Neueinstellung und Umstellung einer intrathekalen Schmerztherapie: Es liegt in der Natur der Sache, dass neue Medikamente einerseits mit Skepsis, andererseits mit überhöhten Erwartungen behandelt werden. Insbesondere auch die Tatsache, dass es sich bei Ziconotid im Vergleich zu Opioiden, Muskelrelaxantien und Lokalanästhetika um ein relativ teures Medikament handelt. Dies hat nicht nur in Österreich dazu geführt, dass zunächst nahezu ausschließlich Patienten mit dieser Substanz behandelt wurden, welche auf eine intrathekale Opioid- bzw. opioidhältige Kombinationstherapie entweder nur unzureichend reagierten bzw. Nebenwirkungen entwickelten, welche die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigten.
Änderung der Dosierungsschritte: Die logische Folge war, dass je nach individueller Beobachtung, die bei internationalen „user meetings“ vorgebrachten Einschätzungen zur Wirksamkeit von Ziconotid zwischen absoluter Begeisterung bis absoluter Enttäuschung variierten. Es zeigte sich bald, dass die empfohlenen Dosierungsschritte von 1 μg/24 h bis zur Feststellung der Wirksamkeit in Dreitagesintervallen zu hoch gewählt waren und es zweckdienlicher erschien (eigene Erfahrung mit 65 Patienten), die Dosissteigerung in Schritten von 0,3–0,6 μg/24 h und in Intervallen von 5–7 Tagen vorzunehmen, um unerwünschte Nebenwirkungen tunlichst zu vermeiden.
Die im internationalen Literaturgut beschriebenen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Desorientierung, Wortfindungsstörungen, Parästhesien im Gesicht und/oder an den Extremitäten, muskuläre Schwäche und Geschmacksstörung konnten auch an unseren Patienten in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit beobachtet werden. Entscheidend war die Erkenntnis, dass derartige Nebenwirkungen deutlich seltener auftraten, wenn, wie bereits weiter oben erwähnt, die Dosissteigerung moderat, in enger Beobachtung und vor allem nach entsprechender intensiver Aufklärung der Patienten erfolgte.
Ziconotid zunächst zumischen: In gleicher Weise bewährte sich auch die Methode, ein bereits laufendes Therapieschema nicht durch Ziconotid zu ersetzen, sondern zunächst durch Zumischung zu ergänzen und je nach Wirkungseintritt mit Steigerung der Ziconotid-Dosis die Dosis des jeweils bereits enthaltenen Analgetikums zu reduzieren, bis eine ideale Balance von maximal erreichbarer Analgesie bei gleichzeitig maximaler Reduktion der unerwünschten Nebenwirkungen erzielt werden konnte. Diese Vorgangsweise hob sich deutlich von den ursprünglichen Empfehlungen ab, bei welchen gefordert wurde, eine intrathekale Therapie mit Opioiden auf eine venöses patientenkontrolliertes Infusionssystem umzustellen und die implantierte Pumpe ausschließlich mit Prialt® (Ziconotid) zu befüllen, um nach Titration auf die ideale Dosis letztlich bei einer reinen Prialt®-Therapie zu enden.
Unzureichende Monotherapie: Die eigenen Erfahrungen trugen auch zur Erkenntnis bei, dass bei der überwiegenden Mehrheit chronischer Schmerzpatienten eine Monotherapie mit Prialt® nicht den gewünschten Erfolg erzielt, vielmehr stellte sich heraus, dass lediglich bei 9 von 65 Patienten mit einer Prialt®-Monotherapie der Schmerzpegel auf ein für die Betroffenen erträgliches Maß gesenkt wurde. 4 dieser 9 Patienten, 2 Frauen und 2 Männer, wurden nach einigen Monaten aufgrund von unerwünschten Ne – ben wirkungen wieder auf Opioid-Kombinationen umgestellt. Somit blieben von 65 Patienten lediglich 5 (7,7 %), die mit einer Prialt®- Monotherapie subjektiv zufriedenstellend schmerzkontrolliert waren.
