Die Gesundheitsreform wird in der Regierung zum vorrangigen Thema. Das zeigte sich am Dienstag beim Start der ersten Primärversorgungseinheit für Kinder- und Jugendheilkunde.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) haben am Dienstag erneut das neue Modell der Primärversorgungseinheiten (PVE) beworben. Bis 2025 hat die Regierung sich eine Verdreifachung auf 120 Einheiten vorgenommen. Sie seien wichtiger Teil der Gesundheitsreform, die gerade im Zuge des Finanzausgleichs verhandelt werde, sagte Rauch bei einem Besuch des künftig ersten Kinder-Primärversorgungszentrums in Wien. 33 neue PVE seien in der Pipeline, rechnete er vor.
Mit der Novelle für den Ausbau der PVE – sie hat zuletzt wie berichtet den Ministerrat bereits passiert, soll demnächst im Nationalrat beschlossen werden und mit 1. August in Kraft treten – werden als Reaktion auf den Kinderärztemangel auch reine Kinder-PVE ermöglicht. Sie sollen für Patient:innen Vorteile wie längere Öffnungszeiten und Betreuung durch Teams aus Ärzt:innen und anderen Gesundheitsberufen bringen. Für die Beschäftigten winken u.a. kollegialer Austausch und geregelte Urlaubsvertretung. „Ich weiß, es gibt noch viel zu tun in diesem Bereich“, räumte Nehammer ein. Das Gesetz gehe aber in die richtige Richtung. Rauch sprach von einem guten Beispiel dafür, welch breite Palette an Angeboten in den PVEs möglich sei, und das ohne Krankenhausatmosphäre.
Die Gruppenpraxis rund um Peter Voitl, die zum ersten Kinder-PVE umgewandelt wird, hat bereits an den Tagesrandzeiten und am Wochenende geöffnet, auch Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen findet bereits statt. Pro Jahr gibt es 55.000 Patientenkontakte. Man habe „die Möglichkeiten der Gruppenpraxis sehr ausgereizt“ und in Erwartung der PVE das Angebot bereits hochgefahren, sagte Voitl. Mit der Umwandlung zur PVE könne man das bestehende Angebot – etwa bei Physio- und Ergotherapie oder der Kinderchirurgie – weiter ausbauen. Der Vertrag seiner Gruppenpraxis mit der ÖGK steht per 1. Juli. Das bedeutet auch, dass dann die Kinderpsychologin nicht mehr selbst finanziert werden muss. Ein erfahrenes Team von vier Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendheilkunde mit Spezialisierungen unter anderem in pädiatrischer Pulmologie, pädiatrischer Kardiologie, Neonatologie und Allergologie legt bei der Betreuung der Kinder und Jugendlichen besonderen Wert auf präventive Maßnahmen, Früherkennung sowie auf die Förderung einer gesunden Entwicklung. Unterstützt wird das Team von 16 Ordinationsassistent:innen, acht diplomierten Kinderkrankenpfleger:innen, vier Kinderpsycholog:innen, zwei medizinisch-technischen Assistentinnen, einer Diätologin, einer Logopädin, einer Ergotherapeutin und einer Physiotherapeutin.
Der Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen in der Wiener Ärztekammer, Erik Randall Huber, verwies auf die Möglichkeiten bei der Entlastung des Spitalsbereichs: „Mit der Zulassung von Kinder-PVE wird ein neues Kapitel in der Gesundheitsversorgung geschrieben. Der niedergelassene Bereich kann viel mehr, als wir derzeit dürfen und von der Sozialversicherung übernommen wird.“ Nach intensiven Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern habe die Ärztekammer im Frühjahr eine Einigung über die Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Kinder-Primärversorgungseinheiten geschaffen. Österreichweit sind derzeit fünf Kinder-PVEs in Vorbereitung. (rüm/APA)