Die Ärztekammer plädiert für ein Nebeneinander von verschiedenen Versorgungsformen im niedergelassenen Bereich. Vorgaben lehnt man ab.
Die jüngste Aussage des stellvertretenden Obmanns der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, wonach Einzelordinationen schon bald der Vergangenheit angehören werden, stößt in der Wiener Ärztekammer auf Unverständnis. „Die Vertrauenshausärztin oder den Vertrauenshausarzt abschaffen zu wollen und ausschließlich durch Zentren zu ersetzen, ist nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten“, warnt Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart und es werde auch in Zukunft das Nebeneinander von Einzelpraxen, PVE sowie Ordinationsnetzwerken geben müssen. „Die Patientinnen und Patienten sind die Beitragszahler und wir wissen, dass sie sich beide Versorgungsformen wünschen – sowohl die Hausärztin und den Hausarzt, als auch Primärversorgungseinheiten“, sagt Erik Randall Huber, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Wien. Die ÖGK sei daher aufgerufen, im Sinne ihrer Beitragszahler beide Angebote zu unterstützen, anstatt gegeneinander auszuspielen.
„Natürlich bieten Primärversorgungseinheiten Vorteile, wie zum Beispiel lange Öffnungszeiten sowie ein Miteinander verschiedener Gesundheitsberufe“, ergänzt Huber. Aber: „Wir leben in einer Zeit, in der Patientinnen und Patienten nach wie vor auch wohnortnah zu ihrer langjährigen Vertrauensärztin oder ihrem langjährigen Vertrauensarzt gehen wollen.“ Es sei der falsche Weg, hier mit Zwang zu versuchen, Patientenströme zu lenken. „Wenn wir ausschließlich Primärversorgungseinheiten anbieten, riskieren wir, dass manche Menschen den Arztbesuch auslassen oder aufschieben, was in der Folge die Kosten für das Gesundheitssystem erhöhen könnte“, warnt Huber.
Für den Kurienobmann geht die Debatte außerdem am wahren Problem vorbei: In der längerfristigen Betrachtung zeige sich, dass die Zahl der Allgemeinmediziner:innen in Wien mit Kassenvertrag von rund 800 im Jahr 2010 auf knapp 690 im laufenden Jahr zurückgegangen ist – und das bei einem gleichzeitigen Bevölkerungswachstum von mehr als 200.000 Menschen. Huber: „Es gibt einen Versorgungsnotstand in der Allgemeinmedizin. Wir sollten endlich darüber diskutieren, wie wir die Kassenmedizin attraktiver gestalten können und uns dann erst über die Versorgungsformen den Kopf zerbrechen.“ (red)