„Demut vor Qualifikation ausländischer Fachkräfte“

© Humanocare Group

Julian Hadschieff, Eigentümer und CEO der Humanocare Group, diskutiert über das Rekrutieren ausländischer Fachkräfte und die Chancen jüngster Reformen. 

Eine aktuelle Studie zeigt, dass es derzeit ein Rekordhoch an offenen Stellen im Gesundheitsbereich gibt. Wie erleben Sie den Fachkräftemangel im Bereich Pflege? Der Pflegemangel ist eindeutig die größte Herausforderung derzeit. Im Gesundheitssystem müssen wir uns ständig fragen, wie wir es schaffen können, attraktiv genug zu sein und ausreichend Mitarbeitende zu bekommen. Was ganz klar ist: Ohne Kräfte aus dem Ausland wird es nicht gehen. Deswegen haben wir bei der Humanocare Group die Tochter-Firma „Talent&Care“ gegründet, die auf die Vermittlung von internationalen Pflegekräften spezialisiert ist. 

Vor allem Pflegekräften aus Drittstaaten werden viele Hindernisse in den Weg gelegt. Wie funktioniert das Recruiting derzeit? Wir haben mittlerweile 300 Mitarbeiter:innen nach Österreich gebracht, insbesondere aus Kolumbien. Rekrutiert wird aber weltweit, in Ecuador, Indien, Indonesien, auf den Philippinen und auch mit Fachhochschulen des Westbalkans haben wir Verträge. Dabei gibt es aber zwei große Herausforderungen: Einerseits der Spracherwerb, wobei wir in Kolumbien beispielsweise unsere eigene akkreditierte Sprachschule betreiben, wo derzeit 500 Studierende Deutsch lernen. Wir haben außerdem noch eine Kooperation mit dem österreichischen Integrationsfonds, der ebenfalls Sprachkurse anbietet. Die zweite große Challenge sind die Nostrifizierungen. Da gibt es leider immer noch Fachhochschulen in Österreich, die nicht verstanden haben, dass hier rasch gearbeitet werden muss. Wir arbeiten zum Glück aber mit FHs zusammen, wo das angekommen ist. 

Jüngste Gesetzesnovellen wollten hier Erleichterung schaffen – hat das Ihrer Erfahrung nach geklappt? Ja, hier hat es grundsätzlich Fortschritte gegeben. Zum Beispiel hat der Kompetenzvergleich bei der Nostrifizierung den 1:1-Vergleich abgelöst und auch die 24-monatige Frist fängt bei der Eintragung ins Berufsregister an und nicht mehr wie bisher bei der Bescheiderstellung. Da tut sich zum Glück einiges. Ich denke, vor allem in der Politik haben bereits viele erkannt, wie wichtig Fachkräfte aus dem Ausland sind, weil sonst Betten oder Operationssäle leer oder gesperrt bleiben müssen – auf Kosten der Patient:innen. 

Wie läuft es mit der Integration, wenn die Fachkräfte es nach Österreich geschafft haben? Werden sie vom System und der Gesellschaft gut aufgenommen? Das erleben wir mal so, mal so. Jene Menschen, die mit den Pflegekräften zusammenarbeiten, erkennen schnell, dass sie ein Gewinn für das System sind. Vor allem bei den südamerikanischen Kräften erleben wir einen super „cultural fit“. Die Freundlichkeit dieser Kulturen und auch ihr Blick auf das Altern als Gnade und Privileg ist gut für unsere Teams, das führt zu einem Shift im Mindset. Auf der anderen Seite gibt es leider immer noch Menschen oder Institutionen, die nicht verstanden haben, dass wir uns in einem internationalen Wettbewerb befinden und nicht alle unbedingt nach Österreich kommen wollen. Vor allem, wenn die Pflegekräfte auf Englisch ausgebildet wurden, ist die Chance groß, dass sie lieber in die USA, nach Kanada oder Großbritannien möchten. Was mir in Österreich oft fehlt, ist ein gewisser Pragmatismus und eine Demut vor hochqualifizierten ausländischen Fachkräften. Auch andere Länder haben tolle Ausbildungen im Gesundheitsbereich. (Das Interview führte Katrin Grabner)