In der Europäischen Union wird eine Krankheit als „selten“ bezeichnet, wenn sie bei weniger als 1 von 2.000 Menschen auftritt. In Österreich gibt es rund eine halbe Million Betroffene. Unter dem Begriff der seltenen Erkrankungen werden 6.000 bis 8.000 verschiedene Erkrankungen zusammengefasst, von denen etwa 80 % genetisch bedingt sind. Damit bekommt selbst ein erfahrener Arzt jede einzelne dieser Erkrankungen kaum einmal zu Gesicht. Zudem sind seltene Erkrankungen häufig sehr komplex mit unterschiedlich ausgeprägten oder unklaren Symptomen. Für betroffene Patienten ist der Weg daher oft lang und beschwerlich bis zur endgültigen Diagnose und damit zu einer wirksamen Therapie bzw., sofern diese nicht verfügbar ist, zu einer adäquaten Versorgung.
Die letzten Jahre haben einen enormen Wissenszuwachs auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen mit sich gebracht. Neue Methoden auf den Gebieten der genetischen Diagnostik und der bildgebenden Verfahren ermöglichen nun in bislang unklaren Fällen eine raschere Diagnose. Das damit verbesserte Verständnis für zugrundeliegende Pathomechanismen hat zur Entwicklung und Zulassung zahlreicher neuer Medikamente geführt. Mit der Einrichtung von ausgewiesenen Expertisezentren werden das Knowhow und die diagnostische Infrastruktur einerseits sowie die in der Regel äußerst kostenintensiven Therapien (u. a. Medikamente – „orphan drugs“) andererseits an die Betroffenen herangebracht. Die Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen an einigen wenigen Zentren schafft einen entsprechenden Zugewinn an Erfahrung und damit vermehrte Sicherheit im Umgang mit diesen Erkrankungen. Die enge Vernetzung der Expertisezentren auf nationaler und internationaler Ebene ermöglicht neben einem intensiven Wissensaustausch auch einen breiten Zugang zu internationalen Forschungsprojekten und die frühe Einbeziehung von Betroffenen in Therapiestudien. Angestoßen durch eine Initiative der Europäischen Union (European Reference Networks for Rare Diseases – ERN) wurde Anfang 2011 an der Gesundheit Österreich GmbH eine Nationale Koordinationsstelle für seltene Erkrankungen (NKSE) eingerichtet. Diese hat im Nationalen Aktionsplan für Seltene Erkrankungen in Österreich (NAP.se) notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Erkrankten und deren Angehörigen definiert. Eines von insgesamt neun Handlungsfeldern ist die Einrichtung von „definierten Expertisezentren und Labors für eine rasche, qualitätsgesicherte Diagnosestellung und Versorgung um bestmögliche, rasche und wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten“.
Das ZSKI ist eine qualifizierte Anlaufstelle für Betroffene, Angehörige und Ärzte. Hier haben sich 2011 in einem virtuellen Zentrum Experten verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen, um Patienten zu einer präzisen Diagnose, maßgeschneiderten Therapie sowie umfassenden Betreuung zu verhelfen.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Medizinern und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen können diese Ansprüche gewährleistet werden. Betroffene können dem richtigen Ansprechpartner zugewiesen werden und haben Zugang zur gesamten diagnostischen Infrastruktur der Universitätsklinik.
Nationale und internationale Kooperationen ermöglichen eine effiziente Forschung zu seltenen Erkrankungen und die Bündelung und den Austausch von neuem Wissen. Das Zentrum steht in enger Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige.
Aufgrund der bisherigen Aktivitäten und der damit erworbenen Expertise auf diesem Gebiet wurde im September 2018 die kardiologische Arbeitsgruppe von der NKSE als Assoziiertes Zentrum für seltene kardiale Erkrankungen bestätigt. Im Fokus des ZSKEI stehen die umfangreiche Diagnostik und zielgerichtete Therapie seltener Kardiomyopathien sowie die Beratung betroffener Familien. Kardiomyopathien sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Herzmuskels, die sowohl mit mechanischen als auch mit elektrischen Funktionsstörungen einhergehen können.
Sie sind entweder nur auf das Herz beschränkt oder manifestieren sich als Teil einer generalisierten Systemerkrankung. Die Ursachen sind häufig genetisch und nicht selten treten sie im Zusammenhang mit syndromalen Erkrankungen auf.
Schwerpunktmäßig werden folgende Kardiomyopathien behandelt:
Für Diagnose und Therapie dieser Erkrankungen ist eine umfassende interdisziplinäre Vernetzung innerhalb und außerhalb des ZSKEI sicher gestellt (Abb.). An nichtinvasiven bildgebenden Verfahren stehen neben der Echokardiografie, Cardio-CT und Cardio-MRI ein breites Spektrum an szintigrafischen Untersuchungen einschließlich DPD-Skelettszintigrafie und PET-CT zur Verfügung. Invasive kardiologische Verfahren umfassen die Endomyokardbiopsie und das gesamte Spektrum der interventionellen Kardiologie einschließlich Alkohol-Septum-Ablation (ASA) sowie die invasiven elektrophysiologischen Diagnose- und Therapieverfahren.
Das ZSKEI bietet direkten Zugang zu genetischer Beratung und Diagnostik sowie zu allen klinischen Fachdisziplinen an der Universitätsklinik Innsbruck. Neben der Betreuung am Zentrum selbst steht außerhalb des Zentrums eine umfassende Versorgung im Rahmen eines strukturierten ambulanten Versorgungsprogramms für Herzinsuzienz – HerzMobil Tirol – zur Verfügung. Zuweisungen in das ZSKEI sind über telefonische Terminvereinbarung möglich. Gegebenenfalls kann eine Anfrage auch über die Website des Vereines „Forum Seltene Krankheiten“ – www.forum-sk.at – per Mail erfolgen.