Chirurgie als Hotspot für sexualisierte Gewalt

Eine Studie aus Großbritannien schockiert. Sexuelle Gewalt und Belästigung scheinen dort in der Chirurgie alltäglich zu sein.

Eine aktuelle Studie der Universität Exeter schlägt in Großbritannien hohe Welle. „Unsere Ergebnisse werden wahrscheinlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in den chirurgischen Berufsstand erschüttern“, sagt Christopher Begeny von der University of Exeter. Denn die Studienergebnisse zeigen: Fast zwei Drittel (63 Prozent) der britischen Chirurginnen im staatlichen Gesundheitsdienst NHS wurden schon sexuell belästigt. In der Studie wurden auch konkrete Fälle geschildert, bei denen Ärztinnen beispielsweise unter ihren Kitteln berührt wurden, Operateure sich die schweißige Stirn an den Brüsten von Kolleginnen abwischten oder sich mit ihrem Geschlecht an ihnen rieben. Einigen Ärztinnen seien bessere Karrierechancen gegen Sex angeboten worden.

Doch das ist noch nicht alles: Knapp ein Drittel (30 Prozent) der Befragten war demnach in den vergangenen fünf Jahren sogar sexueller Gewalt ausgesetzt und ist von Kollegen – teilweise während Operationen – attackiert worden. Mindestens elf Vergewaltigungen wurden gemeldet. Für Steve Brine, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im britischen Parlament, ein „schockierendes“ Ergebnis. „Der NHS hat die Pflicht, sicherzustellen, dass Krankenhäuser sichere Arbeitsräume für das gesamte Personal sind, und die Manager zur Rechenschaft zu ziehen, um sicherzustellen, dass Maßnahmen gegen die Verantwortlichen ergriffen werden“, betonte Brine gegenüber der BBC. Binta Sultan vom NHS England sagte, der Bericht sei schwer zu ertragen und beweise, dass mehr Maßnahmen für die Sicherheit in Kliniken erforderlich seien. Das Gesundheitsministerium betonte, sexuelle Gewalt sei inakzeptabel und habe keinen Platz im NHS. Die Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA) nannte die Behandlung von Chirurginnen „scheußlich“, die Ärztevereinigung Royal College of Surgeons bezeichnete die Studie als „wirklich schockierend“. So schockierend der Bericht ist, überraschend kommt er keinesfalls. MeToo-Fälle, Belästigung und Respektlosigkeit sind keine Seltenheit im Alltag von im Gesundheitsbereich tätigen Frauen – auch in Österreich, wie auch der RELATUS bereits berichtete. (kagr)