Urolithiasis – Abklärung und Therapie

Abklärung

Harnsteine entstehen als Folge einer komplexen physikalischen, biochemischen oder auch urodynamischen Störung im Körper und hinter jeder Steinart stehen spezielle Risikofaktoren, welche evaluiert werden müssen. Zur Evaluierung jeder Steinerkrankung gehört primär eine urologische Untersuchung zum morphologischen und funktionellen Ausschluss von Störungen des Harnabflusses bzw. zum Nachweis einer Nephrokalzinose mittels Sonografie bzw. Computertomografie. Bei Rezidivgeschehen bzw. bei den so genannten „Hochrisikopatienten“ (> Abb. 1) ist eine exakte metabolische Abklärung (> Abb. 2) erforderlich.
Basis der Diagnostik ist eine exakte Anamnese mit Erhebung einer familiären Disposition. Die allgemeine internistische Anamnese sollte die Frage nach entzündlichen Darmerkrankungen, Gicht, Diabetes mellitus, rezidivierenden Harnwegsinfekten (vor allem mit Urea-spaltenden Keimen) sowie die Erhebung der medikamentösen Therapie und eine exakte Ernährungsanamnese beinhalten. Die Ernährungsanamnese ist Bestandteil der metabolischen Basisdiagnostik und stellt neben der Steinanalyse die wichtigste Grundlage der Rezidivprophylaxe dar. Die modernen physikalisch-chemischen Methoden (Infrarotspektroskopie/ Röntgendiffraktometrie) bieten die Möglichkeit einer sehr differenzierten Unterscheidung.

 

Ursachen und Differenzialdiagnosen

Für die Ursachenfindung und auch als Differenzialdiagnose sind sowohl eine Blut- als auch ein Harnanalyse notwendig. Da die meisten Faktoren im Harn tageszeitlich bzw. nahrungsabhängig erheblich schwanken, ist für eine adäquate Diagnostik eine 24-h-Harnsammlung erforderlich. Aufgrund der Fehleranfälligkeit der Sammlung sollte diese stets bezogen auf das Körpergewicht kontrolliert werden. Frühestens 4–6 Wochen nach der letzten Steinepisode bzw. nach der letzten urologischen Intervention sollten zumindest 2 unabhängige Harnsammlungen über 24 Stunden erfolgen. In > Abb. 3 sind die wichtigsten messbaren steinbildenden bzw. -inhibierenden Faktoren zusammengefasst. Obwohl beim Großteil der Patienten keine isolierte Ursache für die Steinentwicklung gefunden werden kann, sollten in Abhängigkeit von den erhobenen Risikofaktoren weiterführende Untersuchungen erfolgen, die im Folgenden nur kurz zusammengefasst dargestellt werden sollen:

Bei bestehender Hyperkalziurie ist entscheidend, ob auch eine Hyperkalziämie vorliegt. Ist dies der Fall, muss ein primärer Hyperparathyreoidismus (intaktes Parathormon/PTHi hoch) von paraneoplastischen Ursachen (PTHi niedrig) sowie Vitamin-D-assoziierten Erkrankungen/-Intoxikationen oder einer Sarkoidose abgegrenzt werden. Bei isolierter Hyperkalziurie können seltene hereditäre Erkrankungen (z. B. familiäre Hypomagnesiämie mit Hyperkalziurie und Nephrokalzinose) zugrunde liegen. Bei konstant alkalischen Harn-pH-Werten (U-pH) und gleichzeitig bestehender metaboler Azidose kann auch eine renal tubuläre Azidose für die Nierensteinbildung verantwortlich sein. Eine Gruppe heterogener Störungen wird unter dem Begriff einer idiopathischen Hyperkalziurie, die per se eine Ausschlussdiagnose darstellt, subsumiert. Diese kann entweder durch vermehrte gastrointestinale Resorption oder durch eine verminderte renale Kalziumabsorption bedingt sein, was sich recht einfach mittels Nüchternanalyse der Kalziumausscheidung vs. der Ausscheidung nach einem Kalziumbelastungstest differenzieren lässt.

Bei einer stark ausgeprägten Hyperoxalurie (> 1 mmol/d) ist eine weitere Abklärung hinsichtlich einer primären Oxalose indiziert.

Eine Hypozitraturie findet man bei den renaltubulären Azidosen, bei Darmresorptionsstörungen oder unter Thiazidtherapie. Jedoch besteht in bis zu 50 % der Steinträger eine idiopathische Hypozitraturie.

Harn-pH-Werte im sauren Bereich (U-pH < 5,5) sind vor allem mit Harnsäuresteinen assoziiert, alkalische Harn-pH-Werte (U-pH > 6,5) sind typischerweise bei der renal-tubulären Azidose Typ I oder bei Infektsteinen vorzufinden.

Therapie und Metaphylaxe

Ziel der allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe ist die Senkung der relativen Übersättigung des Urins mit lithogenen Substanzen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Harnsteinbildung vermindert wird. Unabhängig vom Risikoprofil des Steinpatienten oder von seiner Konkrementart sollten diese effektiven Maßnahmen durchgeführt werden.

„Trinkprophylaxe“ und Ernährung: Für eine erfolgsversprechende Metaphylaxe sollte in erster Linie eine ausreichende Diuresemenge von über 2 Litern angestrebt werden. Die Ernährung sollte sich ausgewogen, ballaststoffreich mit einer ausreichenden Kalziumzufuhr von 1,0–1,2 g täglich gestalten, da entgegen früherer Meinung eine Kalziumrestriktion zu einer Erhöhung der Rezidivrate insbesondere kalziumhältiger Steine führt. Oral zugeführtes Kalzium geht mit Oxalat einen schlecht resorbierbaren Komplex ein und führt über eine verminderte Aufnahme zu einer Reduktion der Oxalurie.

