Die Urikosurika sind wieder da! Können Sie sich noch daran erinnern, was wir in der Pharmakologie gelernt haben? Harnsäuresenkung durch Förderung ihrer renalen Ausscheidung? Und in der täglichen Verschreibungspraxis lange Zeit nicht vorhanden?
Mit den Urikostatika, Allopurinol und Febuxostat, lässt sich der Harnsäurepool bei guter Adhärenz der Patienten meist verkleinern. Der Abbau der Purine wird durch Hemmung der Xanthinoxidase vor der Produktion der Harnsäure in Richtung leichter harngängiger Metaboliten verändert. Wenn mit ausreichenden Dosen von Allopurinol oder Febuxostat der Zielwert der Serumharnsäure nicht erreicht wird, kann man (zusätzlich!) den tubulären URAT-1-Transporter mit Lesinurad hemmen und so die Harnsäureausscheidung verbessern.
Die Harnsäure ist ein Endprodukt des Abbaus von RNA und DNA, also von Nukleinsäuren, die Polymere von Nukleotiden sind. Die Purinnukleotide (GTP, ADP, ATP) spielen darüber hinaus andere wichtige Rollen im Metabolismus. So sind zum Beispiel purinerge Rezeptoren auf den meisten Zellen exprimiert. Außer der Funktion der Purine, Grundbausteine von DNA und RNA zu sein, spielen sie auch eine wichtige Rolle im Zellmetabolismus und im Energiehaushalt, sie sind bei der Regulation von Überleben und Proliferation wesentlich und kontrollieren auch die Mitochondrien. Die Purinosomen sind intrazelluläre Multienzymkomplexe, welche die Synthese der Energieversorger ATP und GTP bewerkstelligen.
Purinreiche Ernährung und die genetisch bedingte langsame Ausscheidung der Harnsäure führen zu dauerhaft erhöhten Harnsäure-Serumspiegeln sowie zur Sättigung des Gewebes mit Harnsäure, welche als Natriumurat ausfällt. Diese Kristallbildung geschieht hauptsächlich in den Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen und im Weichteilgewebe. Die Hyperurikämie (ein erhöhter Harnsäurespiegel) ist der wichtigste Risikofaktor für die Gicht, obwohl nur eine sehr kleine Zahl von Patienten mit Hyperurikämie auch wirklich eine Gichtarthritis bekommen. Die Gichtkristalle werden im Körper von Apolipoproteinen umgeben und eingehüllt, und erst wenn ein Kristall die schützende Hülle durchbricht, kommt es zur Aktivierung der Entzündung über das Inflammasom. Die Involvierung des Inflammasoms ist auch der Grund für die Wirksamkeit gegen IL-1 gerichteter therapeutischer Strategien (man könnte theoretisch die Gicht auch mit dem Biologikum Anakinra oder mit Canakinumab, einem IL-1-Antagonisten, behandeln).
Wiewohl die Harnsäurekristalle Jahrzehnte brauchen, um sich abzulagern, bedarf es doch noch eines Auslösers, damit es zur Gichtkrise, zur schmerzhaften Arthritis, zur Anschwellung des Gelenkes und seiner Umgebung kommt. Bekannte Auslöser sind direktes Trauma, schwere Krankheiten, welche die Akutphase (CRP) stark ausgelöst haben, Dehydration und Azidose (zum Beispiel nach Alkoholexzess), Medikation anderer Art und rasche Gewichtsabnahme.
Die Häufigkeit der manifesten Gicht ist nicht so hoch wie vermutet: So sind 1,4 % Prävalenz („jemals gehabt“) in der Literatur zu finden, das wären immerhin 100.000 Patienten in Österreich. Die Harnsäure ist natürlich bei viel mehr Menschen erhöht.
Da der Harnsäurespiegel sehr stark schwankt, ist es ratsam, ihn in einem zeitlichen Abstand zu einer eventuell schon stattgehabten Gichtattacke zu messen (2 Wochen). Es ist auch durchaus möglich, eine Gichtattacke bei derzeit normaler Harnsäure zu haben. Die Diagnose erfolgt klinisch, durch Punktion und den Nachweis von Urat (in dem mit Polarisator ausgestatteten Mikroskop), oder chemisch mit Hilfe der Purpurschneckensäure (Murexid-Probe, im urologischen Steinlabor). Moderne bildgebende Verfahren, wie z. B. die Dual-Energy-Computertomografie (DECT), erlauben eine separate räumliche Darstellung von Gichtablagerungen beim Patienten. Urat-Nephrolithiasis und im Intensivfall ein Nierenversagen seien als weitere Komplikationen einer Hyperurikämie erwähnt.
Was tun – jenseits der Biochemie – bei Gicht und Hyperurikämie? Zuerst sollte man dem Patienten den Unterschied zwischen Gichtarthritis und Hyperurikämie erklären. Die europäischen Empfehlungen bei Gicht sind, eine Harnsäurekonzentration von < 6 mg/dl zu halten (entspricht: 0,36 mmol/l), die britischen Richtlinien empfehlen eine Einstellung auf < 5 mg/dl (0,3 mmol/l). Dazu wird der Patient zunächst diätetisch beraten, die Evidenzen für den harnsäureansteigenden Effekt von rotem Fleisch, Innereien und Schalentieren aus dem Meer sind mehrfach in Metaanalysen bestätigt worden. Auch Alkohol fördert die Entwicklung einer Gicht bei Hyperurikämie, und natürlich ist regelmäßige moderate Bewegung des ganzen Körpers ein wichtiger Lifestyle-Faktor. 2-mal 1 Tbl. Lesinurad und 300 mg Allopurinol täglich einzunehmen sollte dann nur selten nötig sein.