Der 54. International Liver Congress 2019 (ILC) gab zahlreiche Einblicke zu den neuesten Forschungsergebnissen im Bereich der Hepatologie. In diesem Artikel werden die Highlights aus dem Gebiet der viralen Hepatitis zusammengefasst.
Laut Angaben der WHO wird die Anzahl der HBV-Infizierten weltweit auf circa 257 Millionen geschätzt, wobei in etwa 780.000 Menschen jährlich an den Folgen dieser Erkrankung sterben. Die WHO hat sich die Beseitigung der Virushepatitis, als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, bis 2030 zum Ziel gesetzt.
Lenvervimab ist Gegenstand aktueller Forschung. Es handelt sich hierbei um einen monoklonalen Antikörper gegen HBsAg, der im Mausmodell bei chronischer Hepatitis B (CHB) einen anhaltenden HBsAg-Verlust induzieren kann. Ein anhaltender Verlust von HBsAg wird als Marker für die funktionelle Heilung angesehen. Es ist bekannt, dass HBsAg die Immunantwort gegen HBV unterdrückt, und nun wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Elimination von HBsAg zur Wiederherstellung der adäquaten Immunantworten führen könnte. Kim JH et al. fanden heraus, dass die Verwendung von Lenvervimab zu einem kompletten HBsAg-Verlust im Mausmodell führte, sodass die Autoren hierdurch einen potenziellen Weg zur funktionellen Heilung für die HBV-Infektion gefunden haben könnten.
Entecavir (ETV)/Tenofovir (TDF): Yip T et al. beschäftigten sich mit den potenziell ungünstigen Folgen bereits etablierter Therapeutika. Die Studienautoren konnten nachweisen, dass Patienten unter ETV ein höheres Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) aufweisen als Patienten unter TDF: Es wurden Daten von insgesamt 29.350 CHB-Patienten analysiert, wobei 1.309 (4,5 %) Patienten TDF und 28.041 (95,5 %) ETV erhielten. Bei einem medianen Follow-up von 3,6 Jahren entwickelten 8 Patienten (0,6 %) der TDF-Gruppe und 1.386 (4,9 %) der ETV-Gruppe ein HCC. Die kumulative 5-Jahres-Inzidenz betrug schlussendlich 7,0 % für ETV und 1,1 % für TDF. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die Behandler sind derzeit noch nicht absehbar und bedürfen einer prospektiven Validierung.
Weitere vielversprechende Ergebnisse: In einer Reihe von Phase-I- und -II-Studien wurden mehrere Substanzen getestet, die teilweise sehr erfolgsversprechende Ergebnisse liefern. Eine Zusammenfassung ist in Tabelle 1 aufgelistet.
Weltweit wird die Anzahl an Personen, die an einer chronischen Hepatitis-C-Infektion (CHC) leiden, von der WHO auf ungefähr 71 Millionen geschätzt; schätzungsweise sterben 399.000 Menschen an den Folgen einer CHC. Mit den heute zu Verfügung stehenden Substanzen lässt sich mittlerweile eine Heilung in über 95 % der Fälle erreichen und reduziert sich somit das Risiko, an einem HCC bzw. einer Zirrhose zu versterben. Dennoch ist der weltweite Zugang zu umfassender Diagnostik und auch Therapie niedrig.
Sofosbuvir (SOF)/Velpatasvir (VEL): Die Forschungsgruppe um Mangia A befasste sich mit der Frage der globalen Real-World-Evidenz von SOF und VEL als einfache und effektive Eliminationstherapie. Ausgewertet wurden Daten von 5.541 Patienten, die über 12 Wochen mit SOF/VEL therapiert wurden (unabhängig von Genotyp, Fibrosegrad, vorliegender kompensierte Zirrhose [CC], Vortherapie mit pegINF + Ribavirin ± Proteaseinhibitor). 98,5 % der Untersuchten zeigten ein anhaltendes virologisches Ansprechen (SVR). Kernaussage der Arbeit war, dass eine HCV-Elimination einfach und hocheffektiv unter einer 12-wöchigen Therapie mit SOF/VEL zu erreichen sei, unabhängig von Genotyp, Zirrhosestatus oder Vortherapie.
Glecaprevir (GLE)/Pibrentasvir (PIB): Eine von der deutschen Arbeitsgruppe um Cornberg M vorgestellte Studie befasste sich mit der Sicherheit und Effektivität einer HCV-Therapie mit GLE/PIB – mit speziellem Augenmerk auf Patientenerfahrungen. 56 % der in die Studie eingeschlossenen Patienten wiesen Ko-morbiditäten auf (psychiatrische Erkrankung, Alkohol- bzw. Drogenabusus, laufende Substitutionstherapie, HIV-Koinfektion). Die ITT-SVR12-Rate lag bei 96,6 %; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 17 Patienten auf, wobei 3 davon vermutlich therapieassoziiert waren. Nach Auswertung der verfügbaren Patientenberichte verbesserte sich sowohl der mentale als auch der physische SF-36-Score („Short Form [36]“-Gesundheitsfragebogen). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die GLE/PIB-Therapie sicher und hocheffektiv ist und einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Untersuchten hatte.
