Univ.-Prof. Dr. Franz Weidinger: Die ersten Stents wurden um die Jahrtausendwende eingesetzt, es handelte sich dabei zunächst um unbeschichtete Stents, sogenannte Bare-Metal-Stents (BMS). Einige Jahre später folgten die ersten medikamentenbeschichteten Stents, also Drug-eluting-Stents (DES). In anderen Worten: Stents werden seit ca. 20 Jahre verwendet, DES seit ca. 15 Jahren.
Im Jahr 2017 wurden in Österreich 56.000 Herzkatheter-Untersuchungen bzw. -Eingriffe durchgeführt. Darunter waren 23.800 perkutane Koronarinterventionen (PCI), bei denen fast ausschließlich (96 %) DES zum Einsatz kamen. Das entspricht auch den aktuellen Leitlinien, die nur noch DES und keine BMS mehr empfehlen.
Es ist heute praktisch Standard, dass jeder Patient, bei dem eine Koronarstenose gedehnt wird, auch einen Stent erhält. In Österreich gibt es insgesamt 34 Herzkatheterlabore. In Wien haben sich sechs Spitäler – darunter auch die Rudolfstiftung, an der ich tätig bin – zu einem Herzinfarkt-Netzwerk (Vienna STEMI Network) zusammengeschlossen, um eine interventionelle Herzinfarkt-Behandlung rund um die Uhr sicherzustellen.
Der größte Qualitätssprung war sicherlich der Übergang von den unbeschichteten zu den medikamentenbeschichteten Stents. Diese Entwicklung hat die Wahrscheinlichkeit einer Restenose, sprich Wiederverengung des Gefäßes, deutlich gesenkt. Unterschiede gibt es auch, was die Art der Medikamentenbeschichtung der Stents betrifft, so wird bei neu entwickelten Stents teilweise auf die Polymer-Beschichtung verzichtet, was zu einer besseren Einheilung der Stents beiträgt.
Daneben wurden auch die Streben (Struts) der Stents immer dünner: Die ersten Stents wiesen eine Strebendicke von 140 µm auf, heute liegen wir bei der Hälfte. Diese Verbesserung hat wesentlich zum Rückgang der gefürchteten Stentthrombose beigetragen. Aktuell liegt die Stentthromboserate bei ca. 0,5 % pro Jahr.
Das Konzept der bioresorbierbaren Koronarstents oder Scaffolds, in das große Hoffnungen gesetzt wurden, hat in den vergangenen 2–3 Jahren einen großen Rückschlag erlitten. Langzeitdaten für diese sich völlig selbstauflösenden Stents haben gezeigt, dass es auch nach Jahren noch zu Verschlüssen bzw. Wiederverengungen kommen kann. Die erwarteten Erfolge konnten zumindest mit den ersten Prototypen der bioresorbierbaren Koronarstents nicht erzielt werden; im Gegenteil war die Rate für Stentthrombosen und Myokardinfarkte sogar erhöht. Als Konsequenz daraus gibt es in den neuen Leitlinien eine Nichtempfehlung für diese Art der Stents. Das Konzept wird wohl im Rahmen von Studien weiter untersucht, in der täglichen Routine kommen bioresorbierbare Stents momentan aber nicht zum Einsatz.
Hier ist vor allem der Wechsel des Zugangs zu nennen. Während der Herzkatheter früher über Punktion der großen Leistenarterie eingebracht wurde, wird heute weltweit die wesentlich kleinere Radialisarterie am Handgelenk verwendet. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass durch die transradiale Kathetertechnik nicht nur Blutungskomplikationen, sondern auch harte Endpunkte wie die Mortalität gesenkt werden können.
Hier ist zwischen dem akuten Koronarsyndrom, also dem Herzinfarkt, und der stabilen koronaren Herzerkrankung (KHK) zu unterscheiden.
Der akute Herzinfarkt (ST-Strecken-Hebungsinfarkt, STEMI) wird heute lege artis mit einer PCI und Stent behandelt und nicht mehr wie früher mit einer Thrombolyse. Voraussetzung ist, dass die Primär-PCI zeitgerecht, d. h. innerhalb von 90–120 Minuten nach STEMI-Diagnose, durchgeführt werden kann. Es gilt: Je schneller die PCI nach einem akuten Herzinfarkt durchgeführt wird, desto besser das Outcome und Überleben des Patienten. Eine österreichweite Erhebung für das Jahr 2018 zeigte eine Sterblichkeitsrate von 5,8 % für den mit PCI behandelten akuten Herzinfarkt (STEMI). In der Gruppe der stabilen Patienten, die sich nicht im kardiogenen Schock befanden, lag die In-Hospital-Sterblichkeit bei nur 2,9 %. Diese österreichischen Daten decken sich auch mit internationalen Daten. Die Sterblichkeit im akuten STEMI ist heute also sehr niedrig, wenn er mit einer erfolgreichen Primär-PCI behandelt wird – sicher einer der größten Fortschritte der letzten 15 Jahre.
Die Weiterentwicklung der Stenttechnologie sowie prozedurale Verbesserungen haben bei der stabilen KHK zu einer Erweiterung der Indikationen für eine Stentimplantation geführt. So können Mehrgefäßerkrankungen heute zunehmend mit Stents behandelt werden, und auch die Hauptstammstenose, früher eine reine Domäne der Bypass-Chirurgie, kann mit einer PCI behandelt werden, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. In den neuen Leitlinien der ESC ist sehr genau festgelegt, welche Patienten potenzielle Kandidaten für eine Stentimplantation sind.