Problem der Testphase: Ein weiteres Problem bei der intrathekalen Therapie mit Prialt® ist die so genannte Testphase, in welcher über einen spinal gelegten Port-Katheter mittels externer Pumpensysteme festgestellt werden soll, ob und in welcher Dosis Ziconotid im Einzelfall geeignet ist, da nach ersten Empfehlungen die Substanz weder gemischt noch verdünnt werden sollte. Herkömmliche patientengesteuerte externe Pumpensysteme (PCA-Pumpen) gewährleisteten lediglich minimale Flussraten von 0,1 ml/Stunde, somit 2,4 ml in 24 Stunden. Bei einer Konzentration von 100 μg/ml und einer Initialdosis von 0,6–1,2 μg/24 Stunden war es also unvermeidlich, die Originalsubstanz mit physiologischer Kochsalzlösung zu verdünnen. Selbst mit Spezialpumpen wie der Crono- Five, welche eine minimale Flussrate von 0,005 ml/h, somit ein Minimum von 0,12 ml/24 Stunden gewährleistet, hätte bei unverdünnter Lösung die Initialdosis nicht unter 1,2 μg gesenkt werden können, somit war also auch hier eine Dilution in physiologischer Kochsalzlösung unvermeidlich.
Phänomen Dosiserhöhung: Entgegen der Bedenken hinsichtlich unzureichender Stabilität des Toxinmoleküls zeigte sich, dass auch bei Verdünnungen der Originallösung sowohl die erwünschte Wirkung als auch unerwünschte Nebenwirkungen dosisgleich zur Originallösung erzielt werden konnten. Allerdings konnte auch beobachtet werden, dass bei manchen Patienten, insbesondere wenn das Schmerzgebiet höher gelegene Segmente betraf, nach Umstellung auf die implantierte Pumpe und Originallösung, die Dosis erhöht werden musste, dies vor allem bei jenen Patienten, welche bei der externen Dosisfindung Flussraten von 4,8 ml/24 h oder mehr benötigten. Wir führten dieses Phänomen schließlich auf eine bessere Verteilung der Substanz durch die Mikroturbulenz um das Katheterende zurück. Diskussionen dieses Phänomens bei internationalen User-Meetings bestätigten unsere Hypothese, da auch andere Arbeitsgruppen derartige Phänomene beobachtet hatten.
ZUSAMMENFASSUNG: Die Substanz Ziconotid mit dem Markennamen Prialt® stellt zweifellos eine Bereicherung des intrathekalen Schmerzarmentariums dar. Ursprüngliche Bedenken hinsichtlich unzureichender Stabilität des Peptidgiftes bei Körpertemperatur, Exposition gegen körperfremde Ober flächen, bei Verdünnung oder Mischung mit anderen Analgetika haben sich nicht bestätigt. Vielmehr sind Mischungen von Ziconotid mit Opioiden, Lokalanästhetika und zentral wirkenden Relaxantien Inhalt von internationalen Konsensusempfehlungen.7 Eine derzeit noch laufende, internationale Studie, welche im Juli 2012 beendet werden soll, wird zeigen, welche Vor-und Nachteile Ziconotid gegenüber anderen intrathekal angewendeten Therapieregimen aufweist bzw. welche Kombinationsregime von Prialt® mit anderen Analgetika und Relaxantien sich am besten bewährt haben.
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2 McIntosh M., Cruz L.J., Hunkapiller M.W., Gray W.R., Olivera B.M.: Isolation and structure of a peptide toxin from the marine snail Conus magus. Arch Biochem Biophys 1982; 218 (1):329-334
3 Nicke A., Wonnacott S., Lewis R.J.: Alpha-conotoxins as tools for the elucidation of structure and function of neuronal nicotinic acetylcholine receptor subtypes. Eur J Biochem 2004; 271 (12):2305-2319
4 Leipold E., Hansel A., Olivera B.M., Terlau H., Heinemann S.H.: Molecular interaction of delta-cono – toxins with voltage-gated sodium channels. FEBS Lett 2005; 579 (18):3881-3884
5 Li R.A., Tomaselli G.F.: Using the deadly mu-conotoxins as probes of voltage-gated sodium channels. Toxicon 2004; 44 (2):117-122
6 Shon K.J., Stocker M., Terlau H., Stuhmer W., Jacobsen R., Walker C., Grilley M., Watkins M., Hillyard D.R., Gray W.R., Olivera B.M.: kappa-Conotoxin PVIIA is a peptide inhibiting the shaker K+ channel. J Biol Chem 1998; 273 (1): 33-38
7 Deer T.R., Smith H.S., Cousins M., Doleys D.M., Levy R.M., Rathmell J.P., Staats P.S., Wallace M., Webster L.R.: Consensus guidelines for the selection and im – plantation of patients with noncancer pain for intrathecal drug delivery. Pain Physician 2010; 13 (3):E175-213