Eine weitere interessante Arbeit von Drysdale K et al. fand heraus, dass der Therapieerfolg einer Kombination aus SOF/VEL und Ribavirin (RBV) für eine Therapiedauer von 12 Wochen bei CC-Patienten mit Genotyp 3 signifikant höher war als bei den Vergleichsgruppen (Tab. 2). Verglichen mit GLE/PIB mono fand sich hinsichtlich der Signifikanz kein Unterschied.
Seltene Subgenotypen: In den bisher präsentierten Studien fanden sich allseits hohe Eliminationsraten nach der Therapie, unabhängig vom Genotyp. Eine spannende Studie aus Großbritannien (Childs K et al.) zeigte allerdings eine inakzeptabel niedrige SVR-Rate bei Afrikanern mit atypischen HCV-GT1- und -GT4-Subgenotypen (non-GT1a/1b, nichtsubtypisierbarer GT1 bzw. non-GT4a/4d). Von 91 erfassten Patienten wiesen 47 (52 %) einen dieser seltenen Subtypen auf. Bei Patienten mit atypischem GT1-Subtyp lag die SVR12-Rate bei nur circa 73 % (19/26 Patienten), bei den anderen Genotypen zum Teil noch niedriger – ein in der heutigen Zeit inakzeptabler Wert. Das SVR-Versagen bei Patienten mit atypischem GT1 wurde bei einer Therapie mit NS5A-Inhibitoren beobachtet, jedoch nicht mit Proteaseinhibitoren. Diese Feststellungen könnten das HCV-Eliminationsziel 2030 der WHO mit den bisher zur Verfügung stehenden DAAs gefährden.
In der SMART-Studie konnte veranschaulicht werden, dass auch mit vereinfachtem Monitoring (Medikamentenausgabe, keine On-Treatment-Kontrollen) während der Therapie praktisch idente Heilungsraten erzielt werden konnten. Dies stellt natürlich eine wesentliche Erleichterung für Patienten dar; insbesondere Regionen, in denen lange Anreisewege vorhanden sind, könnten von diesen Erkenntnissen profitieren.
Jährlich infizieren sich weltweit etwa 20 Millionen Menschen mit HEV, welche in circa 3,3 Millionen Fällen symptomatisch auftritt.
Im Jahr 2015 starben laut WHO geschätzt 44.000 Menschen an den Folgen der Erkrankung. Risikogruppen für einen fulminanten bzw. chronischen Verlauf sind Schwangere (v. a. im 2. und 3. Trimenon) bzw. Immunsupprimierte.
Mortalität und Morbidität: Eine Arbeitsgruppe aus Schottland (Wallace S et al.) untersuchte die Mortalität und Morbidität der HEV in ihrer Heimat. Daten von 416 Patienten zeigten, dass HEV derzeit die häufigste akute Hepatitis in Schottland darstellt. 257 Patienten (61,8 %) mussten hospitalisiert werden, die Mortalität lag bei 3,6 % (n = 15). Das Risiko für eine symptomatische Infektion war bei Patienten mit Zirrhose, Diabetes mellitus sowie auch bei Immunsuppression höher.
Sofosbuvir: Abschließend sei noch erwähnt, dass im Rahmen einer Pilotstudie bei chronischer HEV-Infektion (CHE) die Wirksamkeit und Sicherheit einer Monotherapie mit Sofosbuvir untersucht wurde. In dieser Phase-II-Studie wurden schlussendlich 9 Patienten mit CHE evaluiert, welche SOF 400 mg/d über 24 Wochen erhielten. Primärer Studienendpunkt war die Senkung der Viruslast unter die Nachweisbarkeitsgrenze nach 24 Wochen. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Senkung der ALT und damit moderate antivirale Wirksamkeit, jedoch erreichte kein Patient den primären Endpunkt und damit eine Heilung. Studien zu SOF + RBV zur Behandlung der CHE werden folgen.
Bereits etablierte Therapeutika haben in den vergangenen Jahren deutlich dazu beigetragen, die Heilungsraten bei viraler Hepatitis in ungeahnte Höhen zu bringen sowie die Morbidität und Mortalität zu verbessern. Das HCC-Risiko stellt sowohl bei einer HBV- als auch einer HCV-Infektion ein relevantes Problem dar. Möglicherweise kann durch eine Selektion der Medikation das Risiko moduliert werden. Ein vereinfachtes Monitoring während einer HCV-Therapie kann zu einer wesentlichen „Simplifikation“ beitragen. Eine Hürde bei HCV ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass es Patienten gibt, die keinem „klassischen“ Genotyp zuzuordnen sind; hierdurch erschwert sich die Behandlung. Diese Patienten gilt es ausfindig zu machen, um entsprechende Therapien einleiten zu können. Neue Herausforderungen ergeben sich auch durch die Zunahme an HEV-Infektionen. Diesbezüglich nimmt die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten stetig an Bedeutung zu.