Prinzipiell profitieren alle Patienten, bei denen die Indikation zur Stentimplantation lege artis gestellt wird. Eine risikoreiche Gruppe – für jegliche Art der Intervention – ist die der älteren Patienten. Als interventionelle Kardiologen müssen wir hier besonders vorsichtig sein. Warum? Weil diese Patienten vermehrt verkalkte Verengungen aufweisen, und das ist immer eine Herausforderung für die Stentimplantation. Die Gefäße können so verhärtet sein, dass sie sich auch mit Hochdruckballonen (bis zu 35 Atmosphären) nicht erweitern lassen.
Eine weitere Hochrisikogruppe ist die der Diabetiker. Wir wissen seit einigen Jahren, dass Patienten mit einem Diabetes mellitus und einer komplexen KHK von einer Bypass-Operation langfristig mehr profitieren als von einer PCI. Das hat die großangelegte randomisierte FREEDOM-Studie gezeigt.
Frauen haben – zumindest statistisch – eine höhere Komplikationsrate. Woran das liegt, weiß man nicht genau. Vielleicht an den insgesamt kleineren Gefäßen, die per se ein Risiko für das Langzeitergebnis nach Stentimplantation darstellen. Statistisch gesehen haben Frauen auch ein höheres Risiko für Blutungskomplikationen. Wichtig ist, dass nach Korrektur für Begleiterkrankungen, Alter und andere Faktoren, Frauen ebenso gut wie Männer profitieren.Weibliches Geschlecht alleine ist kein Risikofaktor für schlechtere Ergebnisse.
Generell spielen die anatomischen Verhältnisse eine wichtige Rolle: stark geschlängelte oder sehr kleine (< 2 mm) Gefäße sowie lange Verengungen im Sinne einer diffusen KHK sind mit schlechteren Langezeitergebnissen nach Stentimplantation assoziiert.
Bei der Ballondilatation ohne Stenteinlage – wie sie in den 1980er- und 1990er-Jahren durchgeführt wurde – lag die Wiederverengungsrate bei 30–50 %. Mit dem Aufkommen der BMS konnte sie auf 15–20 % reduziert werden. Den wirklichen Durchbruch brachte jedoch die Einführung der DES: Dank dieser Entwicklung liegt die Restenoserate heute bei nur noch 5–7 %.
Auch die bereits erwähnte Stentthromboserate war in den Anfängen deutlich höher als heute. Der thrombotische Verschluss war und ist eine gefürchtete Komplikation, die in den meisten Fällen zu einem akuten Herzinfarkt führt. Verbesserungen im Bereich der Stenttechnologie führten dazu, dass die Stentthromboserate heute deutlich unter 1 % liegt.
In den Anfangszeiten setzte man
auf Blutgerinnungshemmung mittels Marcumar® kombiniert mit Acetylsalicylsäure (ASS). Später verwendete man den Plättchenhemmer Ticlopidin. Es hat einige Jahre und einige Studien gebraucht, um auf die heute verwendete Kombination aus ASS und einem modernen P2Y12-Inhibitor zu kommen. P2Y12-Inhibitoren blockieren reversibel oder irreversibel den P2Y12-ADP-Rezeptor auf den Thrombozyten und hemmen so effektiv die Aggregation.
Nach Stentimplantation erhalten Patienten heute eine duale Antiplättchentherapie (DAPT), die dafür sorgt, dass der Stent nicht durch einen Thrombus verlegt wird und offenbleibt. Die DAPT besteht bei stabiler KHK aus ASS und Clopidogrel. Im akuten Herzinfarkt wird Clopidogrel durch einen der potenteren P2Y12-Inhibitoren Ticagrelor oder Prasugrel ersetzt.
Die DAPT wird im stabilen Zustand für 6 Monate, nach akutem Herzinfarkt für 12 Monate verabreicht. Mit diesem Therapieregime konnten akute und langfristige Komplikationen nach Stentimplantation deutlich reduziert werden. Die Frage nach der optimalen Dauer der DAPT ist noch nicht endgültig geklärt. So untersuchen aktuell verschiedene Studien, ob es sinnvoll sein könnte, die Antiplättchentherapie je nach Blutungsrisiko zu verkürzen bzw. zu verlängern.
Patienten, die z. B. aufgrund von Vorhofflimmern bereits antikoaguliert sind, benötigen nach Stentimplantation zumindest für eine gewisse Zeit eine sogenannte Triple-Therapie. Diese dreifache antithrombotische Therapie, bestehend aus dem Antikoagulans und zwei Plättchenhemmern, wird möglichst kurz verschrieben – meist nur für 4 Wochen. Danach wird eine der drei Komponenten, z. B. ASS, weggelassen, und nach 6 bzw. 12 Monaten kann wieder die reine Antikoagulation fortgeführt werden.
Die aktuell verwendete Kombinationstherapie hat sich sehr bewährt, und ich gehe davon aus, dass es auf absehbare Zeit bei diesen Substanzen bleiben wird. Wobei man die Patienten aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr natürlich engmaschig betreuen und, was die Einnahme der Medikamente betrifft, genau unterweisen muss.
Danke für das Gespräch!