Der ehemalige WGKK-Obmann, Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband und Druckgewerkschafter Franz Bittner ist am Mittwoch im 70. Lebensjahr verstorben. Ein paar Gedanken über einen Unbequemen.
Die Drucker waren früh gewerkschaftlich organisiert und gehörten von Beginn an zu den Stützen der Arbeiter:innenschaft. Sie waren nämlich die ersten in der Arbeiter:innenbewegung die lesen und schreiben konnten. Das erzählte mir Franz Bittner einmal – ich war Betriebsratsvorsitzender in der Zeitung Wirtschaftsblatt, er Vorsitzender der einst mächtigen Gewerkschaft Druck Journalismus Papier. Als solcher führte er 2003 einen großen Streik gegen Pläne der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung an. Bittners Drucker streikten bereits einen Tag vor dem eigentlichen Streiktag – um ein Erscheinen der Tageszeitungen am Streiktag zu verhindern. Am Streiktag selbst arbeiteten die Drucker, um so die öffentliche Berichterstattung über den Streik zu ermöglichen. Eine Planung, die zum hochpolitischen Franz Bittner passte.
Er wusste auch, dass es keine langen Streiks braucht, sondern nur den richtigen Zeitpunkt, damit Zeitungen entweder nicht oder doch noch erscheinen. Letzteres Druckmittel setzte er gegenüber den Verlegern gezielt ein. Etwa 2009: Die Beschäftigten gewerkschaftlich organisierter Druckbetriebe marschierten von 16 Uhr durch die Stadt um um 17 Uhr vor der Wirtschaftskammer-Zentrale den Streik zu beenden. Eine Stunde. Doch die reichte, um die Zeitungsverleger ins Schwitzen zu bringen. Und so verhandelte er auch im Sozialversicherungsbereich: hart, aber mit dem Fokus auf Lösungen und Abschlüsse, bei denen auch das Gegenüber mitgehen und das Gesicht wahren konnte. Bittner war ein gestandener Gewerkschafter, der ein anderes Mal auch Verantwortungsbewusstsein für die wirtschaftliche Lage vor Kampfbereitschaft stellten konnte. Das brachte ihm nicht nur Lob in den eigenen Reihen ein.
Warum so viel vom Gewerkschafter die Rede ist? Weil dort seine Basis war. So wie es in der Gewerkschaft um die Beschäftigten ging, so ging es ihm in der Sozialversicherung um die Versicherten. Es waren nämlich die gleichen Menschen. Bittner war als Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse (von 1997 bis 2009) und Vorsitzender der Gewerkschaft Druck Journalismus Papier (von 1993 bis 2006) ein Musterbeispiel der Sozialpartnerschaft – im doppelten Sinne: Als Gewerkschafter in der Sozialversicherung und als Kassenobmann mit den Vertragspartnern. Es ist fast bezeichnend, dass die Ärztekammer heute Donnerstag seinen Tod als erste publik machte. Er sei stets ein „harter, aber sehr fairer Verhandlungspartner“ gewesen und „er hat sich den Versicherten und Patientinnen und Patienten gegenüber persönlich verpflichtet gesehen“, trauerte Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart, der immer ein streitbarer Gegner Bittners war und ihn dennoch nach seinem Ausscheiden in der Sozialversicherung für zehn Jahre als Patientenobmann in die Ärztekammer holte.
Davor war Bittner von 2002 bis 2009 Vorsitzender der Hauptversammlung und später der Trägerkonferenz des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und insgesamt eine der prägendsten Führungspersönlichkeiten der österreichischen Sozialversicherung. „Als Spitzenrepräsentant im Gesundheitswesen bewegte er sich stets auf glattem Parkett auf der Suche nach Gestaltungsspielräumen zwischen politischem Druck und Partikularinteressen mächtiger Lobbys, erinnerte der Dachverband heute. ÖGK-Obmann Andreas Huss sagt über Bittner: „Ein progressiver Sozialpartner und Visionär ist von uns gegangen. Er sah bereits sehr früh den hohen Stellwert der psychischen Gesundheit und setzte die Psychotherapie auf Krankenkosten um, verstärkte die integrierte Versorgung für chronisch Kranke und die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe.“ Als seine größten Erfolge gelten wohl der Ausbau der Vorsorgeuntersuchung samt zielgerichtetem Einladesystem, die Etablierung des Brustkrebsscreeningprogramms und das Diseasemanagementprogramm Diabetes. Unter seinem Vorsitz im Hauptverband wurde unter anderem die Einführung der e-Card umgesetzt, die Balanced-Scorecard-Steuerung eingeführt, die Konsolidierung der Rechenzentren eingeleitet und die IT-SV GmbH gegründet.
Franz Bittner begann mit einer Lehre zum Lithografen, die er 1973 abschloss, war von 1969 bis 1993 für die Kurier AG/Mediaprint in der Reprotechnik tätig und wurde zu einem Großen der Sozialversicherung und einer prägenden Persönlichkeit des heimischen Gesundheitswesens. „Wir verlieren mit Franz Bittner auch einen Menschen mit einem großen Herz, der Konsequenz auch immer mit dem nötigen Maß an Kompromissbereitschaft verbunden hat. Unser ganzes Mitgefühl gilt in dieser Situation seiner Familie“, sagte heute die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber. Dem ist nichts hinzuzufügen. Gott grüß die Kunst, lieber Franz. (Martin Rümmele)