Während die Bundesländer auf eine Erhöhung der Medizin-Studienplätze drängen, sehen Expert:innen die Länder selbst in der Pflicht. Sie würden bei der klinischen Ausbildung bremsen.
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will Numerus-Clausus-Flüchtlingen aus Deutschland beim Medizinstudium in Österreich einen Riegel vorschieben. Niederösterreich und andere Bundesländer drängen zudem auf eine Erhöhung der Studienplätze. Die Ärztekammer und die Medizinuniversitäten haben das bisher abgelehnt – es werde genug ausgebildet. Mikl-Leitner argumentiert zudem mit einer Auswertung der Statistik Austria, derzufolge mehr als drei Viertel der deutschen Medizinstudent:innen drei Jahre nach der Beendigung ihres Studiums das Land wieder verlassen hätten. Es zeigt sich allerdings, dass daran die Bundesländer selbst schuld sind. Denn sie stellen als Spitalsträger zu wenige Plätze für die klinische Ausbildung zur Verfügung.
Das sagt zumindest die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker, Vorstandsmitglied der Austrian Health Academy (aha) und Lektorin an der MedUni Wien, im RELATUS-Interview. „Die Länder müssen sich selbst an den Haaren nehmen. Das Problem ist: je mehr ärztliches Personal sie haben, desto teurer wird es für sie. Gleichzeitig sind sie daran interessiert, die von ihnen zu tragende Abgangsdeckung der Spitäler zu reduzieren. Also bilden sie so wenig Personal wie nötig aus.“ In normalen Zeiten gehe sich der knappe Personalstand aus, nicht aber wenn mehr Patient:innen zu betreuen sind oder sich Krankenstände häufen. „Ich denke deshalb, dass die Länder gar nicht mehr ausbilden wollen.“
Ähnlich argumentiert auch ÖGK-Obmann Andreas Huss: „Die Spitäler stehen in der Ausbildung auf der Sparbremse und bilden nur die Ärzt:innen aus, die sie für den eigenen Bedarf brauchen. Sie bilden aber leider nicht für die niedergelassene Versorgung aus.“ Huss forderte deshalb zuletzt, dass die Krankenversicherungen als Mitfinanziers der Spitäler ein Mitspracherecht haben und „besprochen wird, wie viele Ausbildungsstellen pro Spital und Bundesland notwendig sind, um die niedergelassene Versorgung mitzudenken.“ Dabei gehe es auch um die Frage, welche Fächer ausgebildet werden. Huss: „Es nutzt mir nichts, wenn die Länder haufenweise Chirurgen ausbilden. Das bringt mir in der hausärztlichen Versorgung wenig.“ Bereits per 1. Jänner 2023 sind auch die Kompetenzen in der Ärzteausbildung – konkret die Anerkennung von Ausbildungseinrichtungen sowie Qualitätskontrollen der Ausbildung in Form von Visitationen – von der Ärztekammer an die Bundesländer übergegangen.
Für Diskussionen sorgte auch der Medizin-Aufnahmetest MedAT am Freitag. 11.735 der rund 15.400 angemeldeten Bewerber:innen und damit ähnlich viele wie im vergangen Jahr traten beim heurigen Aufnahmetest zum Medizinstudium in Wien, Graz, Innsbruck und Linz an. Begleitet war der Test, der festlegt, wer einen der 1.850 Studienplätze bekommt, auch heuer von Diskussionen über mehr Studienplätze. „Mehr Medizin-Studienplätze zu schaffen oder die Zahl ausländischer Studierender einzuschränken, würde nicht viel bringen. Eine Berufspflicht für Medizin-Studierende wird uns ebenfalls nicht weiterhelfen. Mit Zwang gewinnt man keine motivierten Mitarbeiter:innen“, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf Twitter.
Einen österreichweiten Ärztemangel sieht die Vizerektorin für Lehre an der Meduni Wien, Anita Rieder, nicht. Viel eher sei es ein regionales und zum Teil auch nationales Verteilungsproblem, der in den vergangenen Jahren neu ausgebildeten Ärzt:innen. Problemfelder seien unter anderem die schlechte Bezahlung, die „Migration in die lukrative und nur teilweise versorgungsrelevante Privatmedizin“ und der internationale Wettbewerb um Jungmediziner:innen. Österreich liege mit der Zahl der Absolvent:innen im internationalen Spitzenfeld und bilde in Bezug auf die Einwohnerzahl wesentlich mehr Menschen aus als vergleichbare Länder. (rüm/kagr)