Nach Deutschland sind nun auch in Österreich gefälschte „Abnehmspritzen“ aufgetaucht. Die Behörden suchen eine Vertriebsquelle aus Österreich. Auch der Apothekerverband und die Pharmaindustrie reagieren.
Ein europaweiter Skandal um gefälschte „Abnehmspritzen“ zieht immer weitere Kreise. Offenbar aus Österreich sind gefälschte Fertig-Pens mit dem Diabetesmittel „Ozempic“ (Originalhersteller: Novo Nordisk A/S) nach Deutschland und dort auch in Apotheken gelangt. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) informierte nun, dass zudem eine Person in Österreich nach der Anwendung des gefälschten Diabetesmittels in einem Krankenhaus behandelt werden muss. Außerdem sollen Fälschungen des Diabetes-Pens bereits Patient:innen in Österreich erreicht haben. Das BASG geht auch davon aus, dass es weitere Fälschungen gibt, die nur schwer oder gar nicht erkennbar sind. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) ermitteln nun auf Hochtouren.
Nach aktuellem Wissensstand handelt es sich bei den mutmaßlichen Fälschungen um Ozempic-Packungen der Stärke 1 mg (Ozempic 1 mg Injektionslösung in einem Fertig-Pen). Es könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Packungen mit einer anderen Wirkstärke betroffen sind, teilte das BASG mit. Anhand der Außenverpackung lassen sich die Fälschungen rein optisch nur schwer bis gar nicht unterscheiden. Die bisher identifizierten Fälschungen sind aber von den Originalen an der Primärverpackung (= Spritze) vorerst leicht zu unterscheiden: Dunkelblaue Farbe der gefälschten Spritze anstatt hellblau im Original, sowie blauer Spritzenkopf der Fälschung anstatt grauem im Original. Das BASG geht aber davon aus, dass es auch Fälschungen gibt, die anders aussehen oder nicht als Fertig-Pen angeboten werden. Die Behörde weist Apotheker:innen und Hausapotheke-führende Ärzt:innen darauf hin, dass vor der Abgabe von Ozempic an Patient:innen die Sekundärverpackung anhand des elektronischen Sicherheitsmerkmals im Rahmen der Serialisierung und Verifizierung von Arzneimitteln immer auf seine Echtheit zu prüfen ist. Ein Verdacht auf Fälschung eines Arzneimittels muss umgehend dem BASG gemeldet werden. Weitere Fälle von Ozempic-Fälschungen könnten nicht ausgeschlossen werden.
Der Fall um eine Spitalseinlieferung zeige, dass der Kauf von Arzneimitteln über dubiose Online-Händler ein enormes gesundheitliches Risiko darstellt, erklärt nun der Österreichische Apothekerverband. Er warnt vor derartigen Käufen und ruft die Bevölkerung dazu auf, Medikamente ausschließlich über sichere Quellen zu beziehen – über die öffentlichen Apotheken. „In den vergangenen Jahren hat die Anzahl von Arzneimittelfälschungen in einem besorgniserregenden Ausmaß zugenommen – gesundheitliche Risiken inklusive,“ erklärt Thomas W. Veitschegger, Präsident des Apothekerverbands. „Der Fall Ozempic zeigt, wie wichtig die Apotheken für das österreichische Gesundheitssystem sind. Wir sorgen dafür, dass Medikamente – selbst in Zeiten von Lieferengpässen – verfügbar sind. Und wir garantieren, dass die Menschen ausschließlich sichere Präparate bekommen“ ergänzt Andreas Hoyer, 1. Vizepräsident des Apothekerverbands.
Man müsse den Menschen aber auch vermitteln, dass Arzneimittel keine Lifestyle-Produkte sind, fordert Alexander Hartl, 2. Vizepräsident des Apothekerverbands: „Bei Ozempic handelt es sich um ein Diabetes-Medikament, um das vor einigen Monaten ein Hype im Internet entstanden ist. Sogenannte Influencer bezeichnen das Präparat als Wundermittel für Gewichtsreduktion. Das ist in doppeltem Maß besorgniserregend: All jene, die das Medikament als Lifestyle-Produkt – und damit in medizinisch nicht notwendigen Fällen – anwenden, riskieren ihre Gesundheit. Gleichzeitig setzen sie den Markt unter Druck. Für die Menschen, die das Medikament für ihre Diabetes-Erkrankung dringend brauchen, wird die Versorgung schwieriger.“
„Was dramatisch klingt, ist leider Realität: Wer gefälschte Arzneimittel konsumiert, begibt sich mitunter in Lebensgefahr“, warnt auch Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Nach wie vor sei die legale Lieferkette, vom Hersteller über den Großhandel und die Apotheke, der sicherste Weg, um Arzneimittel zu den Patient:innen zu bringen. Auch der jüngste Fall eines gefälschten Diabetesmittels sei – „zum jetzigen Erkenntnisstand“ – außerhalb dieses Vertriebsweges zu verorten. „Rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen ausnahmslos in öffentlichen oder bei ärztlichen Apotheken gekauft werden. Wer diesen Weg scheut und eigentlich rezeptpflichtige Arzneimittel im Internet bestellt, geht dabei ein unkalkulierbares und hohes Risiko ein“, sagt Herzog.
Dass die legale Lieferkette sicher gegen das Eindringen gefälschter Medikamente ist, dafür sorge eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen. Diese wurden im Zuge der Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie im Jahr 2019 eingeführt. Seither lasse sich jede Medikamentenpackung durch einen einzigartigen Code eindeutig identifizieren. So soll sichergestellt werden, dass keine gefälschten Arzneimittel in die legale Lieferkette eingeschleust werden können. Dank dieses strengen und engmaschigen Überwachungssystems sei auch das erwähnte gefälschte Diabetesmittel entdeckt worden, erklärt die Pharmig. (rüm)