Akuttherapie: In der Akutphase ist eine adä – quate analgetische Therapie, beispielsweise mittels NSAR bzw. auch in Kombination mit Opiaten, vordergründig. Ein Spontanabgang ist bei einer Größe von unter 1 cm möglich und wird auch bei fehlenden Komplikationen und adäquater Symptomenkontrolle angestrebt. In Abhängigkeit von der Steingröße und -lokalisation ist dies in 25 % bis über 90 % erfolgreich. Alphablocker wie zum Beispiel Tamsulosin, aber auch Kalziumantagonisten wie Nifedipin können die Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs deutlich erhöhen. Bei Erfolglosigkeit ist meist eine interventionelle Steinentfernung notwendig. Eine medikamentöse Steinauflösung (orale Litholyse) ist nur bei den Harnsäuresteinen möglich.
Grundsätzlich wird der Einsatz von Medikamenten erst empfohlen, wenn nach mehrmonatiger diätetischer Intervention die Therapieziele im 24-h-Harn nicht erreicht werden oder klinisch radiologisch ein fortgesetztes Steinwachstum anzunehmen ist.

Alkalisierung: Bei den häufigsten Kalziumoxalatsteinen kann eine Alkalisierung von Harn und Plasma die Zitratausscheidung erhöhen. Die vermehrte Zitratausscheidung wiederum führt einerseits zu einer Komplexierung von Kalzium, andererseits wird durch die Alkalisierung die Kalziumfreisetzung aus dem Knochen gehemmt. Bei Kalziumoxalatsteinen ist eine geringere Wachstumstendenz zu verzeichnen, bei Harnsäuresteinen und teilweise bei Cystinsteinen vermag eine Harnalkalisierung zu einer Litholyse führen (pH-Ziel bei Litholyse: > 7,0–7,5). Jedoch ist Vorsicht bei den seltenen Kalziumphosphatsteinen und Struviten, bei denen ein Anstieg des HarnpH- Werts > 6,2 im Rahmen der Metaphylaxe ungünstig ist, geboten. In Österreich gibt es die Möglichkeit, Kalioral®-Pulver (Kaliumzitrat/- karbonat) mit einer mittleren Tagesdosis von 2 Säckchen oder Uralyt® U (Natrium-/ Kaliumzitrat) mit einer mittleren Tagesdosis von 4 ml (1/1/2) zu verordnen.

Ansäuerung: Nur Infekt-/Struvitsteine und Kalziumphosphatsteine würden eine Indikation für eine Ansäuerung, mit einem Ziel-HarnpH < 6,2, zumeist mit Acimethin® (L-Me – thionin) 3-mal 500 mg täglich darstellen.

Thiaziddiuretika: Thiazide führen zu einer verstärkten tubulären Kalziumrückresorption und vermindern dadurch die Kalziurie. Dadurch kann die Ereignisrate erheblich gesenkt werden, sofern eine Hypokaliämie, die wiederum in einer unerwünschten Hypozitraturie resultieren würde, vermieden wird. Als gängige Therapie wird in Österreich ein Hydrochlorothiazid (HCT® Lannacher) in der Dosierung 25 mg bis zu maximal 100 mg täglich verordnet, das wegen seiner kurzen Halbwertszeit idealerweise 2-mal mal täglich eingenommen werden sollte. Sofern es da – runter zu einer Hypokaliämie kommt, wäre empfohlen, auf ein Kombinationspräparat mit  einem Kaliumsparer (Amilorid), wie z. B. Moduretic®, umzustellen. Auch Indapamid (Fludex®) mit 1,5–3 mg/d, bei dem primär weniger Hypokaliämien zu beobachten sind, stellt eine Therapieoption dar.

Urikostatische Therapie: Eine Hemmung der Harnsäureproduktion ist insbesondere bei den Harnsäuresteinen wünschenswert, wird aber durchaus auch bei kalziumhältigen Steinen mit gleichzeitig bestehender Hyperurikosurie angestrebt.

Magnesiumsubstitution: Auch Magnesium kann auf ähnliche Weise wie Kalzium oxaluriesenkend wirken, indem es mit dem Nahrungsoxalat einen schlecht resorbierbaren Komplex eingeht. Als zusätzlichen Vorteil wird ihm ein antilithogener Effekt zugeschrieben. Handelsübliche Präparate wie Magnosolv ® oder Magnonorm® können in einer Dosierung von 300–400 mg täglich als Therapie eingesetzt werden.

Steinspezifische Metaphylaxe: Bei bekannter Steinzusammensetzung kann und soll basierend auf den Befunden des 24-h-Harns und aufbauend auf spezifischen Diätempfehlungen auch eine optimale medikamentöse Metaphylaxe, je nach individuellen Risikofaktoren, eingeleitet werden.
Bei den sehr seltenen, aber schwierig zu behandelnden Cystinsteinen kommen neben der Harnalkalisierung außerdem Medikamente aus der Arzneigruppe der Chelatbildner zum Einsatz, die die Cystinurie vermindern können (Penicillamin, Tiopronin).
Bei unbekanntem Stein kann nach Ausschluss spezifischer Ursachen wie eines primären Hyperparathyreoidismus und einer renalen tubulären Azidose (RTA) Typ I in den meisten Fällen von einem Kalziumoxalatstein ausgegangen werden. Dementsprechend kann eine Metaphylaxe bei Vermeidung einer dauerhaften Harnalkalisierung (U-pH > 6,2) im Hinblick auf die bestehende Möglichkeit eines Kalziumphosphatsteins eingeleitet werden.