Neben den oben angeführten, häufig mit Adipositas assoziierten klassischen Risikofaktoren führten in den letzten Jahren eine Reihe von Forschungsergebnissen zu einem besseren Verständnis der kardiovaskulären Risikosituation des adipösen Patienten. Entgegen der früheren Annahme ist das vermehrte Fettgewebe kein inaktiver Speicher mit ausschließlich metabolischen Effekten für den Organismus. Insbesondere die kausalen pathophysiologischen Faktoren abdominelle oder viszerale Adipositas, Insulinresistenz, chronische subklinische Inflammation, Adipozytokine und die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) spielen in Entwicklung und Progression der Atherosklerose eine wesentliche Rolle. Im Rahmen dieses Updates sollen die Zusammenhänge dieser mit Adipositas vergesellschafteten Faktoren und der Volkskrankheit Atherosklerose dargestellt werden.
Viszerale Adipositas hat eine stärkere Assoziation mit kardiovaskulären Ereignissen als ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) oder eine vermehrte Gesamtkörperfettmasse per se. Die abdominelle Fettakkumulation kann einfach mit einem Maßband oder etwas aufwändiger in einem Schnittbildverfahren (> Abb.) gemessen werden. Die bildgebende Darstellung (Ultraschall, CT, MRI) ermöglicht eine verlässliche Unterscheidung von viszeraler versus subkutaner Fettgewebsansammlung und wird in erster Linie in Studien angewendet. Crosssektionale Beobachtungsstudien und prospektive Studien konnten hier direkte Zusammenhänge von Ausmaß und Progression von Markern für subklinische Atherosklerose (Intima- Media-Dicke [IMT], Endothelfunktion, Plaqueausmaß) und viszeraler Adipositas zeigen. Wir fanden in einer prospektiven Studie eine Verbesserung dieser Marker bei adipösen Patienten 18 Monate nach einer bariatrischen Operation mit entsprechender Gewichtsreduktion. Der Bedeutung der viszeralen Adipositas wird in den Kriterien des metabolischen Syndroms Rechnung getragen, ein erhöhter Bauchumfang (> 102 cm beim Mann und > 88 cm bei der Frau) ist ein wesentliches Kriterium des metabolischen Syndroms (National Cholesterol Education Program, NCEP).
Insulinresistenz, Inflammation und Adipozytokine: Die beim adipösen Patienten häufig vorkommende Insulinresistenz ist neben den metabolischen Auswirkungen auf Glukoseund Lipidstoffwechsel assoziiert mit einer geringgradigen chronischen Inflammation, die wiederum durch eine Dysbalance von Mediatoren des Immunsystems und des Fettgewebes getriggert wird. Letztere werden als so genannte Adipozytokine bezeichnet. Eine Reihe von proinflammatorischen Zytokinen führen bei der adipositasassoziierten Insulinresistenz zu einer chronischen sytemischen Inflammation. In erster Linie sind hier die proinflammatorischen Zytokine TNF-α, IL-1 und IL-6 zu nennen. Neben diesen Mediatoren spielen auch die Adipozytokine Adiponectin (vermindert bei Adipositas und Typ-2-Diabetes), Leptin und Resistin eine entscheidende Rolle, die als wesentliches Bindeglied zwischen viszeraler Adiopsitas, Insulinresistenz und chronischer Inflammation angesehen werden. Darüber hinaus haben Veränderungen der Blutspiegel von Gerinnungsfaktoren (Erhöhung von PAI-1, v-WF und Fibrinogen) beim adipösen Patienten neben der prokoagulatorischen Wirkung auch einen proinflammatorischen Effekt. In Summe führen die hier erwähnten Faktoren über chronische subklinische Inflammation, metabolische und prokoagulatorische Effekte zu Atheroskleroseentstehung, Atheroskleroseprogression und thrombotischen Gefäßverschlüssen mit den daraus resultierenden klinischen Erscheinungsbildern.
Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) und kardiovaskuläres Risiko: Die Prävalenz der NAFLD bei adipösen Patienten oder Diabetikern beträgt 70–90 %, das Schicksal dieser Patienten wird häufig nicht durch eine progrediente Lebererkrankung, sondern durch kardiovaskuläre Ereignisse bestimmt. Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko von Patienten wurde in einer Reihe von crosssektionalen und prospektiven Studien belegt. Obwohl viele Faktoren bei Patienten mit NAFLD und (viszeraler) Adipositas gleichzeitig bestehen, scheint die NAFLD in der Pathogenese der Atherosklerose eine zusätzliche kausale Rolle zu spielen. Dafür spricht eine starke Korrelation des histologischen Schweregrades der NAFLD mit inflammatorischen und prokoagulatorischen Labormarkern, unabhängig vom Ausmaß der viszeralen Adipositas oder von pathologischen metabolischen Veränderungen. Neben der organspezifischen Problematik der NAFLD sollte diese Erkrankung daher als zusätzlicher kardiovaskulärer Risikomarker betrachtet werden. Eine aggressive Behandlung der assoziierten Risikofaktoren sollte bei diesen Patienten in Betracht gezogen werden.
FACT-BOX
• Neben den klassischen, mit Adipositas
assoziierten Risikofaktoren wie Dys –
lipidämie, Diabetes und Hypertonie
spielen die viszerale Adipositas, Insulinresistenz,
chronische Inflammation
und NAFLD eine entscheidende pathophysiologische
Rolle in Entstehung und
Progression der Atherosklerose des
adipösen Patienten.
• Eine Reihe von Mediatoren mit proinflammatorischer
und prokoagulatorischer
Wirkung konnten identifiziert
werden.
• Das bessere Verständnis der Pathogenese
und der Risikofaktoren für Atherosklerose
beim adipösen Patienten
könnte, neben der Vermeidung und
der Reduktion von Übergewicht, eine
Grundlage für die Entwicklung neuer
Therapieoptionen bei Adipositas-assoziierten
kardiovaskulären Erkrankungen
darstellen.