Die Frage neuer und zusätzlicher Kassenstellen bleibt ein politischer Dauerbrenner. Bundeskanzler Nehammer sorgt mit einer Aussage für Verwirrung, die Ärztekammer wünscht sich Klarheit und die Kassen wollen mehr Geld.
Bei der Suche nach niedergelassenen Ärzt:innen in der Allgemeinmedizin und in Mangelfächern gehen weiterhin die Wogen hoch und die Meinungen auseinander. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer wurde in einem Interview der Oö-Nachrichten mit dem Versprechen von 100 weiteren Stellen zitiert. Ob auch diese wie die 100 im Vorjahr beschlossenen mit bis zu 100.000 Euro Startbonus vom Bund aufgefettet werden, blieb im Interview offen. Später hieß es, dass es gar nicht um 100 weitere Stellen, sondern nur um die bereits im Dezember fixierten Stellen gehen soll. Die Verwirrung war jedenfalls komplett und die ÖGK wies darauf hin, dass sie auch 200 neue Stellen einrichten würde, wenn sie dafür mehr Geld bekommt. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) lehnte das ab und verwies auf die ohnehin bereitgestellten zusätzlichen Mittel über den Finanzausgleich.
In der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) forderte der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzt:innen, Edgar Wutscher, erneut vehement die Einbindung der Kammer ein. „Allein die Ansage, dass man die Stellen schafft, bringt ja in keiner Weise irgendwoher eine Verbesserung in der Versorgung“, sagte er in einer Pressekonferenz. Es gebe bereits jetzt 400 offene Stellen, die großteils bereits ausgeschrieben seien. Wutscher: „Es kann nicht die Lösung sein, dass ich 100 dazu schaffe und fördere, und die anderen kriegen nichts.“
Man wisse in der Kammer schon von regulären Bewerber:innenn, die nun einfach auf die neue Schiene umsatteln wollten, so Niedergelassenen-Vizeobmann Dietmar Bayer. Die Überlegung dabei: „Ich warte, bis die Karl-Nehammer-Stellen kommen, dann krieg ich 100.000 Euro, da kann ich mir aussuchen, wo ich hinkomme.“ Neue Ärzt:innen brauche man aber eher in den für Ärzt:innen weniger attraktiven Regionen, und es sei unklar, ob das in den Kriterien für die Vergabe Niederschlag finde. Außerdem koste es weit mehr als 100.0000 Euro, um eine Kassenpraxis weiter zu finanzieren, und die ÖGK schreibe jetzt schon Defizite.
Bayer zeigte sich auch über jene verärgert, die sich einer Entmachtung der Ärztekammer rühmten. „Ohne uns geht es nicht, dann operiert euch halt selber“, sagte er und wies dies als einen bei einem Ärztestreik in Deutschland gefallenen Ausspruch aus. Weitere Forderungen der Ärztekammer: Die 70-Jahre-Altersgrenze in der Niederlassung müsse fallen, Limitierungen und Degressionen in der Honorierung der ärztlichen Leistungen ebenfalls, es brauche einen einheitlichen Leistungskatalog, und „absurde Ideen“ zur Zwangsverpflichtung von Wahlärzten müssten ein Ende finden.
Der Startbonus selbst sei zudem nur ein Faktor, der kurzfristig helfe, Bewerber:innen für offene Kassenstellen zu finden. Allerdings: „Das allein wird keine nachhaltige Lösung bringen, denn dafür müssen die Arbeitsbedingungen langfristig verändert werden“, sagte Wutscher. Dazu gehöre auch, die kassenärztlichen Leistungen zu modernisieren. Die Bundeskurie habe bereits vor Jahren einen einheitlichen Leistungskatalog, in Absprache und enger Zusammenarbeit mit den Bundesfachgruppen, entwickelt: „Es ist in einer modernen Kassenmedizin nicht vertretbar, dass Patienten bundeslandabhängig unterschiedliche Leistungen erhalten“, betonte Wutscher. Moderne Leistungen und eine leistungsbezogene Honorierung ohne Limits und Degressionen würde das Kassensystem nicht nur wieder attraktiver für Ärztinnen und Ärzte machen, sondern auch die wohnortnahe Versorgung stärken und die Spitäler entlasten. Vorbild sei hier der jüngste Abschluss mit der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS). (rüm)