienten mit bereits bestehender Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl < 90.000/μl) nur eingeschränkt möglich. Für die Initiierung einer pegIFN-alpha-basierten antiviralen Therapie wird eine Thrombozytenzahl von _ 90.000/μl (pegIFN-alpha-2a) oder _ 100.000/μl (pegIFN-alpha-2b) empfohlen. Das derzeitige Management einer Thrombozytopenie besteht aus einer Dosisreduktion oder dem Absetzen der IFN-Therapie. Eine Dosisreduktion wiederum senkt die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden virologischen Ansprechens (SVR).7, 8
Der Erfolg bei der Behandlung der Immunthrombozytopenie (ITP) ebnete dem Thrombopoetin- Rezeptoragonisten Eltrombopag den Weg für die Testung der Substanz zur Erhöhung der Thrombozyten bei Hepatitis C. Der oral applizierbare Wirkstoff passt als so genanntes „small molecule“ in die extrazelluläre Domäne des Thrombopoetin-Rezeptors und kann damit jene Signalkaskade stimulieren, die zu einer gesteigerten Thrombozytenproduktion führt. Anlässlich der 62. Jahrestagung der American Society for the Study of Liver Diseases (AASLD) 2011 in San Francisco und der 53. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2011 in San Diego wurden die Ergebnisse der randomisierten, placebokontrollierten, multinationalen Phase-III-Studie ENABLE 1 präsentiert. 9, 10
Studiendesign: In ENABLE 1 sollte die Wirksamkeit und Sicherheit von Eltrombopag bei HCV-Patienten mit Thrombozytopenie, die für den Beginn und Beibehaltung einer antiviralen Therapie (Peginterferon alpha-2a plus Ribavirin) geeignet sind, beurteilt werden. Primärer Endpunkt war der Anteil jener Patienten, die ein SVR erreichten.
In eine erste „Open Label“-Behandlungsphase mit Eltrombopag wurden 715 HCVPatienten (_ 18 Jahre) mit einer Thrombozytenzahl < 75.000/μl eingeschlossen. Die initiale Dosierung erfolgte mit 25 mg täglich, gefolgt von einer Dosissteigerung alle 2 Wochen bis zu einer Maximaldosis von 100 mg täglich. All jene Patienten, die bis zu Woche 9 eine Thrombozytenzahl _ 90.000/μl erreichten, wurden in der Folge auf einer 2:1-Basis zu Eltrombopag oder Placebo mit jeweils pegIFN-alpha-2a plus Ribavirin über eine Studiendauer von bis 48 Wochen (abhängig vom HCV-Genotyp) randomisiert.
Thrombozytenzahl: In der Open-Label-Phase konnte Eltrombopag bei 691 Patienten die für die antivirale Therapie geforderte Thrombozytenzahl _ 90.000/μl erreichen (Ausgangswerte im Mittel 59.000/μl (> Abb. 1). Insgesamt konnte bei 680 Patienten eine antivirale Therapie initiiert werden (95 %).
Virologisches Ansprechen: Insgesamt erzielten 66 % der mit Eltrombopag kombinierten antiviralen Therapiegruppe ein frühes virologisches Ansprechen (EVR)* (Placebo: 50 %; p < 0,0001). 23 % der Patienten in der Eltrombopag-Gruppe erreichten ein anhalten – des virologisches Ansprechen (SVR, klinisch validierter Endpunkt, der zeigt, dass kein Hepatitis-C-Virus mehr im Blut nachweisbar ist), verglichen mit 14 % der Patienten in der Placebogruppe (p = 0,0064) (> Abb. 2).
Dosisreduktionen: Bei 57 % der Eltrombopag- Patienten musste keine pegIFN-alpha- 2a-Dosisreduktion vorgenommen werden (verglichen mit 30 % in der Placebogruppe), nebst der Tatsache, dass die Behandlung mit Eltrombopag mit einem signifikant längeren Zeitabschnitt bis zur ersten pegIFN-alpha- 2a-Dosisreduktion einherging.
Nebenwirkungen, vor allem Anämie, Neutropenie, Fatigue, Fieber, Kopfschmerzen, waren in beiden Armen gleich verteilt. Von schwerwiegenden Nebenwirkungen wurde bei 20 % der Eltrombopag-Patienten und 15 % der Patienten unter alleiniger antiviraler Therapie berichtet. Bei 2 % (in beiden Gruppen) kam es zu thromboembolischen Ereignissen (kein thromboembolisches Ereignis in der Open-Label-Phase).
Als wesentliche Schlussfolgerungen der ENABLE-1-Studie werden folgende Aspekte erachtet: Eltrombopag ermöglichte bei 95 % der Patienten, die anderenfalls nur grenzwertig Kandidaten für eine antivirale Therapie gewesen wären, die Interferontherapie. Der Thrombopoetin-Rezeptoragonist bewirkte eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung der SVR. Verglichen mit Placebo ermöglichte Eltrombopag nicht zuletzt signifikant mehr Patienten die Beibehaltung der antiviralen Dosis.
1 Aref S. et al., Hematology 2004; 9:351-356
2 Koruk M. et al., Hepatogastroenterology 2002; 49:1645-1648
3 Louie K.S. et al., Journal of Viral Hepatitis 2011; 18:1-7
4 Weksler B.B., Aliment Pharmacol Ther 2007; 26 (Suppl. 1):13-19
5 Stasi R. et al., Hematol Oncol Clin North Am 2009; 23 (6):1275-97
6 Streiff M.B. et al., Hepatol 2002; 35 (4):947-952
7 McHutchison J.G. et al., Gastroenterol 2002; 123:1061- 1069
8 Shiffman M. et al., Gastroenterol 2007; 132:103-112
9 Afdhal N.H. et al., AASLD 2011; # LB-3
10 Dusheiko G. et al., ASH 2011; #2232
11 McHutchison JG et al., NEJM 2007; 357:2227-2236 * EVR ist definiert als das Erreichen einer in der
12. Behandlungswoche um mind. 99 % (über 2 log10) reduzierten Virusbelastung.
Eltrombopag hat sich in der Behandlung der Immunthrombozytopenie (ITP) bewährt. Die Gründe, warum Eltrombopag auch bei Hepatitis-C-assoziierter Thrombozytopenie eingesetzt werden könnte, liegen zum einen in der Assoziation zwischen Hepatitis C und ITP und zum anderen darin, dass eine Thrombozytopenie die Durchführung einer effektiven antiviralen Therapie verhindern kann. Frühere Studien bei Hepatitis-C-Patienten haben bereits einen klaren Zusammenhang zwischen einer Behandlung mit Eltombopag und einem Anstieg der Thrombozytenwerte erkennen lassen.11 In der ENABLE-1-Studie wurde nun das Augenmerk auf einen kontrollierten An stieg der Thrombozyten gerichtet. Tatsäch lich gelang es, die Thrombozytenzahl in einem Maß anzuheben, das den Beginn einer INFTherapie ermöglichte. In der Open-Label- Phase kam es unter Eltrombopag zu keinem thromboembolischen