Der ehemalige Österreichische Impfkoordinator Clemens Martin Auer analysiert öffentlich, was am Anfang der Corona-Pandemie gut und was schlecht gelaufen ist.
Clemens Martin Auer war jener Mann, der für Österreich 2020, das Jahr in dem die Corona-Pandemie ausgerufen wurde, in der EU-Verhandlungsgruppe zur Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen saß. Nach massiver Kritik vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz musste er im Frühjahr 2021 seine Funktion verlassen. Für die Wochenzeitung „Die Furche“ hat er nun eine Analyse über das Pandemiemanagement der EU und Österreichs geschrieben. RELATUS hat für Sie die wichtigsten Passagen aus dem Furche-Artikel zusammengefasst. (red)
Zum Anfang der Pandemie und den Wissensstand der WHO:
„Ich wusste, dass das Virus tödlich ist und es gefährlich werden könnte. Aber ich wusste im Jänner 2020 nichts über das Ausmaß, das über die Welt hereinbrechen würde.“
„Tatsächlich haben die chinesischen Behörden die relevanten Informationen über das Virus übermittelt, es gab das erste von der WHO freigegebene PCR-Testprotokoll. Das klang beruhigend – und mit diesem Wissenstand zur Hand gab es keinen Anlass, weiterführende Entscheidungen auf der globalen Ebene zu treffen.“ Auer nennt dies eine „Fehleinschätzung“.
Das Pandemiemanagement der österreichischen Regierung:
„In Österreich hat Bundeskanzler Sebastian Kurz den Kampf gegen die Pandemie zur Chefsache erklärt. Der Gesundheitsminister (damals Rudolf Anschober, Anm.) wurde als nützlicher Ministrant gerade noch geduldet, weil er mit zunehmender Trittfestigkeit zumindest den redegewandten epidemiologischen Erklärer abgeben konnte. Ich war nahe am Geschehen und habe die Last der Verantwortung selbst verspürt. Aber ich möchte nicht Regierungschef gewesen sein: Diese Last, einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lockdown verhängen zu müssen, ist kaum auszuhalten. Das tut man nicht, weil man einen Willkürakt setzen will.“
„Politisch hat es Lächerlichkeit gegeben, etwa das Sperren der Bundesgärten durch die Landwirtschaftsministerin (Elisabeth Köstinger, Anm.) im Frühjahr 2020, weil sie messerscharf befunden hat, die Leute könnten sich bei den Eingangstoren beim aneinander Vorbeigehen anstecken. Oder wie der Innenminister (Karl Nehammer, Anm.) die armen Polizisten ausschwärmen ließ, um Jogger oder Leute auf Parkbänken auf den rechten Weg zu weisen.“
„Heute wissen wir, dass wir bei den Kids und Lehrenden gleich impfen hätten sollen, um die Risken der Erkrankung zu minimieren.“
„Der einzig gravierende politische Fehler war der politische Beschluss der Impfpflicht: Grundsatz- und rechtspolitisch geortete Politiker hätten gewusst und verstanden, dass eine Impfpflicht – trotz allem Gezerre von Expertenmeinungen – immer eine Verletzung der Unversehrtheit des Körpers bedeutet und ausführlich begründet werden muss. Noch dazu bei dieser Covid-Impfung, die eine Übertragung der Krankheit nicht verhindert, sondern lediglich mildert. Die Debatte war unnötig und vom Zeitpunkt zu spät, weil weit über 70 Prozent der vernünftigen Bevölkerung sich von sich aus impfen lassen hatte oder bereits genesen war.“
Wissenschaftliche Fortschritte:
„So wenig das Kollektiv der Wissenschaft über die Pathogenität und Ausbreitung des Virus wusste, so muss es als erstes großes Weltwunder des 21. Jahrhunderts gelten, dass wir im Dezember 2020 mit behördlich zugelassenen (!) Impfungen beginnen konnten. Ich selbst bin dankbar, dass ich einen nicht kleinen logistischen und kaufmännischen Beitrag dazu leisten konnte, dass in allen 27 EU-Staaten alle Bürger den gleichen Zugang zu diesen Impfstoffen bekommen konnten. Wir haben damit Millionen Leben gerettet!“
Zum Artikel: „Coronapolitik: „Wir haben Millionen Leben gerettet!“