Ein Wiener Forschungsteam untersuchte die Auswirkungen von Berichterstattungen zu Suiziden auf Twitter. Sie fanden Hinweise sowohl für den Papageno- als auch den Werther-Effekt.
Wie wirken sich Beiträge auf Twitter über Suizid und dessen Prävention auf die Suizidrate aus? Diese Frage stellte sich ein Forschungsteam von der Medizinischen Universität Wien und vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna, das auf der Suche nach Antworten mittels Künstlicher Intelligenz (KI) mehr als sieben Millionen Tweets untersuchte. Ein Teil der Ergebnisse gibt Hoffnung: Wurden in bestimmten Zeiträumen Hilfsangebote und Erfahrungsberichte gepostet, sank in dieser Zeit auch die Suizidrate – der sogenannte Papageno-Effekt.
Das Team ließ dabei die KI nach bestimmten Schlagwörtern suchen und verglich das Auftreten derer mit der Anzahl von Anrufen bei der US-Suizidpräventions-Hotline „Lifeline“ und den gemeldeten Suizidzahlen im selben Zeitraum. Laut Studienautor Thomas Niederkotenthaler sei dies „die erste groß angelegte Studie, die darauf hindeutet, dass das tägliche Volumen spezifischer auf die Suizidprävention bezogener Tweets mit einem höheren täglichen Niveau von hilfesuchendem Verhalten und einer geringeren täglichen Anzahl von Suizidtoten einhergeht“. Bei den Anrufen bei der Hotline sei der Effekte allerdings größer als bei den Suizidzahlen, trotzdem könne man darin Hoffnung für die Suizidpräventionsarbeit sehen.
Die Studie brachte allerdings auch ernüchternde Ergebnisse ans Licht, denn auch für den Nachahmungs- oder Werther-Effekt wurden – wenn auch weniger – Hinweise gefunden: Suizidgefährdete Menschen würden sich durch vermehrte Berichterstattung in ihrem Vorhaben bestätigt fühlen, die Suizidzahlen könnten steigen. Das war vor allem dann merkbar, „wenn im Kontext von aufsehenerregenden Suiziden sehr viel in sozialen Medien gepostet“ wurde. Ihre Untersuchung haben die Wiener Forscher im Auftrag einer US-NGO durchgeführt, da die Suizidraten in den USA im Gegensatz zu Europa in den letzten zwei Jahrzehnten angestiegen sind. Die Studien zur Forschungsarbeit des Teams um Thomas Niederkrotenthaler und Hannah Metzler sind in den Fachzeitschriften „Australian & New Zealand Journal of Psychiatry“ sowie im „Journal of Medical Internet Research“ erschienen. Die darin erwähnten Tweets wurden im Zeitraum zwischen 1. Jänner 2016 und 31. Dezember 2018 untersucht. (APA/kagr)